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A. S. Tory und die verlorene Geschichte. S. Sagenroth
Читать онлайн.Название A. S. Tory und die verlorene Geschichte
Год выпуска 0
isbn 9783749744053
Автор произведения S. Sagenroth
Жанр Контркультура
Серия A. S. Tory
Издательство Readbox publishing GmbH
Chiara und ich schüttelten den Kopf. Wir waren zu gespannt und neugierig darauf, was er sonst noch zu sagen hatte, und wollten seine Erzählung nicht unterbrechen. Und natürlich wollten wir hören, was diese Familie Torani mit A. S. Tory gemeinsam hatte.
»Auch, wenn ich ihm nie begegnet bin, weiß ich doch ein bisschen von Aarons Vater, Abraham Torani. Er wurde hier 1897 geboren und hat mit seinem Vater Emanuel die Buchhandlung geführt. Emanuel war ein sehr gläubiger Jude, der viel auf die Tradition gegeben hat. Der junge Abraham war da anders, sehr interessiert an der neuen Literatur und modernen Sprachen und beeinflusst von den liberalen Strömungen und Bestrebungen der Jahrhundertwende. So hat man es mir später erzählt. Anfang der Zwanzigerjahre hatte er auf einer Reise nach Wien eine Österreicherin kennengelernt. Zum Entsetzen seiner Eltern keine Jüdin, sondern eine Christin. Bei dem jungen Mann hat dennoch die Liebe gesiegt und er ist zusammen mit Elisabeth, so hieß die junge Frau, nach Wien gezogen und kurze Zeit später nach Berlin. Über diese Lebensabschnitte kann ich Ihnen leider nicht viel erzählen. Sicher ist, dass Abraham und Elisabeth zwei Kinder bekommen haben, einen Jungen und ein Mädchen. Tja, den Jungen kennen Sie.«
Wir hatten Bassani bis hierhin gebannt zugehört. Chiara hatte sich zuletzt fest auf die Lippen gebissen, bei ihr ein deutliches Anzeichen für Spannung. Nun schien es aus ihr herauszuplatzen. »A. S. Tory!«
Samuel Bassani schaute sie überrascht an, räusperte sich dann.
»Nun, Sie kennen ihn anscheinend unter diesem Namen. Als er mich diese Tage kontaktierte, um Ihren Besuch anzukündigen, hat er das bereits erwähnt. A. S. Tory … Interessant. Der Klang ist ähnlich und die Initialen sind identisch. Wie er mir gegenüber angedeutet hat, heißt er mittlerweile ganz anders. Aber sein damaliger Name war Aaron. Aaron Simon Torani.«
»Non ci credo!«
Auch ich war irgendwie perplex, obwohl ich es während der Erzählung Bassanis bereits geahnt hatte. Es zu hören, war dennoch etwas ganz anderes. »Und er heißt jetzt nicht mehr so? Kennen Sie seinen jetzigen Namen?«
Bassani schüttelte den Kopf. »Nein. Den hat er mir nicht genannt. Warum er ein solches Geheimnis daraus macht, weiß ich auch nicht. Aber mir kam es so vor, als wollte er, dass Sie seinen Namen herausfinden sollen, wie auch alles andere.«
»Sie haben mit Tory also nur telefoniert und ihn nie persönlich kennengelernt?«, wollte ich wissen.
»Ja, so ist es. Er war meines Wissens nie hier.« Bassani zuckte mit den Achseln.
»Aber, was ist aus seinen Eltern geworden? Und aus seiner Schwester?«, fragte Chiara.
