Скачать книгу

Du Dich in Authentizität zeigen. Nicht in Hochmut, sondern in dankbarer Bescheidenheit und Demut. Nicht in Erwartung, sondern in Hingabe an Deinen Kern und die Welt. Du hältst nichts zurück, hebst nichts mehr für später auf. Du nährst Dich vom Reichtum des Moments und trinkst die Kostbarkeit des Augenblicks. Egal wo Du bist, wenn Du in Bezug mit Deinem Kern bist, bist Du frei und gleichzeitig zu Hause.

      Lebendigkeit und Liebe sind die beiden zentralen Elemente des Kerns. Sie führen zu innerer Freude und Beziehungsfähigkeit.

      In diesem Buch will ich Dich dazu ermutigen, Deinen Zugang zum Kern freizulegen. Dies erreichst Du, indem Du die vertrauten Vorstellungen verlässt und in immer größer werdenden Konzepten denkst. Ein Weg dorthin sind Fragen. Ich möchte daran erinnern, dass es drei Arten von Fragen gibt:

      • Fragen, deren Antwort man schon kennt,

      • Fragen, deren Antwort man noch sucht

      • und Fragen, die man noch nicht einmal gestellt hat.

      Hoffentlich entstehen beim Lesen ein paar ganz neue Fragen in Dir.

      Hinweise zum Lesen des Buches

      Das Buch ist in drei Teile gegliedert.

      Der Teil [erkennen und verstehen] dreht sich um Aspekte des Geistes. Darin geht es um Prägung und Konditionierung, die Entwicklung von Persönlichkeit, sowie um philosophische und mystisch-spirituelle Betrachtungen unseres Mensch-Seins.

      Der Teil [spüren und verbinden] entwickelt ein ganzheitliches Körperbild. Es wird beschrieben, wo Perspektiven aus dem Teil sich in unserer Körperlichkeit zeigen. Entwicklung und das Zusammenspiel des Körpers werden in einen praktischen Bezug zu psychologischen Mustern gesetzt.

      Der Teil [berühren und gestalten] geht genauer auf Möglichkeiten ein, wie Du die Sensorik Deines Körpers und Deine Wahrnehmung praktisch nutzen kannst, um mittels Deiner Körperlichkeit mehr Zugang zu Deinem Kern zu bekommen. Darüber hinaus lernst Du, wie Du mit anderen Menschen tiefer in Kontakt gehen und Beziehung gestalten kannst.

      Das Bild, in dem das Meer auf das Land trifft, wird für Textpassagen verwendet, in denen anschauliche Beispiele oder die Schilderung meiner Erlebnisse ein bildhafteres Verständnis unterstützen.

      Das Bild, in dem eine offene Blüte zu sehen ist, wird für Abschnitte verwendet, in denen Du eingeladen bist, in Dich hineinzuhorchen und Dich zu spüren.

      Die grau gedruckten Blöcke fassen Wichtiges zusammen.

      Teil

      [erkennen und verstehen]

      Wer bin ich?

      Das individuelle, uns von anderen unterscheidbar machende Denken, Handeln, Fühlen, Wahrnehmen ist das, was ich unter dem Begriff Persönlichkeit verstehe. Die Wortherkunft vom lateinischen Wort Persona (ursprünglich: Maske, Rolle) versucht erst gar nicht zu verstecken, dass die Persönlichkeit nur eine Oberfläche ist, und nicht Dein Kern. Indirekt scheint dieser zwar durch, doch wird sein Glanz verzerrt und gemindert durch das Ego. Das Ego ist nicht Dein wahres Ich, sondern Dein Selbstbild. Dieses ist der Ausdruck der Prägung Deiner Wertvorstellungen und der Konditionierung Deines Denkens und Deiner Wahrnehmung durch Dein soziokulturelles Umfeld. Das Ego ist nicht zur Selbstreflexion befähigt; es fragt nicht; „Wer bin ich?“, sondern nur: „Wie möchte ich gesehen werden?“ Es bestimmt die Richtung und Geschwindigkeit der Persönlichkeits- entwicklung, die zum Ziel hat, Dich im gesellschaftlichen Ansehen steigen zu lassen. Dein Ego ist die Maske, die Du aufsetzt, um vermeintlich schöner, größer, besser, geliebter zu sein. Es wird genährt von Eitelkeit und geht einher mit dem Irrglauben, aus einem persönlichen Verdienst heraus besonders zu sein. Doch für die SelbstEntfaltung, das Sichtbarwerden des Kerns, hat das Ego eine bremsende Funktion.

