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Da wir die aber zu Genüge kannten und möglichst schnell zum Objekt unserer Begierde wollten, sprach ich mit der energischen Autorität eines ehemaligen Lehrers einen jungen Aufsichtler an und fragte nach dem schnellsten Weg zur Himmelsscheibe. Der zeigte uns den und so waren wir vor allen anderen Besuchern wohl eine Viertelstunde allein mit ihr und den Goldhüten. Das hatte schon etwas Unfassbares und kaum Beschreibbares. – Das Weltall, 3600 Jahre und wir zwei kleine Alten.

      2014 hatte man veröffentlicht, dass man das Gold auf der Scheibe mittels des Teilchenbeschleunigers BESSY im Berliner Bundesamt für Materialforschung und -prüfung untersucht habe. Und die chemische Zusammensetzung sei identisch mit Goldfunden aus dem Fluss Carnon in Cornwall, Nähe Falmouth! Da schlug das die Literatur lesende und die Scheibe betrachtende Herz noch höher. Und von dort kam auch das in der Bronze verarbeitete Zinn. Da wurde die Scheibe teilweise zur Nebra sky disk, wie sie in England genannt wurde. Ein weiterer Beweis also für Fernbeziehungen zwischen Cornwall und Mitteldeutschland in der frühen Bronzezeit. – Cornwall in Sachsen-Anhalt, jetzt in Berlin!

      Nun ist also in der Fachwelt der Carnon River mit Zinn und vor allem Gold durch die Scheibe ins Licht der Weltöffentlichkeit getreten. Leider war dies Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts schon einmal der Fall, als im Bereich einer ehemaligen Zinnmine (!) ein rötlicher Zufluss von kontaminierten Wasser festgestellt wurde. So wird noch heute (2019) der Carnon bei Wikipedia als „a heavily polluted river in cornwall“ geführt.

      Fish, tin, copper tragen Cornwalls Namen in die Welt; so und so.

      Aber Nebras Himmelscheibe ist schon auch ein cornisches Goldstück!

      Ar

       Cornish Hedges: Hecken, die Mauern sind

      Ob zu Fuß, mit dem Auto, dem Bus oder der Eisenbahn unterwegs, man nimmt sie bewusst kaum, aber unbewusst sehr wohl wahr, denn sie sind überall da. Beim Wandern muss man sie manchmal an dafür hergerichteten Stellen übersteigen oder man schreitet an ihnen entlang.

      Als Autofahrer läuft man auf schmalen Straßen Gefahr, besonders wenn ein Fahrzeug entgegenkommt und man nach links ausweichen muss, an ihnen entlang zu schrappen. Die Sicht bei einer Fahrt mit Bus oder Eisenbahn zeigt eine Landschaft, die in begrenzte Flächen gegliedert ist. Das nur bei geschärftem Blick, denn die Cornish Hedges fügen sich so in die Landschaft ein, dass man sie kaum als das bemerkt, was sie sind oder waren.

      Hecke aus Steinen, Schutz, Abgrenzung

      Sie heißen Hedges, Hecken. Es handelt sich aber nicht um Reihen von dicht an dicht gepflanzten Büschen, was man gemeinhin, auch in Großbritannien, unter einer Hecke versteht. Cornish Hedges werden nicht gepflanzt, sondern gebaut und dann bepflanzt oder sich selbst überlassen, sodass sich ein natürlicher Bewuchs einstellt. Vergleichbar sind sie mit Trockenmauern; denn sie sind aus Natursteinen errichtet, trocken, also ohne Mörtel. Cornish Hedges bestehen aus Granitbruchsteinen oder auch Schiefergestein, manchmal auch aus harten Torfblöcken, jeweils aus dem Material, das vorhanden ist, nicht von weit her transportiert werden muss. Im Gegensatz zur uns geläufigen Trockenmauer werden aber zwei gegeneinander geneigte Mauern mit festgestampftem Erdreich dazwischen errichtet. Oben kann sie dann bepflanzt werden: mit klassischem Heckenbuschwerk wie Ginster oder sogar mit Bäumen, oder man überlässt es der Natur für Bewuchs zu sorgen. Je älter die Cornish Hedges sind, umso weniger fallen sie als von Menschenhand gemacht auf.

      Das Errichten und auch das Ausbessern von Cornish Hedges ist eine uralte Handwerkskunst, hedging, die erlernt werden muss. Wenn man es kann, ist man ein hedger. Seine Hauptwerkzeuge sind Schaufel und Fäustel, nicht Laptop und Telefon, die Hedger an der Börse benutzen.

      Über 30.000 Meilen Hedges soll es in Cornwall geben, aus allen Epochen der Besiedlungsgeschichte Cornwalls, von der Steinzeit bis heute. Viele dieser Jahrtausende alten steinernen Begrenzungen erfüllen bis heute ihren ursprünglichen Zweck, auch wenn bereits kultiviertes Land wieder aufgegeben wurde oder neu kultiviert wurde, je nach verändertem Klima, Schwankungen in der Bevölkerungsdichte oder Fortschritten in der Landwirtschaftstechnik.

