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Naht gesetzt und die Instrumente weggeräumt, verschwand sie wortlos.

      Da ich bis zur nächsten Narkose noch etwas Zeit hatte, betrat ich den Pausenraum. Ausgezeichnet, dachte ich, weder Huber noch sein blasser Kollege waren anwesend, obwohl die Oberärzte in diesem Raum noch am ehesten auszuhalten waren. Stattdessen erblickte ich die lächelnde Schwester Anita und auch die Chirurgen von eben waren da. Natürlich fehlte ihr Chefarzt, der schon wieder in seinem Büro saß.

      „Euren Chef habe ich noch nie so ausfallend erlebt wie eben. Kommt das öfters vor?“, fragte ich.

      „Da bist du wohl noch nicht lange hier!“, witzelte der Alptraumchirurg und provozierte eine erneute Lachrunde.

      „Das ist bei ihm absolut an der Tagesordnung. Auch uns Ärzten gegenüber kann er sich so gehenlassen. Man muss echt ein dickes Fell haben. Er bestimmt einfach alles alleine, er ist der reinste Diktator. Demokratie, Mitsprache? Fremdwörter bei uns auf der Chirurgie. Wir nennen ihn auch den Vulkan, man weiß nie, wann er ausbricht. Operieren lässt er dich auch kaum. Du bist hier ein reines Arbeitstier, das andauernd zurechtgewiesen wird“, seufzte der zweite.

      So schlimm hätte ich mir das alles gar nicht vorgestellt. Selbst wenn vielleicht etwas Übertreibung im Spiel war, aber was ich vorhin gesehen und gehört hatte, war Beweis genug und bekräftigte mich in meinem Entschluss, niemals in die Chirurgie einzusteigen. Obwohl natürlich auch nicht alle Chefärzte patriarchalische Vulkane waren.

      „Ich wundere mich, dass ihr immer wieder Operationsschwestern findet. Ich würde mir das nicht gefallen lassen.“

      „Viele bleiben deshalb auch nicht lange im Geschäft“, antwortete der neue chirurgische Assistenzarzt.

      „Aber in vielen Kliniken ist es doch ähnlich. Mir ist es schlicht unbegreiflich, wie man diesen Beruf überhaupt ergreifen kann, der vorwiegend aus Zudienen besteht und bei dem Beschimpfungen und Erniedrigungen an der Tagesordnung sind. Vielleicht muss man da masochistisch veranlagt sein?“, fragte ich.

      „Auf diese Idee bin ich noch nie gekommen. Was gibt es denn Besseres als im OPS zu arbeiten. Was willst du mehr?“, meinte der Alptraumchirurg amüsiert.

      „Das kann auch nur ein Chirurg sagen. Sie hat etwas Faszinierendes, eure chirurgische Welt. Die einen zieht es an, und die anderen stößt es ab. Bei den Operationsschwestern habe ich mir meine eigene Theorie zurechtgelegt.“

      „Und die wäre?“, erstmals zeigten die Chirurgen Interesse.

      „Nun, ich nenne es die Liebe-auf-den-ersten-Schnitt-These“ antwortete ich. „Fast alle Operationsschwestern sind als Mädchen selbst einmal operiert worden und damals von diesem Erlebnis derart beeindruckt gewesen, dass sie unbedingt auch einen Beruf aus dieser geheimnisvollen Welt ergreifen wollten. Sie wurden damals geprägt, sozusagen grün geprägt, und so eine Prägung oder Beschneidung hält fürs Leben. Einmal grün, immer grün. Natürlich konnten sie nicht wissen, in welche hierarchischen Strukturen sie sich hineinbegeben. Vielleicht sehen sie im Chirurgen auch einen Vaterersatz.“

      „Reichlich an den Haaren herbeigezogen“, meinte einer.

      „Ich glaube, dann solltest du Psychiater werden“, witzelte ein anderer, der Alptraumchirurg.

      Kurze Zeit später verließen die Grüngekleideten den Raum. Wahrscheinlich hielten sie mich nun für einen Spinner, der nicht in ihre Welt passte.

      Im Verlaufe des Morgens erklärte mir Oberarzt Huber, er sei wegen diversen Notfalloperationen zu Umstellungen gezwungen, und ich müsse außerplanmäßig eine Knie Operation übernehmen. Kurz erklärte er mir das Wichtigste.

      Meine Patientin hieß Céline Jaquet und ich wusste von ihr nur, dass sie jung, ängstlich und Privatpatientin war. Ich begab mich in den dafür vorgesehenen OPS im Erdgeschoss.

