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(hatte ihr Mann immer behauptet), Maniküre, Pediküre und Frisörin, die ins Haus kamen, einen Porsche in der Garage und natürlich ihre ehrenamtliche Tätigkeit bei den Lions-Damen.

      Niemand dort oder irgendwo hätte gedacht, dass sie fast gleichaltrig mit ihrem Mann war.

      Anfang 60!

      Ihr volles grauweißes Haar, das sie selbstbewusst ungefärbt trug, fiel großgelockt bis tief in den Nacken. „Meine Löwinnenmähne“, sagte sie geschlechtlich korrekt und inhaltlich fraglich, weil Löwinnen nur selten eine Mähne haben. Die Augenbrauen zupfte sie sich selbst zu geschwungenen Bögen über amtlich geschminkte Lidschatten, die schon am frühen Vormittag leicht lebenssatt in die braunen Augen hingen. Ihre sehr rosa gepuderte Gesichtshaut war noch erstaunlich straff, rein und feinporig, jedenfalls, wenn man sie nicht in gleißendem Licht sah („Gute Kosmetik macht sich einfach bezahlt.“). Ihre schmale gerade Nase endete über einem schmallippigen Mund, der mit etwas zu kräftigem Lippenstift auf sinnliche Größe geschminkt wurde. Das Kinn zeigte erste Anzeichen von Schlaffität, aber der Hals war noch ebenso makellos wie das Dekolleté, das an seinem unteren Ende allerdings andeutete, das die dazugehörigen Glocken schon etliche Jahre nicht mehr geläutet worden waren und nur dank eines kräftigen Tragegeschirrs noch den Anschein von prallem Leben erweckten.

      Ärmellose Kleider trug sie nicht mehr und sie wusste, warum. Ihrer Gestalt sah man an, dass sie gut gelebt hatte, ohne dass man sie hätte füllig nennen dürfen. Ihre Beine waren schön, einfach schön, besonders, wenn die Füße in halbhohen Pumps steckten. Zuhause steckten sie meist in Strumpfsocken, wenn Mark nicht da war. Und Mark war nicht da, sondern seit drei Tagen in der Pathologie.

      Sie ging zum Briefkasten und nahm einen Stapel Post heraus, der überwiegend aus Beileidsbekundungen bestand, die wahrscheinlich überwiegend von den Sekretärinnen der Geschäftspartner stammten. Ein Umschlag war allerdings ohne Adresse und Absender:

       Sehr geehrte Frau Palmann,

       herzliches Beileid zum plötzlichen Tod Ihres Mannes.

       Leider kann ich Ihnen die Tatsache nicht ersparen, dass Ihr Mann 1,5 Mio. Spielschulden bei mir hat, die ich unbedingt zurück benötige. Ich kann Ihnen dazu einen handschriftlichen Schuldschein Ihres Mannes vorlegen. Wenn Sie bereit sind, sich in der Sache mit mir zu einigen, schalten Sie bitte folgende Kleinanzeige im Tribüller Wochenblatt: „Spieleabend! Wer hat Lust, eine Spielegruppe zu gründen? Bitte melden unter Chiffre 23.“

       Hauptstraße 121

      „Hä?!“ Stocher starrte erst auf den Briefbogen und dann auf Hasenschönchen, wie er seine Semiunterassistenzkommissarin im Praktikum gern nannte. „Fingerabdrücke?“

      „Keine – nur die von Frau Palmann.“

      „Und der lag einfach so im Briefkasten?“

      „Einfach so.“

      „Ich glaub, das ist ein ganz billiger Trick, einer reichen Frau im Schockzustand Taler aus dem Kreuz zu leiern. Einfach vergessen. Wenn der koscher wäre, hätte er sich ganz normal mit ihr verabredet und ihr den angeblichen Schuldschein gezeigt, der Spinner.“

      ,Und weil der Mensch ein Mensch ist‘, sein Smartphone musizierte mal wieder. „Mordkommission Tribüll, Stocher?“

      „Pathologie, Mordhorst! Moin, Jan. Dein Palmann sieht soweit okay aus, keine Spuren äußerer Gewaltanwendung, keine Vergiftung, kein gar nix, einfach ein Infarkt.“

      „Prima, dann ist die Sache für uns erledigt! Danke, Frank.“

       Kiesweg 23b

      Ratlos blickte Lukas, der sechsjährige Enkel der Palmanns, auf sein Spielzeug. Er hatte Opa nur einen Streich spielen wollen, als er sich in den Keller geschlichen hatte. Hatte „Opa Erbse“ am Erbsenregal mit einer Erbsenpistole erschrecken wollen. Hatte auch geklappt – nur dass Opa dann umgefallen war, das hatte Lukas sehr überrascht. Da war er schnell wieder zu sich ins Nebenhaus geschlichen.

       Alles in Lack

      „Jepp, alles in Lack“, antwortet Jens Schaade in der Regel, wenn man ihn fragt, wie es ihm denn so gehe. Und diese Antwort ist durchaus wörtlich zu nehmen.

      Jens ist Lackierer bei Mach 3, einem Fachunternehmen für Auto-Tuning. Er kommt früh, arbeitet fleißig und geht pünktlich nach Haus. Ohne viele Worte zu machen. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum er es nicht zum Gruppenleiter gebracht hatte, selbst wenn er gewollt hätte.

      Wollte er aber gar nicht.

      Alles, was Jens Schaade von der Arbeit will, ist das nötige Geld, um sein Reihenhäuschen, seine Frau, die gemeinsame Tochter und sich finanziell über die Runden zu bringen – Ende Gelände.

      Wenn er nach Hause kommt, macht er kurz „Eida, eida“ mit der kleinen Tochter und verschwindet dann im Keller oder im Garten, um Hand zu werkeln oder im Garten zu buddeln. Dabei würde er das Handwerken nie als sein Hobby bezeichnen. Er sieht die Arbeit im Hause ähnlich wie die in der Firma: Watt mutt, datt mutt. Und wer hat schon gern Unkraut in den Beeten oder Moos zwischen den Gehwegplatten? Wer hätte nicht gern mal ein neues Badezimmer oder einen getäfelten Partyraum im Keller?

      Heute ist er ausnahmsweise einmal krank. Mit 39 Grad Fieber bleibt sogar Jens Schaade zu Hause. Er liegt auf dem Sofa vor dem Fernseher und guckt gelangweilt auf das Nachmittagsprogramm.

      Pling!

      Das Handy seiner Frau liegt vor ihm auf dem Tisch und er guckt auf die Vorschau der Nachricht: „Ich denk an dich, mein Schatz.“

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