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Danach kannst du ihn einfach hier auf den Küchentisch legen.«

      »Ehrlich gesagt habe ich nicht die Absicht auszuziehen.«

      Wütend schalte ich die Kaffeemaschine ein. Ich will aufbrausen, dann wird mir bewusst, dass die Stimme nicht die Alinas ist. Ich drehe mich hastig um. In der Tür zur Küche steht eine dünne Frau mit langen, braunen Haaren. Sie ist jünger als ich, wirkt aber seltsam ernst, als sei sie Leichenbestatterin oder Blauebriefüberbringerin – falls es so etwas gibt. Sie trägt enge schwarze Jeans und eine dünne Lederjacke.

      »Ich glaube, Sie haben sich in der Tür geirrt«, sage ich mürrisch.

      »Sie sind nicht Herr Deutsch?«

      »Doch, aber sie wollen bestimmt nicht zu mir. Ich bin getrennt, revoluzze und koche Kaffee.«

      Sie nickt, als wundere sie das nicht, und stellt sich dann als Kriminaloberkommissarin Termoltke vom BKA vor, was mich erstaunt, weil in meiner Fantasie Kommissarinnen alt, hässlich und weniger zerbrechlich sind als diese Frau vor mir.

      »Ich habe ein paar Fragen …«

      »Wegen meiner Mutter«, unterbreche ich sie und deute ihr an, am Küchentisch Platz zu nehmen. Ich freue mich nicht über Besuch von der Polizei, hoffe aber, sie durch dezente Kooperation schnell wieder loszuwerden.

      Sie nickt und schaut auf meine Beine.

      »Ich kann mir auch was überziehen, falls das …«, ich zögere, »… unangemessen ist.«

      Sie verneint und fragt zu meiner Überraschung nach meinem Befinden. Wahrscheinlich hat sie eine Fortbildung gemacht. Advanced Empathie for Bundespolicewomen. So nennen Behörden die Dinge im Jahre 2013. Muss ja auch nach Kompetenz klingen. Ich lächele, sie schaut skeptisch.

      »Mir geht’s super!«, sage ich und nicke, als wolle ich mich selbst bestätigen. »Meine Mutter ist im Gefängnis, meine Ex-Freundin vögelt mit meinem Bruder, aber das wissen Sie sicher, schließlich stehen sie an der Spitze der Informationskette.«

      Sie presst ihre Lippen fest aufeinander, woraufhin sich kleine Falten links und rechts der Mundwinkel bilden. »Sie sind Ihrer Mutter wirklich sehr ähnlich.«

      Ich weiß nichts mit dieser Behauptung anzufangen. »Soll das ein Kompliment sein?«

      »Das ist mir egal.« Sie schaut sich um und bleibt an den Kisten hängen, die kreuz und quer über dem Boden verteilt stehen. »Hat ihr Umzug mit Ihrer Mutter zu tun?«

      »Ist das eine Frage oder eine Feststellung?«

      Sie schüttelt den Kopf. »Kriege ich einen Kaffee?«

      »Ist alle«, lüge ich, während die Maschine die letzten Tropfen Wasser in den Filter röchelt. »Wie wäre es mit Bier? Ich habe auch noch ein oder zwei Flaschen Wein da, den wir in unserem Geschäft für regionale Feinkostwaren verkaufen. Na ja, oder verkauft haben, weil wir schließen werden.«

      Sie deutet mit dem Zeigefinger auf die Kaffeemaschine. »Ich trinke morgens keinen Alkohol, aber von dem Kaffee da in der Maschine nähme ich gern etwas.«

      »Das ist Supermarktware«, sage ich. »Der Wein ist besser.«

      »Was anderes bin ich nicht gewohnt. Ich bin Beamtin.«

      Sie lächelt und ich schaue weg, um sie nicht sympathisch finden zu müssen. Wir schweigen eine Weile, bis ich ihr eine Tasse dampfenden Kaffee unter die Nase schiebe.

      »Schwarz, nehme ich an«, sage ich.

      »Woher wissen Sie das?«, fragt sie in einem neckischen Tonfall, den man, wäre sie keine BKA-Beamtin, als Auftakt zu einem Flirt verstehen könnte. Aber Polizistinnen flirten glücklicherweise nicht.

