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verdrossen.

      Der grauhaarige Keeper beugte sich über den Tresen und legte seine Hand auf Jimmys Schulter. „Sei vorsichtig, Junge. Jerry ist unberechenbar, wenn er betrunken ist.“

      „Keine Sorge, Ben. Der ist schneller draußen, als er Frank Sinatra sagen kann.“

      Jerry Miller war ein unangenehmer Gast. Jimmy hatte sich schon überlegt, ob er ihm nicht Lokalverbot erteilen sollte, hatte bisher aber immer wieder noch mal davon abgesehen.

      Miller, dieser komische Kauz, war nüchtern der friedfertigste Mensch, aber der Alkohol machte ihn rabiat. Wenn er betrunken war suchte er Streit, stänkerte die Gäste an oder warf – wie eben – mit dem Glas um sich, weil ihm irgend etwas nicht passte.

      „Okay, Jerry“, sagte Jimmy Taylor. „Ich denke, du gehst jetzt besser nach Hause.“

      Miller schüttelte den Kopf. „Nein, Bubi, ich krieg’ noch ’nen Drink!“

      „Du hast genug, Jerry.“

      „Das bestimme immer noch ich.“

      „Wenn du dich vorbeugst, rinnt dir der Whisky schon bei den Augen heraus.“

      „Meine Sache, oder?“, sagte Jerry Miller.

      „Warum hast du das Glas an die Wand geschmissen?“

      „Ich habe dich zweimal gerufen. Du hast nicht reagiert. Da ist eben dann das Glas an die Wand geflogen. Und jetzt schwing die Keulen, und bring mir noch ’nen Drink.“

      „Mach kein Aufsehen und geh. Oder bist du nicht mehr in der Lage, aufzustehen? Soll ich dir helfen?“ Jimmy trat auf Miller zu. Als seine Hände den Mann berührten, stieß dieser ihn derb zurück.

      „Pfoten weg!“, fauchte er. „Ich lass’ mich von Milchkindern nicht anfassen!“

      Jimmy fiel gegen den Nachbartisch, an dem ein Mann und eine Frau saßen. Das war ihm sehr unangenehm. Er entschuldigte sich und stürzte sich dann auf den Betrunkenen.

      Miller sprang auf. Er schlug mit seinen Fäusten auf den Jungen ein. Jimmy hatte viel von seinem Vater gelernt. Mark Taylor war ein guter Boxer gewesen, und er hatte oft mit seinem Sohn trainiert.

      Wenn Maggie Taylor nicht dagegen gewesen wäre, hätte Jimmy den Boxsport möglicherweise aktiv ausgeübt. Er hatte ein sicheres Auge, war schnell und wendig.

      Millers Schläge verpufften fast alle wirkungslos. Nachdem der erste Dampf abgelassen war, konterte Jimmy. Es lag nicht in seiner Absicht, den Betrunkenen nach allen Regeln der Kunst zusammenzuschlagen, sondern er wollte sich Miller nur gefügig machen.

      Doch jeder schmerzhafte Treffer brachte Miller mehr in Rage, und als ihn die nächste große Zornwelle überflutete, riss er ein Springmesser aus der Tasche.

      Die Gäste hielten gebannt den Atem an. Jimmy regte sich nicht. Er starrte unentwegt auf das Messer, dessen Spitze gegen ihn gerichtet war.

      „Miller!“, rief Ben Shaw hinter dem Tresen. „Steck’ sofort das Messer weg!“

      „Halt die Schnauze, Ben, das geht dich nichts an!“, schrie Jerry Miller. Er lachte gemein. „Jetzt hast du die Hosen gestrichen voll, was, Jimmy-Boy?“

      „Verdammt, ich nehme dir das Messer weg, und dann fliegst du raus aus dieser Bar und darfst sie nie wieder betreten!“, keuchte Jimmy Taylor.

      „Dann zeig doch mal, was du kannst, Großmaul!“

      „Okay“, sagte Jimmy und fintierte.

      Miller war viel zu betrunken, um den Trick mitzukriegen. Er stach daneben, und dann trafen ihn Jimmys Fäuste. Er schrie auf, japste nach Luft, und das Messer entfiel seinen Fingern.

      Jimmy kickte es fort, packte Miller, drehte ihn um und stieß ihn vor sich her durch das Lokal. Augenblicke später landete Miller in der Gosse.