»Das, meine Lieben, kann ich nur mutmaßen … Ich weiß es nicht. Abraham Torani hatte sich keinen guten Zeitpunkt ausgewählt, nach Deutschland zu gehen. So viel steht fest. Keiner hier hätte angenommen, dass Aaron überlebt hat. Und als er vor wenigen Tagen bei mir anrief, konnte ich es kaum glauben.«
Ich überlegte. Das passte trotzdem alles irgendwie nicht zusammen. »Ich erinnere mich, dass Tory mir damals in London erzählt hat, diese große Villa in London gehörte bereits seinen Großeltern. Dann kann er aber wohl kaum Emanuel Torani damit gemeint haben, oder?«
»Nein, das ist auszuschließen. Vielleicht meinte er die Eltern seiner Mutter? Ich weiß es nicht.«
Hatte Tory keine Verwandten mehr? Das interessierte mich: »Und was ist mit der übrigen Familie von Abraham?«
»Ein paar der Enkel und Urenkel leben noch in Venedig. Nicht mehr in diesem Viertel. Ich bedauere, selbst kaum Kontakt mehr zu ihnen zu haben. Wissen Sie, es gibt nicht wenige, die nichts mehr mit ihren Wurzeln zu tun haben wollen. Schauen Sie, die meisten Touristen kommen nur hierher und sehen in uns Menschen, die in einem Ghetto wohnen, obwohl es ja schon lange keines mehr ist. Doch der Name steht für nichts Gutes. Wobei er ja ursprünglich gar nichts damit zu tun hatte.«
»Es kommt von der Gießerei, die hier im Mittelalter war, oder?«
Bassani nickte anerkennend zu Chiara. »Ja, man weiß es nicht ganz genau, aber so heißt es zumindest. Feststeht, dass diese Insel schon den Namen trug, bevor man alle Juden der Stadt hierher verfrachtet hat. Sie fanden hier einen gewissen Schutz vor der Verfolgung in anderen Ländern und dennoch war es alles andere als ein privilegiertes Leben. Wir wurden auf engstem Raum eingepfercht und geduldet, solange wir uns an die Ghettogrenze hielten, doch stets gemieden, verachtet, diskriminiert. Es war ein armseliges Dasein.«
Es machte mich nachdenklich, wie weitreichend schon damals Unterdrückung, Abgrenzung und Fremdenhass waren.
»Kurz bevor wir zu Ihnen kamen, haben wir uns gefragt, wie es den Menschen hier zur Zeit des Faschismus ging. Sie sagen, Torani hat sich keine gute Zeit ausgesucht, nach Deutschland zu gehen. Wäre er hier sicherer gewesen?«
»Nein. Vielleicht sogar im Gegenteil. Dass meine Familie überlebt hat, war ein Wunder. 1943 gelangten die Nazis bis hierher. Sie haben alle, die hier lebten und sich nicht rechtzeitig retten oder verstecken konnten, in Konzentrationslager verschleppt und getötet. Was jahrhundertelang in Venedig nicht geschehen war, haben die Deutschen sehr gründlich geschafft.«
Chiara und ich schwiegen betroffen.
»Es leben nicht mehr viele Juden hier. Nur wenige sind zurückgekommen. Dies ist mittlerweile eher eine Gedenkstätte. Ich bin einer der Letzten, die ihr ganzes Leben lang hier gelebt haben.«
Bassani sah müde und erschöpft aus. Das lange Gespräch und die Erzählung hatten den alten Mann angestrengt. Wir hatten längst nicht alles erfahren, waren jedoch an unserem ersten Tag schon ein gutes Stück weitergekommen. Als ich mich erhob und mich bedanken wollte, legte er seine alte, faltige Hand auf meine.
»Selten bekommen wir Besuch, der sich nach ehemaligen Bewohnern unseres Ghettos erkundigt. Noch dazu so junge und interessierte Menschen. Ich würde Ihnen gerne das Viertel und die Synagogen zeigen. Wenn Sie es einrichten können, kommen Sie morgen Mittag wieder. So gegen fünfzehn Uhr. Abends lade ich Sie zum Essen ein. Einem echten koscheren Mahl. Meine Tochter und Enkeltochter sind hervorragende Köchinnen.«
Ich schaute Chiara an. Sie nickte.
»Wir kommen