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Trojanische Hühner. Ado Graessmann
Читать онлайн.Название Trojanische Hühner
Год выпуска 0
isbn 9783749798018
Автор произведения Ado Graessmann
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
Im gleichen Haus wohnten nur Junggesellen, die schon früh morgens zur Arbeit gingen und erst wieder am späten Nachmittag zurück kamen. Das Haus hatte vier Stockwerke und eine Dachterrasse, die nicht einsehbar war, dort konnte sich Sait für einige Stunden aufhalten, ohne gesehen zu werden. Geschlafen hatte Sait bisher in der Küche auf dem Boden, auf einer Luftmatratze von ihr.
Eines Tages meinte Özlem, in ihrem Bett sei auch genug Platz für zwei, erst wusste er nicht was er sagen sollte, schließlich war es unter Strafe verboten, dass Mann und Frau zusammen liegen, wenn sie noch nicht verheiratet waren. Es vergingen einige Tage, dann schlief Sait nicht mehr in der Küche auf dem Boden, für beide begann ein neues Leben, die Welt veränderte sich grundlegend für sie.
Einmal, nachdem sie sich geliebt hatten, fragte Özlem ihn unvermittelt, Sait bist du eigentlich religiös?
Nein, ich glaube nicht an Gott, Religionen sind dafür da, um Menschen zu verdummen und um sie abhängig zu machen. Nicht Gott hat die Menschen erschaffen, sondern die Menschen erschufen für sich Gott. Einst war die Natur mit ihren Gewalten für die Menschen nicht erfassbar, nur ein höheres Wesen konnte dies alles regeln und steuern, Blitze und Donner, die konnten nur von Göttern gesendet werden. Um diese höheren Wesen freundlich zu stimmen, brachten sie Opfer dar, auch Menschen. Dann führten sie die Priester ein, die hatten ja angeblich die Gabe den Göttern näher zu stehen und zu vermitteln, zwischen den Menschen und den Göttern, sie konnten belohnen oder auch bestrafen, dann hatten sie die Hölle eingeführt, mit ihr lässt sich erfolgreich drohen, die Menschen fürchten sie mehr als sie den Himmel lieben. Das Vermitteln war aber nicht selbstlos, daran hat sich nicht viel verändert, heute ist es auch immer noch so.
Sait meinte nur, ich weiß, Religionen sind wichtig, das hält zusammen, da fragt man nicht danach ob es richtig oder falsch ist, ob es sinnvoll oder ob es Unsinn ist, da muss man einfach alles glauben was einem vorgesetzt wird, auch wenn es gegen jede Logik spricht, wer Zweifel hat und den Zweifel von sich gibt, der steht dem Feuer oder dem Schwert sehr nahe.
Der Mensch wurde auch nicht am sechsten Tage erschaffen, von Gott, angeblich hatte er ihn aus Lehm geformt, nach seinem Ebenbild, dann hatte er ihm das Leben eingehaucht, so steht es jedenfalls geschrieben. Als er danach sah, dass er alles gut gemacht hatte, ruhte er sich am siebten Tag aus.
Was für ein Fehler, was er da erschaffen hatte, entwickelte sich zu einem Monster, das meist rücksichtslos handelt und nur auf seinem Vorteil bedacht ist, Menschen, die etwas anders aussehen oder anders denken, vernichtet er, immer im Namen Gottes, die Waffen hierfür werden von den Priestern noch vor der Schlacht gesegnet.
Wesentliche Unterschiede werden als unwesentlich abgetan und Unwesentliches wird zum Wesentlichen erklärt.
Auch Moses hat es sicherlich nie gegeben, nicht durch die Steintafeln wurden die zehn Gebote in die Welt gebracht, dort am Berg.
Nein, einst war ein kluger Herrscher, der König von Babylon, er trug den Titel König von Sumer und Akkad, sein Name war Hammurabi der Erste. Er hatte einen Codex erstellen erlassen, mehr als tausend Gesetze, in Steinstelen gehauen, für jeden nachlesbar, viel mehr als nur die zehn Gebote.
Dort standen nicht nur die Gesetze, sondern auch welche Strafen bei Zuwiderhandlung drohten, gleiches galt nicht für alle, nur um dir ein Beispiel aus unserem Bereich der Medizin zu nennen, war einem Arzt ein Fehler unterlaufen, dann wurde er dafür bestraft, war der Patient vom einfachen Volke, dann konnte dies mit Schekel beglichen werden, eine Maßeinheit für Gold und Silber, den Schekel gibt es heute noch, war der Patient vom hohen Stand, dann wurde dem Arzt die Hand abgeschlagen.
Wenn es den Urvater aller großen Religionen wirklich je gab, dann kannte er auch den Codex und damit auch die zehn Gebote, die hatte er dann in die Welt gebracht.