      „Pack dich!“, sagte Jimmy wütend. „Ich will dich hier nie mehr wiedersehen! Hörst du? Nie mehr wieder!“

      Miller, der das nötige Quantum an Hieben kassiert hatte, war an einer Fortsetzung des Kampfes nicht mehr interessiert. Er stand schwankend auf und zog mit hängendem Kopf ab.

      Jimmy kehrte in die Bar zurück. Der unliebsame Vorfall würde bald vergessen sein. Jimmy sammelte die Glasscherben ein und warf sie in den Mülleimer. Dann wollte er nach seiner Mutter sehen, die in ihrem Büro saß und glücklicherweise nichts mitbekommen hatte.

      Ein schmaler Flur führte zum Büro. Die Tür war nicht ganz geschlossen. Jimmy hörte, wie seine Mutter telefonierte. Ihre Stimme klang zornig. Sie schien sich über die Person, mit der sie sprach, sehr zu ärgern.

      „Das kommt überhaupt nicht in Frage!“, sagte sie soeben mit einer Härte, die bei ihr ungewöhnlich war.

      „Fünf Prozent vom Umsatz? Ich denke ja gar nicht daran … Warum sollte ich? …. Wir brauchen Ihren Schutz nicht… Versuchen Sie mit Ihren Verbrechermethoden jemand anders zu erpressen. Bei mir haben Sie kein Glück! … Wir wissen uns selbst zu schützen. Auch gegen Leute wie Sie … Hören Sie, wenn Sie mich noch einmal belästigen, wende ich mich an die Polizei… Wie? … Das wagen Sie nicht… Wir werden ja sehen!“, sagte Maggie Taylor schneidend und warf den Hörer in die Gabel. „Mistkerl!“, machte sie sich Luft.

      Jimmy trat ein. Maggie blickte zu ihm hoch. Sie war neununddreißig, sah großartig aus mit ihrer blonden Mähne und den klugen, hellblauen Augen. Man hätte es ihr auch abgenommen, wenn sie behauptet hätte, sie wäre dreißig. Eine Naturschönheit, die mit Schminke nicht viel nachzuhelfen brauchte.

      „Ärger, Ma?“, fragte Jimmy.

      „Ach …“ Es schien ihr lästig zu sein, darüber zu reden.

      „Ich hab’ das Gespräch unfreiwillig mitgehört“, sagte Jimmy.

      Seine Mutter zündete sich eine Zigarette an, stellte das Tischfeuerzeug an seinen Platz und blies den Rauch aggressiv mit gespitzten Lippen aus.

      „Jemand wollte dich erpressen, nicht wahr?“, bemerkte Jimmy, der es nicht vertrug, wenn seine Mutter Sorgen hatte. Er dachte an seinen Vater und daran, dass bestimmt einiges anders gewesen wäre, wenn er endlich den Weg nach Hause gefunden hätte.

      „Der Kerl bot uns Schutz an“, sagte Maggie wütend. „Für fünf Prozent vom Umsatz. Er sagte, er wüsste ganz genau, dass wir ohne Schutz nicht mehr lange auskommen werden.“

      „Wie reagierte er auf deine Drohung, du würdest dich an die Polizei wenden?“

      „Er sagte, sie würden … uns umbringen.“

      Jimmy begab sich zu seiner Mutter und legte seine Arme um sie. „Niemand wird dir ein Leid zufügen, Ma. Ich versprech’s dir.“

      8

      Nachdem sich Bount Reiniger bei Lorne Rogers eine glatte Abfuhr geholt hatte, verließ er dessen Bar. Die Czukor-Zwillinge starrten ihn grimmig an. Wenn ihre Wimpern Zähne gewesen wären, hätten sie damit gebissen.

      Bount hakte die „Salome“ ab und fuhr zu jener Bar weiter, die Maggie Taylor gehörte. Er betrat sie nicht zum ersten Mal, erinnerte sich, dass er hier sogar schon einmal völlig versackt war, setzte sich an den Tresen und begrüßte Ben Shaw, den Keeper.

      „Alles in Ordnung, Ben?“

      „Einigermaßen“, erwiderte Shaw und fragte, was es sein dürfe. Bount blieb seiner Linie treu und verlangte wieder Orangenjuice. „Haben Sie’s mit dem Magen? Wenn ich mich recht erinnere, trinken Sie für gewöhnlich doch immer Johnnie Walker, Black Label“, sagte Ben.

      „Bin im Dienst“, sagte Bount lächelnd.

      „Ach so. Das ist natürlich auch ein Grund, trocken zu bleiben. Sie hätten vor einer halben Stunde hier sein sollen, da hätten Sie Jimmy ganz schön in Fahrt erlebt. Der

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