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aber eine erste individuelle Einfärbung statt. Vor dem Hintergrund unserer Lebenserfahrungen wird der ankommende elektrische Reiz eingeordnet und interpretiert. So wird aus einer blauen Fläche mit weißen Flecken erst durch diesen Abgleich die Wahrnehmung eines Himmels mit Wolken. Die Bewertung führt dann beispielsweise dazu, voller Vorfreude in den Tag zu starten, da die Bewölkung Deinem Vorhaben einer Radtour entgegenkommt. Oder Du bist verärgert, weil Du den Tag in der Sonne am Baggersee verbringen wolltest und es dafür nun zu kühl ist.

      Unsere Wahrnehmung ist subjektiv. Bevor wir nicht einen gewissen Grad an Bewusstheit erlangt haben, ist es uns nicht möglich, dieser Subjektivität gewahr zu werden.

      Bis zu einem gewissen Zeitpunkt leben wir in der Illusion unserer Wahrnehmung und halten einzig und allein unsere Wahrnehmung für die Wirklichkeit. Das zunehmende Ankommen bei Dir selbst ermöglicht Dir, Deinen Standort zu bestimmen. Nur so kannst Du Deinen Bezugsraum mehr und mehr wahrnehmen. All das, was Du im Laufe Deiner frühen Kindheit in Dein Ego-Muster integriert hast, verursacht eine Verzerrung des Bezugsraumes und eine Filterung der Wahrnehmung – wie eine getönte Brille. Je bewusster Du wirst, umso mehr erkennst Du sowohl die kulturellen Übereinkünfte und Wertvorstellungen als auch die biographischen Einflüsse, die diesen Verzerrungen zu Grunde liegen. Und hast Du erst damit angefangen, den Bezugsraum wahrzunehmen, so verändern sich dieser und das damit verbundene Konzept unaufhörlich weiter. Dies kann eine Erweiterung der Perspektive oder eine Erhöhung der Tiefenschärfe beziehungsweise der Auflösung sein. Und denkt man dies weiter, so wird es irgendwann kein Konzept mehr geben. Je höher die Auflösung auf mikroskopischer Ebene wird, und je weiter man ins All blicken kann, umso mehr ähneln sich die Bilder und Muster, die man erhält. Wenn man den Schleier der Illusion hebt, wird klar, dass das Ich nur eine Spiegelung des Wir ist.

      Alles ist eins.

       Im Lüften der Schleier der Illusion erkennst Du, dass das sogenannte ICH nur eine Spiegelung des WIR ist.

      Leben und Tod

      Lebendigkeit ist eine der zentralen Qualitäten des Kerns. Lebendigkeit drückt sich aus in Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit, Stabilität und Integrität, Klarheit und Kraft, Charisma und Freude. Je deutlicher diese Aspekte ausgeprägt sind, umso näher bist Du einem Zustand von Gesundheit. Lebendigkeit und Gesundheit sind diesem Verständnis nach ein- und dasselbe.

      Es gibt aber auch andere Definitionen für Gesundheit.

      • Die Weltgesundheitsorganisation bestimmt Gesundheit als einen Zustand „vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens“ und nicht nur als Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Daraus dürfen wir nicht folgern, dass alle dieser Definition nicht entsprechenden Zustände mit Krankheit gleichzusetzen sind. Denn dann würde allein das Aufschlagen der Zeitung verhindern, gesund zu sein. Vielmehr gibt diese Beschreibung wie ein Kompass eine Orientierung darüber, welcher Weg zum eigenen Kern führt.

      • Für Christian Scharfetter ist der Mensch gesund, „dem unter Umständen trotz des Leidensdruckes einer Körperkrankheit […] sein Leben gelingt (Selbstverwirklichung), der den Forderungen seines Wesens (Echtheit/Authentizität) und der Welt entsprechen und ihre Aufgaben bestehen kann […] – einer, der sich im Leben bewährt.“ Hier ist der Begriff Gesundheit weniger auf das Ziel ausgerichtet, sondern eher gleichbedeutend damit, auf dem Weg zum eigenen Kern zu sein. Wo Du ankommst, was Dein Ziel ist, wird nicht gefragt. Eher interessieren die Fragen, wie weit Du es noch hast oder wie weit Du schon gegangen bist.

      • Eine weitere Orientierung gibt das von Aaron Antonovsky beschriebene Modell der Salutogenese. In seiner Forschung beschäftigte er sich mit der Frage nach Entwicklung und Erhaltung eines Zustandes von Glück, Gesundheit und Wohlbefinden. Als entscheidend dafür arbeitete er das sogenannte Kohärenzgefühl heraus. Dieses setzt sich aus drei Aspekten zusammen:

      – einem Gefühl der Verstehbarkeit,

      – einem Gefühl der Handhab- oder Gestaltbarkeit

      – und einem Gefühl der Sinnhaftigkeit der Umstände des eigenen Lebens.