Früher hatten es sich die Herrscher sehr einfach gemacht, sie ernannten sich selbst zum Gott und wer wagt schon an der Weisheit eines Gottes zu zweifeln, auch wenn es keiner verstand. Etwas später ließ sich das Ganze nicht mehr so überzeugend verkaufen, daher fanden die Herrscher wieder eine neue Lösung, sie nannten sich einfach Herrscher aus Gottes Gnaden, und wer kann schon gegen die Gnade Gottes verstoßen oder Zweifel erheben, heute macht man es sich noch viel einfacher, man sagt oder man schwört, so wahr wie mir Gott helfe, du siehst überall bringen sie auch heute noch Gott ins Spiel.
Es waren schon mehr als sechs Wochen vergangen, dass Sait keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hatte. Da er nach dieser Zeit wieder ohne Unterstützung laufen konnte, dachte er, es sei nun an der Zeit, um sie aufzusuchen.
Es war schon dunkel, die Straßenlaternen waren noch nicht an, als er vor Özlems Wohnung die Haustür langsam öffnete und sich sicherheitshalber erst nach allen Seiten umso, bevor er den Gehsteig betrat. Es hätte ihn sowieso niemand erkannt, nicht einmal seine Freunde. Er hatte sich verkleidet, dies konnte er gut, gelernt hatte er dies schon in der Theatergruppe in der Schule, sein Spitzname war daher damals das Chamäleon.
Er ging an den Häusern entlang, bis zur übernächsten Seitenstraße, dort hatten seine beiden Kommilitonen das Motorrad mit einer Kette an einen Laternenpfahl befestigt. Gestohlen hätte das alte Ding bestimmt kein Mensch, da gab es bessere Objekte. Er wischte den Staub vom Sattel und die Maschine sprang beim ersten Startversuch an.
Seine Eltern hatten ein großes Haus in einer Gegend in der nur sehr reiche Leute wohnten, es war ein sehr sicherer Ort, eingebrochen wurde dort so gut wie nie. Die letzten zweihundert Meter fuhr er ohne Licht und stellte sein Motorrad an einem Baum vor dem elterlichen Haus ab.
Er musste, sein Vater würde um diese Zeit zu Hause sein, er hatte die Angewohnheit, wenn er aus der Klinik kam, erst einige Runden im Schwimmbecken hinter der Terrasse zu schwimmen bevor er seinen Tee trank. Nach dem Abendessen zog er sich meist in sein Arbeitszimmer zurück und bereitete sich auf die anstehenden Operationen für den nächsten Tag vor. Sein Bücherregal war gefüllt mit Anatomie Büchern und Operationsanweisungen, einige davon hatte er selbst verfasst. Sait hatte keinen Hausschlüssel dabei und klingeln wollte er auch nicht. Er wusste, die Terrassentür war fast immer unverschlossen, so auch an diesen Abend. Er ging durch den Garten und betrat das menschenleere Wohnzimmer, er hörte aber Stimmen aus Vaters Arbeitszimmer. Er klopfe kurz an und öffnete die Tür bevor jemand antworten konnten. Sein Vater saß am Schreibtisch und seine Mutter stand neben ihm. Als er das Zimmer betrat schauten beide ihn mit offenen Mündern an, und für einige Sekunden sagte keiner ein Wort.
Dann begann sein Vater in laut schreiend zu beschimpfen, das erste was er sagte war, du bist an allen schuld, du hast mich ins Unglück gestürzt.
An dem Tag als du verhaftet wurdest, haben sie mich fristlos entlassen und mir verboten, jemals wieder die Universitätsklinik zu betreten, das Gehalt haben sie mir auch gestrichen, nur du allein bist schuld an dieser Schmach, wie konnten sie mir dies nach alle den Jahren antun, das kann und werde ich dir niemals verzeihen.
Seine Mutter stand ebenso wie er unbeweglich da, mit offenem Mund, sie sagte aber kein Wort. Nach einer Minute des Schweigens, drehte Sait sich um und verließ das Haus schweigend, diesmal ging er aber durch die Eingangstür, dies war das letzte Mal, dass er seine Eltern sah. Er fuhr zurück und berichte Özlem haargenau genau was geschehen war. Er erzählte ihr auch von seiner ersten Operation und wie stolz er auf seinen Vater war, dass er ihn dies erlaubte.
Dies war die Operation wo ich zögerte den ersten Schnitt zu machen, ich musste zum ersten Mal in meinen Leben einen Menschen verletzen.
Özlem antworte nur mit ruhiger Stimme, ich weiß es, ich war dabei gewesen, ich habe dir das Skalpell gereicht, du hast mir aber nicht in das Gesicht gesehen.
Ich hätte da eine neue Familie für dich, die Bruderschaft, es seien zwar alle sehr gläubige Menschen, wollen aber genauso wie du, nämlich Rache nehmen an dem Herrscher und seinen Lakaien die dir das alles angetan haben. Sie wollen eine neue Ordnung schaffen.
Ein Ajatollah sei in Frankreich im Exil und dort laufen alle Fäden zusammen. Sait war immer noch ein Geächteter und sein