      Sie nippt an dem Kaffee und verzieht das Gesicht. Anscheinend ist er ihr noch zu heiß. Ich beobachte, wie sie ihren schlanken Zeigefinger über den Rand der Tasse gleiten lässt, um ihn dann ganz kurz in den Mund zu stecken und abzulecken. »Darf ich hier rauchen?«

      Ich hatte sie asketisch eingeschätzt, scheine mich aber zu irren. »Nee, besser nicht.«

      Sie legt eine Schachtel Gauloise auf den Tisch. »1985 hat ihre Mutter mit drei Freunden geholfen, Laurenz und Dieter Tillinger nach Westdeutschland zu schmuggeln.«

      Ich nicke.

      »Wie haben sich Laurenz Tillinger und Ihre Mutter kennengelernt?«

      »Ist das nicht egal?«

      Sie rollt mit den Augen. Die Geste wirkt eingeübt.

      »Das ist eine seltsame Geschichte«, sage ich resignierend. »Ich habe damals bei einem Schulfest an einem Luftballonwettbewerb teilgenommen. Ich glaube, heute macht keiner mehr solche Sachen, das ist zu analog und Umweltverschmutzung und so eine bisschen wie Toast Hawaii.«

      Sie kratzt sich an der Stirn. Mir fallen ihre Finger auf, die ziemlich gepflegt wirken und schön sind. Ihre Nägel sind dunkelbraun lackiert und harmonieren mit ihrer Haarfarbe. Das habe ich noch nie über jemanden gedacht, überlege ich verwundert. Finger waren bisher Finger für mich. Anscheinend ändert sich gerade alles, auf nichts ist mehr Verlass.

      »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, murmelt sie und leckt den Rand ihrer Kaffeetasse ab.

      »Toast Hawaii war doch so ein Ding in den Achtzigern, aber heute kommt kaum noch einer auf die Idee, Toast Hawaii zu machen, das hat seinen Charme verloren, weil es nichts Neues mehr ist, sondern ein alter Hut, wenn Sie verstehen, was ich meine, so wie …«

      »Schon gut, ich glaube, ich weiß, worauf sie hinauswollen«, sagt sie und lächelt. Ihre Zähne sind extrem weiß.

      »Außerdem sind Käse und Schinken auf Toast Hawaii kanzerogen.«

      Sie spielt mit der Schachtel Zigaretten herum, als langweile sie sich.

      »Auf jeden Fall habe ich bei dem Luftballonwettbewerb teilgenommen«, fahre ich fort, »und mein Ballon ist direkt bis nach Eisenach in den Garten der Familie Tillinger geflogen. In die DDR. Spreewaldgurken und so.«

      »Ich weiß, wo Eisenach ist. Wartburg. Luther. Tintenfass. Und ich brauche keine weiteren Analogien zu Toast oder anderen Lebensmitteln.«

      Ich spüre plötzlich Ungeduld in ihrer Stimme, obwohl sie sich nach wie vor betont lässig gibt.

      »Das war es eigentlich schon. Der Ballon ist gelandet, die Tillingers haben die Karte daran zurückgeschickt, ich habe den ersten Preis gewonnen und irgendwann später sind meine Mutter, meine Geschwister und ich in die DDR gefahren, um die Tillingers zu besuchen.«

      »Ein merkwürdiger Zufall. Finden Sie nicht?«

      »Na ja, wäre der Ballon nicht dort gelandet, dann eben woanders und jemand anderes hätte ihn gefunden. Das ist doch irgendwie das Prinzip eines solchen Wettbewerbs. Der Zufall.«

      »Ihr Ballon landet im Garten einer Familie, mit der Ihre Mutter seit Jahrzehnten bekannt ist. Klingt für mich unglaubwürdig.«

      »Nee, nee«, widerspreche ich. »BKA hin oder her, aber das ist Quatsch. Meine Mutter hat die Tillingers zum ersten Mal 1984 getroffen. Wir sind zusammen …«

      »Kennen Sie Josef Tillinger?«, unterbricht sie mich.

      »Das ist der Großvater von meinem Freund Dieter.«

      Ich finde es eigenartig, Dillingers richtigen Namen zu benutzen. Das mache ich schon seit über zwanzig Jahren nicht mehr.

      »Haben Sie Josef Tillinger mal getroffen?«

      »Nein. Seit ihrer Flucht aus der DDR haben Dieter und Laurenz keinen Kontakt mehr zu ihm. Der war angeblich bei der Stasi oder so.«

      »Nicht angeblich. Er war ein ziemlich hohes Tier.«

      Ich ärgere mich, weil mich die Kommissarin auf eine falsche Fährte setzt. »Was hat das mit dem Ballon zu tun, der …«

      »Vergessen Sie Ihren Ballon, Herr Deutsch«, sagt sie erstmals ungeduldig. »Keine Ahnung, was sich Ihre Mutter

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