      Die jungsteinzeitlichen Parzellen, die es noch gibt, waren sehr klein, denn der Ackerbau per Hand war sehr mühsam; der Bauer musste achtgeben, nicht vom nachwachsenden Unkraut überholt zu werden. Im Mittelalter legte man größere Felder an, beseitigte störende Mauern. Kenner erkennen solche Eingriffe an merkwürdigen Verläufen der Hedges, herausragenden Ecken oder Haken, die die ehemaligen Maueranschlüsse markieren.

      Seuchen wie die Pest dezimierten die Bevölkerung, bereits kultiviertes Land und seine Befestigungen wurden wieder der Natur überlassen. Diese Hedges verschwinden fast in der Landschaft, sind aber mit geschultem Blick gut zu erkennen, immerhin erheben sie sich ja über der ursprünglichen Oberfläche.

      Die uralte Kulturtechnik lebt weiter. Auch Neuerbautes, Häuser und Straßen, werden mit Cornish Hedges begrenzt; so ergibt sich ein geschlossenes Bild, in dem Landschaft, Verkehrswege und Ortschaften miteinander verknüpft sind, keine Wildnis, sondern Ergebnis planerischen menschlichen Wirkens im Einklang mit der Natur im Lauf der Geschichte.

      Ro

       Cornish Pasty: Vom Arme-Leute-Essen zum Kult

      Als Fan der Cornish Pasty und meiner Kochkünste schenkte mir mein Sohn, der mir öfter Küchengeräte zum Geschenk macht, eine Cornish-Pasty-Form mit beiliegendem Rezept. Der Gedanke dahinter war, diese leckere Speise nunmehr öfter genießen zu können. Es sei gleich gesagt: So richtig sind mir die Pasties nicht gelungen.

      Eigentlich wusste ich, wie sie aussehen und was drin sein sollte: Die Pasty, fleischlos ein Arme-Leute-Essen, war ursprünglich die Verpflegung der Bergarbeiter in den Zinn- und Kupferminen. Sie sieht ähnlich aus wie die italienische Calzone aus Pizzateig. Aber Teig und Füllung sind anders. Traditionell besteht eine Cornish Pasty aus Mürbeteig. Die rohe Füllung aus gewürfeltem oder gehacktem Rindfleisch, Kartoffel- und Zwiebelscheiben sowie in Stücke geschnittenen Rübchen, kräftig gewürzt mit Salz und Pfeffer, wird auf eine rund ausgerollte Teigplatte gehäuft. Sie wird dann zu einem großen D zusammengeklappt und mit Fingerspitzengefühl verschlossen. Die Verschließtechnik wird Crimpen genannt.

      Cornwalls Teigtaschen

      Die Kunst zu crimpen, die Pasty durch Fälteln des Randes dicht zu verschließen, ist schwierig. Es wird erzählt, dass Kinder mit Knetgummi üben mussten, bevor man sie an den Teig ließ. Die fertig geformten Teigtaschen werden noch mit Eiermilch glasiert und dann eine knappe Stunde bei mittlerer Hitze gebacken.

      Cornish Pasty ist kulinarisches Erbe von Cornwall, eine geschützte geografische Angabe, die ins EU-Qualitätsregister eingetragen ist wie bei uns die Nürnberger Rostbratwürstchen. Kommerziell vertriebene Cornish Pasties müssen in Cornwall hergestellt sein. Was wird sein, wenn Großbritannien die EU verlässt?

      In Cornwall kann man sie überall kaufen, es gibt spezialisierte Pasty-Ketten wie West Cornwall Pasty Co., Pasty Presto oder Oggy Oggy. Oggy ist das Wort in cornischem Slang für die Pasty, Es heißt, dass früher die Bergarbeiterfrauen die heißen Pastys zum Schacht brachten und sich mit dem lauten Ruf „Oggy oggy oggy!“ bemerkbar machten. Von unten kam die Antwort der hungrigen Männer: „Oi oi oi!“ In neuerer Zeit übernahmen u.a. die Fans von Rugby Teams diesen Schlachtruf. Als Margaret Thatcher 1979 Britischer Premierminister wurde, dichteten ihre Gegner ihn um: „Maggie Maggie Maggie! Out out out!“

      Auch in den Bahnhöfen von London und anderen britischen Großstädten werden Cornish Pastys verkauft. Offenbar liebt der Brite das kulinarische Erbe. Aber die Pasty ist auch praktisch zu essen.

      Man bematscht sich nicht die Finger, wenn man sie einigermaßen geschickt direkt aus der Tüte isst, an einer Ecke beginnend, auf einer Bank oder einer Mauer neben Menschen sitzend, die ebenfalls Pasty aus dem Papier essen, an der Küste bedrängt von Möwen, die auf herabfallende Brocken

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