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so wie die Engel des Wassers, der Luft und der Sonne den Weizen auf dem Feld nähren und reifen ließen, so müssten sie auch euer Brot bereiten. Und die gleiche Sonne, die mit dem Feuer des Lebens den Weizen wachsen und reifen ließ, muss auch euer Brot mit dem gleichen Feuer backen. Denn das Feuer der Sonne gibt dem Weizen, dem Brot und dem Körper Leben. Aber das Feuer des Todes tötet den Weizen, das Brot und den Körper. Und die lebendigen Engel des lebendigen Gottes dienen nur lebendigen Menschen. Denn Gott ist der Gott des Lebens, und nicht der Gott des Todes“.31

      Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Reich der Himmel ist gleich einem Senfkorn, welches ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das zwar kleiner ist als alle Samen, wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als die Kräuter {Gartengewächse} und wird ein Baum, so daß die Vögel des Himmels kommen und sich niederlassen {O. nisten} in seinen Zweigen. (Mt 13,31–32)

      Der Verfasser des oberen Gleichnisses wusste genau, dass das Senfkorn nicht das kleinste unter allen Samenkörnern ist. Es war

       ihm offensichtlich völlig egal, ja sogar recht, dass die Menschen sich darüber stritten. Sie mussten mit Belanglosigkeiten beschäftigt werden, um sie von der wahren Fälschung fern zu halten. Ihm ging es einzig und allein um das Sabotieren der Wahrheit und darum, seiner zynischen Befriedigung zu frönen, denn allem Anschein nach schrieb der Verfälscher sein Senfkorn-Gleichnis in Anlehnung an die unteren Texte aus den Essener-Evangelien, in denen es heißt, dass der Weizen das (größte) vollkommenste aller Getreidearten sei, eine Wahrheit, die auf die wunderbare Schöpfung hinweist und ein weiteres Mal zu erkennen gibt, dass die Gesundheit ein Teil des göttlichen Plans ist, eine Offenbarung, die nicht bekannt werden durfte, da in der Bibel die Gesundheit keine Rolle spielt. Der Bösewicht vertauschte das Weizenkorn mit einem Senfkorn, das man mit „Brennen“ oder gar „Feuer“ oder „Hölle“ verbindet, und krönte das Ganze mit dem Hinweis, dass dieses Korn das kleinste unter allen Samen sei mit dem versteckten Sinne von Minderwertigkeit.

      Eine Botschaft, die gegen die Täufer-Bruderschaft gemünzt war und die auch nur von ihnen richtig verstanden werden konnte.

      „Denn wahrlich, ich sage euch, Gott weiß genau, was euer Körper braucht und wann er es braucht.

      Mit Beginn des Monat Ijar esst Gerste; vom Monat Silvan an esst Weizen, die Vollkommenste aller samentragenden Pflanzen; und macht euer täglich Brot aus Weizen, auf dass der Herr auf euren Körper achtgeben kann“.82

      Und es war an einem hellen, sonnigen Morgen, als Jesus die neuen Brüder der Erwählten um sich versammelte, damit sie mit ihren Ohren hören und mit ihren Herzen die Lehren ihrer Väter verstehen sollten, so wie Enoch belehrt wurde.

      Und Jesus setzte sich unter einen knorrigen, alten Baum und hielt einen kleinen, irdenen Topf in seinen Händen, und in dem Topf wuchs ein zarter Sprößling Weizen, der vollkommensten aller körnertragenden Pflanzen.“83

      Carlucci kam aus dem Staunen nicht heraus.

      „Mein Gott, was für ein Geist hat sich all diese Verdrehungen, die verwickelt und ineinander verschachtelt sind, ausgedacht?“

      Gilberto stimmte der Empörung seines Freundes mit einem stummen Nicken zu und sprach weiter:

      „Demnach könnte der Mensch, der die Gabe der Zunge hat, sie aber auch, wenn er trotz allem dem Weltlichen verfallen sein sollte, zu unlauteren Zwecken missbrauchen, etwa um sich zu bereichern oder andere niedere, unredliche Wünsche zu erfüllen, das ist „der Missbrauch der Zungen.“

      „Und sieben Jahre lang wurden euch diese Worte nicht gegeben, denn der, der das Geschenk der Zungen benutzt, Reichtümer zu suchen oder seine Feinde zu beherrschen, der wird nicht länger ein Sohn des Lichts sein, sondern ein Kind des Teufels und eine Kreatur der Finsternis“.84

      Der Verschwörer verändert den wahren Sinn der Metapher, indem er den „Missbrauch der Zungen“ aus dem Essener-Evangelium in „Missbrauch der Sprache“ im Sinn von Schmähung, üble Nachrede oder Verleumdung wiedergibt, die er im Neuen Testament in den Briefen Jakobus unterschiebt.