       Lichtblicke in der Hektik

      Sarah hatte an diesem Morgen große Mühe aus dem Bett zu kommen. Mit dem frühen Arbeitsbeginn hatte sie sich noch immer nicht angefreundet, und an solchen Tagen haderte sie etwas mit ihrem Schicksal. Doch sobald sie ihre Berufsuniform angezogen hatte, waren diese Gedanken verflogen.

      Auf der Station herrschte morgens eine hektische Atmosphäre. Sofort übertrug sich diese Stimmung auf Sarah. ‚Ich habe heute wohl nicht meinen besten Tag‘, redete sie sich ein. Als sie Céline in den Operationssaal bringen musste, riss sie sich zusammen, damit ihre Patientin nichts davon mitbekam. Sarah wusste, die sensible Céline hatte feine Antennen für die Gefühle anderer Menschen. Da waren sich die beiden sehr ähnlich.

      Daher bemühte sich Sarah gute Laune, aber auch Entschlossenheit auszustrahlen, doch Céline nahm ihr das offenbar nicht ab. Nicht einmal Fabienne, die mit ihrer gewinnend fröhlichen Art fast allen Patienten auf dem Weg zum Operationssaal ein Lächeln entlocken konnte, hatte bei Céline eine Chance. Als die drei den Lift zum Operationssaal erreicht hatten, schloss Céline die Augen.

      „Machst du das auch vor deinen Auftritten. Hilft dir das bei der Konzentration?“, fragte Sarah mit ruhiger Stimme.

      Céline schüttelte nur den Kopf.

      Die Türe schloss sich langsam und einen Moment lang war es nun ganz ruhig. Nur das leise Geräusch des fahrenden Liftes war zu vernehmen.

      „Jetzt gibt es wohl kein Zurück mehr!“, murmelte Céline, bewegungslos auf ihrem Bett liegend.

      „Aber Céline, das ist doch alles halb so schlimm. In ein, zwei Stunden ist alles vorbei. Zum Gehen und Tanzen brauchst du nun mal ein gutes Knie, und so haben wir eben keine andere Wahl“, tröstete sie Fabienne.

      Sarah hielt es für angebracht, nichts mehr zu sagen und hielt nur Célines Hand. Die Patientin schwieg.

      Inzwischen waren sie im hell erleuchteten Operationssaal eingetroffen und mussten an der Schleuse warten. Sarah wurde noch nervöser, als sie feststellte, dass sie sich verspätet hatten. Doch dann erspähte sie ihren Anästhesiearzt. Erstmals sah sie ihn in der grünen Operationskleidung, und er kam direkt auf sie zu.

      ‚Er sieht ja echt niedlich aus mit diesem Kopfhäubchen‘, dachte sie und zupfte ein bisschen verlegen an ihrer weißen Schürze.

      Sarah geriet beim Rapportieren ins Stocken und wusste plötzlich nicht mehr, wo sie hinschauen sollte. Sie spürte den Blick des Anästhesiearztes, seine direkt auf sie gerichteten großen Augen. Irritiert wollte sie diesem Blick ausweichen und entschied sich, auf die Krankengeschichte von Céline zu blicken, doch sie verhaspelte sich trotzdem. Fabienne rettete die Situation und ergänzte.

      Die Krankenschwestern verabschiedeten sich und waren froh, dass die Operation endlich losgehen konnte. Das lange Warten hatte allen zugesetzt.

      „Solch eine sensible Seele habe ich noch nicht erlebt. Ist halt eine typische Künstlerin, unsere Céline“, meinte Fabienne im Fahrstuhl auf dem Weg zurück.

      „Auch wir wären vor einer Operation nervös“, erwiderte Sarah entschlossen, und Fabienne nickte.

      „Hat der Anästhesist dich auch nervös gemacht?“

      „Ach was, das ist wegen Céline gewesen, sie tat mir leid, als sie mich so angeschaut hat“, meinte Sarah schnell.

      „Der Anästhesiearzt kann dich aber auch so besonders anschauen. Er hat irgendwie schon einen besonderen Blick, findest du nicht?“

      „Schon möglich“, antwortete Sarah knapp. Sie konnte ihre Gefühle für den Mann mit den großen Augen noch nicht richtig einordnen. Sie fand den Moment deshalb noch nicht passend, um mit Fabienne darüber zu sprechen.

      „Ich wusste schon, dass diese Phase irgendwann ein Ende haben würde, und das ist gut so“, murmelte Fabienne leise vor sich hin.

      „Welche Phase?“, wolle Sarah nach einer kurzen Pause wissen.

      „Kürzlich hast du gesagt, du willst von Männern nichts mehr wissen, erinnerst du dich?“

      „Ach was, das bedeutet überhaupt nichts. Du hörst mal wieder das Gras wachsen“, antwortete

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