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Trojanische Hühner. Ado Graessmann
Читать онлайн.Название Trojanische Hühner
Год выпуска 0
isbn 9783749798018
Автор произведения Ado Graessmann
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
Er, der ihn erschaffen hatte, er ruht nun für ewig in einem Sarkophag aus braunen Granit, auf einem großen Sockel, an der Wand, am hinteren Ende der Kirche Santa Croce, dort ist er nicht allein, nur einige Schritte von ihm entfernt ruht auch noch der Dichter Dante und ihm gegenüber steht der Sarkophag mit den Überresten von Galileo Galilei, fast wäre er als Ketzer auf dem Scheiterhaufen gelandet, beim Vorzeigen der Folterwerkzeuge hatte er wieder rufen, doch dann sagte er nur leise, mehr zu sich selbst, und sie dreht sich doch. Ich stand lange tief bewegt vor ihnen, noch Stunden nachdem ich die Kathedrale verlassen hatte, fühlte ich mich wie aufgewühlt.
Zuvor waren Steine nur einfach Steine für mich, dies hatte sich verändert, als ich vor den Giganten stand, ich sah, wie dem toten Stein Leben und Würde eingehaucht wurde, und so begann meine Faszination für den Marmor.
Eine der Fragen die ich hatte war, wie ist der Marmor denn eigentlich entstanden?
Unser Lehrer erklärte uns, einst waren es die Schalen von Muscheln und anderen Tieren, die vor mehr als dreihundert Millionen Jahren in den Weltmeeren lebten. Sie hatten sich zum Schutz ein Gehäuse gebaut, aus einer einfachen chemischen Substanz, unser Chemielehrer hatte uns gesagt, es sei Calciumcarbonat, wir hätten es auch in unseren Knochen, das würde für die Stabilität unserer Knochen sorgen.
Als die Tiere starben fielen sie auf den Meeresboden, unzählbar viele, die Schalen der Tiere wurden zusammengepresst und durch den hohen Wasserdruck und einigen chemischen Reaktionen entstand der Marmor, weißer Marmor entstand aus weißen Schalen und farbiger wenn die Tiere farbige Schalen produziert hatten, und es gäbe über hundert verschiedene Arten davon.
Eine weitere Frage die ich stellte war, wenn Marmor immer auf dem Boden der Ozeane entstanden ist, wie kommt es dann, dass wir Marmorberge haben.
Der Lehrer meinte, weißt du, zu dieser Zeit gab es nur einen Kontinent, der zerbrach und neue Kontinente entstanden daraus und Teile des Meeresbodens wurden nach oben gedrückt, so entstanden die Marmorberge auf den neuen Kontinenten.
Als ich zurück kam, erzählte ich meinen Vater von meiner Begeisterung, einige Wochen später hielt ein Lastwagen vor unserem Haus, beladen mit vielen Marmorsteinen.
Ich hatte viel geübt, wurde aber nie ein guter Bildhauer, ich hatte aber gelernt wie beschädigte Skulpturen am besten wieder repariert werden können. Maler können Fehler leicht verbessern und neu gestalten, ist eine Nase zu groß oder zu klein, ein Finger nicht in der richtigen Position, so werden sie einfach neu gemalt und neu gestaltet, auch Modelle aus Lehm für Bronze Skulpturen können jederzeit und beliebig oft verändert werden bevor der Bronzeguss entsteht, daher nenne ich die Künstler auch die Kneter, aber mit den Steinen ist es ganz anders, was einmal weggeschlagen ist, bleibt für immer verschwunden und kann nicht mehr ersetzt werden. Man muss immer genau wissen was man macht, wenn man wieder neues Leben in einen Stein einhauchen will.
Nach der High-School ging ich zunächst an die Universität of California in Berkeley, ich hatte schon im Biologie Unterricht viel von den Viren gehört und mich dafür interessiert. Dort waren einige der bekanntesten Virologen, in der Stanly Hall, als Forscher tätig. Das Institut liegt gleich hinter dem Kampanile, mit Blick auf San Francisco und die Golden Gate Bridge, nach einem Jahr wechselte ich zur Harvard University nach Boston mit dem Schwerpunkt Biotechnologie und deren Nutzanwendung, als Nebenfach belegte ich Orientalistik und erlernte orientalische Sprachen. Sowohl in Berkeley als auch in Boston hatte ich Kunstgeschichte und praktische Kurse belegt, ich wurde zwar kein berühmter Bildhauer, hatte mir aber einen Namen als Restaurator und anerkannter Kunstkenner gemacht.