      Diese Erkenntnis ist sehr stimmig, doch sind alle drei Parameter subjektiver Natur, sie sind von außen kaum zu erkennen. Schließlich sind wir alle großartige Schauspieler, die Masken unserer Persönlichkeit tragen ihr Übriges bei.

      Damit Du mit einer gewissen Objektivität eine relative Einschätzung des Standortes auf Deinem Weg hin zu Gesundheit bekommst, kannst Du den Aspekt der Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit betrachten. Auf der Ebene des Körpergewebes ist die Elastizität abhängig vom Verhältnis flüssiger Anteile zu kristallinen Strukturen. Sind in ein Gewebe zu viele strukturbildende oder kristalline Strukturen eingelagert, so lässt seine mechanische Anpassungsfähigkeit nach. Und da es sich um einen belebten Körper handelt, geht mit zunehmender körperlicher Rigidität tendenziell eine Abnahme der geistigen Elastizität einher. Diese spielt jedoch eine wichtige Rolle für die Fähigkeit, auf Krisen und Herausforderungen angemessen reagieren zu können. Diese Fähigkeit wird in der Psychologie als Resilienz bezeichnet. Resilienz nimmt durch (körperliche und mentale) Rigidität und Trägheit ab. Mit zunehmendem Alter nimmt der Wagemut ab, Neues zu probieren, die sichere Komfortzone zu verlassen. Die Resilienz wird geringer, Krankheiten mehren sich.

      Lebendigkeit ist eine Qualität des Kerns, gleichzusetzen mit Gesundheit. Wie lebendig bist Du? Das merkst Du unter anderem an der Verfestigung Deiner Ego-Struktur. Je ausgeprägter diese ist, desto geringer ist Deine innere Handlungsfreiheit.

      Neben der Ausprägung von Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit gibt Körperbewusstheit, das bewusste Spüren des eigenen Körpers, Aufschluss über den aktuellen Standort. Dieses Merkmal hat paradoxe Qualitäten. Sehr wohl sollte der gesunde Körper bewusst spürbar sein, sich aber in seiner Spürbarkeit nicht in den Vordergrund drängen. Ein guter Vergleich ist das Armaturenbrett im Auto: Du hast es ständig gut im Blick und deckst es mit nichts zu. Deine Aufmerksamkeit ist aber mehr auf die Straße als auf die Anzeigen gerichtet. Doch jedes Aufleuchten einer Warnanzeige solltest Du sofort bemerken. René Leriche, zitiert von Peter Sommerfeld, beschreibt Gesundheit als das Leben im Schweigen der Organe. Deinen gesunden Körper spürst Du als Ganzheit, wie den fliegenden Pfeil, den Gibran im oben zitierten Text „Über die Kinder“ beschreibt. Erst wenn Du Dir Deinen Arm verletzt, wird Dir dessen Gewicht, dessen Bedeutung und die Häufigkeit seiner Nutzung bewusst. Genau darin zeigt sich aber bereits die Funktion und Sinnhaftigkeit des Schmerzes, auf die im späteren Verlauf noch ausführlicher eingegangen wird.

      Das Leben ist der Weg hin zu Gesundheit, mehr und mehr mit unserem Kern, unserem wahren Selbst in Kontakt zu kommen und die eigene Bestimmung zu leben. Der aktuelle Standort auf diesem Weg kann bestimmt werden mithilfe der Ausprägung des Kohärenzgefühls (nach Aaron Antonovsky) sowie der körperlichen und mentalen Beweglichkeit und der Ausprägung des Körperbewusstseins.

      Wenn wir uns mit Fragen der Lebendigkeit und des Lebens beschäftigen, braucht es auch einen Blick zum Gegenpol: dem Tod. Die Angst vor dem Tod hat zwei Aspekte. Zum einen ist es die uns innewohnende Reserviertheit oder Angst vor dem Unbekannten, zum anderen die Angst vor der Erkenntnis, im Angesicht des Todes womöglich gewahr zu werden, am Leben vorbei gelebt zu haben.

      Jedes Mal, wenn es in Deinem Umfeld einen Todesfall gibt, wirst Du neben den einhergehenden Emotionen mit entscheidenden Fragen konfrontiert. Nimm Dir etwas Zeit und spüre nach:

      Was und wie möchtest Du eigentlich leben?

      Wofür möchtest Du leben?

      Was hebst Du Dir noch für später auf?

      Und wann ist dieses später?

      Vor dem Hintergrund des oben erwähnten Kohärenzgefühls ergeben sich weitere Fragen, die gleichzeitig Einladungen sind, die Dein Kern Dir sendet:

      Erkennst Du eine Sinnhaftigkeit im Verlauf Deines Lebens? Kannst Du Deinen Frieden mit allem machen, so wie es ist und war?

      Kannst Du zurückschauen

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