      Seid nicht viele Lehrer, meine Brüder, da ihr wisset, daß wir ein schwereres {W. größeres} Urteil {O. Gericht} empfangen werden; denn wir alle straucheln oft. {O. viel, in vieler Hinsicht} Wenn jemand nicht im Worte strauchelt, der ist ein vollkommener Mann, fähig, auch den ganzen Leib zu zügeln. Siehe, den Pferden legen wir die Gebisse in die Mäuler, damit sie uns gehorchen, und lenken ihren ganzen Leib.

      Siehe, auch die Schiffe, die so groß sind, und von heftigen Winden getrieben werden, werden durch ein sehr kleines Steuerruder gelenkt, wohin irgend der Trieb des Steuermanns will. So ist auch die Zunge ein kleines Glied und

      rühmt sich großer Dinge. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen großen Wald {O. Holzstoß} zündet es an!, welch ein Feuer zündet welch einen Wald an. (Jak 3,1–5)

      „Nachdem der Verschwörer dem Kapitel aus dem Essener-Evangelium, das von der Zungengabe handelte, einen anderen Sinn gegeben hatte, war er doch jenen, die die Gabe der Zungen im Zusammenhang mit der Offenbarung des Propheten im Gedächtnis behalten hatten, diesbezüglich Rede und Antwort schuldig.

      Diese markante Redewendung „Gabe der Zunge“ konnte der Verschwörer nicht einfach unter den Teppich kehren, er musste sich einen glaubwürdigen Ersatz dafür ausdenken und zurecht legen.

      Auch in diesem Fall fackelte er nicht lange und löste das Problem auf übliche Weise. Er kehrte den metaphorischen Sinn in einen wörtlichen Sinn um, denn der Begriff „Zunge“ kann wie in Englisch (language) oder in Französisch (langue) auch Sprache heißen. Der Verfälscher übertrug den symbolischen Sinn der Aussage “Gabe der Zunge“, die einen Gerechten bemächtigt, die Elemente zu beherrschen, in den wörtlichen Sinn der „Gabe der Sprache“ um. Damit war ein abstruses Kauderwelsch gemeint, das die Gemeindemitglieder von sich geben und auf diese Weise den Beweis für den nunmehr empfangenen Heiligen Geist, den niemand nachvollziehen kann, erbringt. Von nun an war die Kommunikation zwischen Gott und seinen Schäfchen gesichert, nur dass der Kandidat nicht im Stande war, seine eigenen Worte zu verstehen“, erklärte Gilberto verdrießlich. Nach einer kleinen Pause fuhr er fort:

      „Etwas Intelligenteres als das unverständliche und verworrene Geplapper fiel dem Verfälscher wohl nicht ein, aber er schien die Sache doch richtig im Griff gehabt zu haben, denn es hat ja bis zum heutigen Tag funktioniert“.

      Carlucci hörte sich den Vortrag seines Freundes fassungslos und beschämend an, denn auch er hatte einmal den Versuch gestartet, auf diese Weise den Empfang des Heiligen Geistes zu demonstrieren. Doch irgendwann wurde ihm die Sache zu dumm und er ließ davon ab.

      „Von da an dröhnte in den christlichen Gemeinden das bereits zur Plage gewordene, unheimlich nebulöse Raunen der Gemeindemitglieder, die den einfachen und bequemen Beweis, den Heiligen

      Geist empfangen zu haben, einander demonstrativ und lautstark erbringen wollten und jenen Hellsehern die glorreiche Gelegenheit gaben, der ketzerischen dämonischen Benennung „Wahrsager“ zu entkommen und ihre hellseherischen Fähigkeiten in den Dienst der Kirche als Auslegung des sinnfreien Kauderwelschs, zu stellen. Denn diese Interpretation konnte ja niemand überprüfen, nicht einmal der, der sie aussprach. Ein weiterer Schachzug des Verschwörers, um die potentielle Bedrohung eines Hellsehers zu entkräften, denn wenn sie im Dienste der Religion fungierten, konnten sie nicht gleichzeitig gegen die Kirche sein.“

      Carlucci folgte gespannt den Ausführungen seines Freundes. Gilberto erklärte weiter:

      „In diesem Zusammenhang lässt es sich der Verschwörer nicht entgehen, seinen Anhängern zu Verstehen zu geben, dass die Hellseher, die nicht im Dienste seiner Kirche tätig sind, nicht weniger als vom Teufel besessen sind. Dazu ersann er ein Szenario, das wir aus der Apostelgeschichte kennen: Aus dieser Dichtung erzielt der Verschwörer einen doppelten Vorteil. Einmal, die Hellseher, die nicht im Dienste der Gemeinde wirken, als vom Teufel besessen zu diffamieren und zweitens ein weiteres Mal zu demonstrieren, wenn auch aus dem Mund einer Wahrsagerin, dass er und sein Gefolge Boten Gottes wären.

      Es geschah aber, als wir zum Gebet {O. Betort}

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