Ich sah sie zum ersten Mal in einer Kneipe, dort am Kanal, ganz in der Nähe wo ich wohnte. Es war nach einem langen Tag in der Uni, Vorlesungen, Übungen und Seminare, sie begannen um 7: 30, die allgemeine Relativitätstheorie, der dreidimensionale Raum, die Zeit hinzugefügt ergibt die vierte Dimension. Wir kennen alle Zeit, Sekunden addieren sich an Sekunden, man kann es an der eigenen Uhr erkennen, unaufhörlich, eine nach der anderen. Und doch, so konstant wie es scheint, ist die Zeit nun auch wieder nicht. Ja auch sie ist abhängig, die Uhren ticken nicht immer gleichmäßig, mal gehen sie langsamer, mal gehen sie schneller, es kommt darauf an wo man sich befindet. Dort wo große Massen sind, vergeht die Zeit langsamer, bewegt man sich ins All, von der Erde weg, dann laufen unsere Uhren schneller, bei den modernen Navigationsgeräten wird dieses Phänomen berücksichtigt, wäre dies nicht der Fall, kämen wir nicht genau am gewünschten Ziel an. Würden die Uhren im All ein schwarzes Loch erreichen, dann würde es die Zeit nicht mehr geben.
Die Zeit existiert auch nicht seit Ewigkeiten, es gab einen Zustand ohne Zeit, bevor das Universum entstand, als nur Energie existierte, es gab noch keine Materie und diesen zeitlosen Zustand wird es wieder geben. Zuvor war das Nichts und Nichts wird wieder sein.
Nur sehr schwer vorstellbar, aber wir kennen es alle, wir müssen nur an uns selbst denken. Bevor ich war, war ich Teil des Nichts, wenn ich nicht mehr bin, bin ich wieder Teil des Nichts, was zählen da noch meine Knochen, auch die werden irgendwann vergehen.
Die nächsten Vorlesungen waren auch nicht einfacher, mir konnte nie jemand überzeugend erklären warum Elektron negative geladen sind, man kann es aber spüren, man muss nur den Finger in eine Steckdose stecken. Sie bewegen sich auf festgelegten Bahnen um den Kern, man weiß nur nie wo sie genau sind, sie können sowohl Materie als auch reine Energie sein und sie haben noch eine Besonderheit, scheinbar können sie zur gleichen Zeit auch an unterschiedlichen Orten sein.
Ich betrat nach Sonnenuntergang die Kneipe, von der Metro Station aus sind es nur einige hundert Meter bis dorthin, meistens, wenn ich von der Uni kam, gönnte ich mir noch einen Trink, ein Bier vom Fass. Schon als ich mit der Rolltreppe nach oben kam, bemerkte ich den Regen, er hatte plötzlich eingesetzt, ohne Schirm, mit hochgezogener Kapuze, etwas durchnässt, betrat ich meine Stammkneipe.
Ich sah sie sofort, sie saß alleine an einem Tisch, gleich neben dem Eingang, hatte einen Softdrink vor sich zu stehen und las einen Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, vom Format und vom Umfang der Zeitschrift her, konnte es die Wochenzeitschrift Nature sein, sie hatte die erste Seite umgeschlagen, so konnte ich die Titelseite nicht erkennen. In Nature werden meist nur kurze aber sehr anspruchsvolle Artikel veröffentlicht, maximal vier Seiten. Dies sprach dafür, dass die junge Dame eine Studentin im höheren Semester war, oder ebenfalls eine Wissenschaftlerin.
Wir hatten uns gesehen und doch nicht gesehen. Ich zog meine nasse Jacke aus und setzte mich an einen anderen Tisch, mit dem Rücken zur Wand, damit ich sie von der Seite sehen konnte. Der Barkeeper brachte mir ohne Aufforderung ein Bier, so wie immer. Sie hatte schwarzes Haar, eine spitzte Nase, erotische Lippen und unter ihrem Pullover konnte ich ihre wohlgeformten Brüste erkennen. Ihre Beine hatte sie unter dem Tisch ausgestreckt, ihre Körpergröße konnte ich nur schätzen, so auf etwa 170 cm. Nachdem sie den Artikel gelesen hatte, trank sie den Softdrink aus, legte drei Dollarscheine auf den Tisch und verließ das Lokal ohne sich umzudrehen.
Am nächsten Tag, fasst zur gleichen Zeit, kam ich wieder zum abendlichen Trink, kurz nach neunzehn Uhr, es war fast wie ein Déjà-vu, sie saß wieder am gleichen Tisch, wieder mit einer Zeitschrift vor ihrer Nase. Als ich eintrat sah sie nur kurz auf, wir beide nickten nur etwas mit dem Kopf, eine Art von kurzer Begrüßung, sonst weiter nichts. So ging es fast die ganze Woche, bis ich es endlich wagte sie zu fragen, ob ich an ihrem Tisch Platz nehmen könnte, sie schien sich einige Sekunden zu überlegen was sie sagen sollte, dann nur ein kurzes Kopfnicken, das ich eindeutig als eine positive Zustimmung ansah.
Ich setzte mich auf den Stuhl genau ihr gegenüber, so bestand ein gewisser Abstand, aber auch wiederum eine gewisse Nähe, ohne aber aufdringlich zu erscheinen.
Sie blickte mir zum ersten Mal direkt ins Gesicht, sie sah, dass ich fast schwarze Augen habe, so schien es wenigstens bei der schwachen Beleuchtung, eine etwas zu kräftige Nase, ausgeprägte Backenknochen und eine dunkle Hautfarbe.