      Die Persönlichkeit ist die Bühne für das Wechselspiel der Kräfte von Ego und wahrem Selbst, dem Kern. Sie ist kein feststehendes Konstrukt, sondern ändert und entwickelt sich im Laufe des Lebens. Wir sind aufgerufen, jeden Tag dem ICH mehr Raum zu geben als dem Ego. Was aber ist dieses Ich, der Kern? Körper? Seele? Geist? Köpergeist? Körperseele? Seelengeist?

      Der Blick zurück auf die Anfänge unserer Existenz gibt uns einen ersten Zugang für die Erforschung dieser Frage. Vom Zeitpunkt der Befruchtung an bis ins zweite Lebensjahr hinein leben wir in einem Zustand der Non-Dualität. Wir sind verbunden mit den Empfindungen unserer nächsten Bezugspersonen. In einer subtilen Weise sind wir mit den kulturellen Übereinkünften des sozialen Umfelds synchronisiert. Alle Sinneswahrnehmungen sind für einen Embryo, einen Fötus und ein junges Baby zu einer einzigen Wahrnehmung verschmolzen. In der Non-Dualität gibt es noch keine Ego-Struktur. Selbst wenn ein Baby sprechen könnte, wäre es nicht fähig, „ich“ zu sagen oder sprachlich seinen eigenen Willen zu artikulieren. Alles ist eins. Dies entspricht der Wahrnehmung, in der Gebärmutter, umspült von Fruchtwasser, schwerelos umherzutreiben. Im Christentum entspricht dieser Zustand der Metapher des Gartens Eden, wo wir innig mit Gott verbunden sind.

      Es gibt keinen Zeitpunkt in unserem Leben, in dem wir nicht ganz sind. Es geht immer nur um die Frage, ob sich ein Mensch ganz zeigen und leben kann.

      Doch der Fall aus dem Paradies kommt unweigerlich. Im Laufe des zweiten bis vierten Lebensjahres verliert sich die Non-Dualität zunehmend und geht in den Modus einer dualen Wahrnehmung über. Das kleine Kind lernt, zwischen sich selbst und der Umgebung zu unterscheiden. Denn beginnend mit dem Verlassen der Gebärmutter, bekommt es über seine Sinnesorgane eine Unmenge zusätzlicher Informationen. Es unterscheidet angenehme und unangenehme Gefühlszustände und Situationen. Durch das Spüren von Berührung lernt es seine eigenen Körpergrenzen kennen. Die Schwerkraft zeigt ihm ebenfalls deutlich die Grenzen des eigenen Körpers und seines Bewegungsspielraums auf. Durch die noch nicht ausreichend entwickelte Sprachkompetenz erfährt es eine weitere Einschränkung seines Handlungs- und Gestaltungsspielraums. Da es seine Bedürfnisse sprachlich noch nicht zum Ausdruck bringen kann, ist es abhängig davon, wie gut die engen Bezugspersonen auf es eingestimmt sind. Niemals ist die Einstimmung so umfassend, dass alle Bedürfnisse des Babys permanent befriedigt werden.

      Durch die Spiegelung seiner engen Bezugspersonen lernt das Kind, dass bestimmte Verhaltensweisen gern gesehen werden und zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse hilfreich sind. Andere Verhaltensweisen hingegen bekommen weniger positive Resonanz, führen nicht zur Befriedigung seines Bedürfnisses oder rufen Stressreaktionen bei den Eltern hervor. Indem es Verhaltensweisen vermeidet, die sein Umfeld destabilisieren und so zu einer Stressreaktion für es selbst führen, schützt sich das Kind. Doch der Preis ist hoch.

      Um dem Umfeld zu gefallen, hielten wir als Kinder Verhaltensweisen und Gefühle zurück, verdrängten sie oder spalteten sie gar ab. In Summe führt dieses Verhalten über die Zeit dazu, dass wir uns als ein von unserer Umwelt getrenntes Wesen wahrnehmen.

      Die Stressfaktoren, die zu diesem Gefühl des Getrenntseins führen, wirken in erster Linie auf der körperlichen Ebene. Daher verbinden wir dieses frühe Ich-Erleben vorrangig mit unserem Körper. Die sich in Folge entwickelnde Struktur ist das Ego. Es lässt uns in unserem Sein abgetrennt von unserer Körperlichkeit wahrnehmen. Mit dieser dualen Wahrnehmung ist gleichzeitig die Grundlage für Bewertung angelegt – fortan etikettieren wir jede Erfahrung als angenehm, positiv oder unangenehm, negativ.

      Auch später, wenn das Kind erwachsen geworden und der Schutz eigentlich nicht mehr notwendig ist, bleiben die erlernten Verhaltensmuster erhalten. Unter diesen Bedingungen ist es schwierig, den Kontakt zum eigenen Kern wiederherzustellen, kontinuierlich zu wahren und offen zu halten. Und meist

Скачать книгу