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das Kapitel über diese goldenen Dinger lesen.“ Sie holte zum ersten Mal Luft.

      „Kann ja nicht schaden“, fügte sie hinzu und zwinkerte Nex zu. Dieser lächelte.

      „Ich fürchte, du hast recht. Aber hey, endlich hat sich Tante Mandi die Mühe gemacht, alles klar und deutlich aufzuschreiben.“ Er warf dem Buch einen zweifelnden Blick zu.

      „Auch, wenn es ganz schön viel ist.“ Und dann las er.

       Noch ein Tag

      Irgendwann spürte Nex, dass das Buch unter ihmverschwunden war. Verwirrt sah er auf. Er saß aufeinem Stuhl, an einem Tisch, in der Bibliothek. Das Licht, das von draußen hereinschien, wirkte plötzlich trüb. Er hatte Para verlassen. Aber wann? War er etwa beim Lesen eingeschlafen? Nicht zu fassen! So etwas war ihm noch nie passiert. Er setzte sich gerade hin und verzog vor Schmerz das Gesicht. Rückenschmerzen. Auch das noch. Reichte es denn nicht, dass er mit den Überresten der Rauferei von gestern zu kämpfen hatte?

      „Nex? Hey, wo bist du denn?“, hörte er Moona rufen. Mit einem Schlag war er hellwach. Wie lange hatte er hier gefehlt? Oder war er einfach verschwunden und Moona hatte sein Fehlen jetzt erst bemerkt? Ja, wahrscheinlich war es ihr bis eben nicht aufgefallen, denn er war die ganze Zeit über in der Bibliothek gewesen. Vielleicht sollte er eine Liste mit dem ganzen Para-Kram anfertigen, das alles war immer noch ziemlich verwirrend, obwohl er sich einige Dinge gut merken konnte, aber das Buch war wirklich dick und umfangreich.

      „Ähm, Nex?“ Er seufzte, dann stand er unter Schmerzen auf.

      „Ich bin hier“, antwortete er und schon rauschte Moona um die Ecke. Sie sah tatsächlich wie eine professionelle Putzfrau aus, wie sie so den Staubwedel hielt. Und dann hatte sie doch allen Ernstes ein schwarz-weißes Kleid an. Putzfrau durch und durch. Sie starrte ihn perplex an. Stimmt, für sie war nicht eine Sekunde vergangen. Sie blinzelte überrascht, dann atmete sie sichtbar durch.

      „Nex! Wow, wie bist du so schnell…“, begann sie, brach jedoch ab. Er musste sie ziemlich verwirren. Nex erinnerte sich daran, wie Liah und Onkel Handix plötzlich verschwunden waren und er eine ganze Weile allein in der Villa gewesen war. Was sollte er jetzt tun? Moona von Para zu erzählen kam überhaupt nicht infrage, aber was sollte er ihr denn sonst sagen? Es war wohl das Beste, wenn er sich dumm stellte.

      „Was bin ich?“

      Moona wirkte auf einmal unsicher.

      „Nun, du warst eben bei mir und dann… warst du plötzlich weg und tauchst hier wieder auf…“ Sie bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick. Lass dir nichts anmerken. Tu einfach so, als sei nichts gewesen. Nex zuckte möglichst lässig mit den Schultern.

      „Ja, wir haben uns eben kurz getroffen, aber ich bin doch gegangen“, er runzelte die Stirn, „wissen Sie das nicht mehr? Ich wollte mir ein neues Buch zum Lesen holen, aber bis jetzt habe ich nichts gefunden.“ Die Putzfrau starrte ihn an. Hoffentlich kauft sie mir das ab…

      „Ich, ähm, doch, natürlich“, erwiderte sie und wirkte mit jedem Wort etwas verwirrter. Das war besser, als dumme Fragen gestellt zu bekommen, da war Nex sich sicher. Er zwang sich zu einem Lächeln.

      „Tja, ich gehe dann mal wieder hoch. Liah wartet bestimmt schon.“ Moona hob fragend die Augenbrauen.

      „Wolltest du dir nicht ein Buch holen?“ Verdammt. Jetzt musste er sich schon wieder etwas einfallen lassen.

      „Ja, aber ich habe nichts gefunden. Ich kann mich auch später nochmal umsehen.“

      Mit diesen Worten eilte er aus der Bibliothek, bevor Moona noch irgendwelche anderen Fragen stellen konnte. Während Nex die Treppen nach oben zum Dachboden eilte, wurde ihm klar, dass ihn Liah aufgrund der Zeitgesetze unmöglich schon vermissen konnte. Diese Sache mit Para brachte ihn völlig durcheinander. Er sollte sich mal etwas Klarheit verschaffen. Und das wiederrum lenkte seine Gedanken auf das, was er zuvor in Para gelesen hatte…

      Schneller als gedacht stand Nex vor der Leiter zum Dachboden. Unwillkürlich musste er grinsen. Als Liah und er die Villa am zweiten Tag erkundet hatten, war ihm der Weg hierher wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen, aber in den letzten Tagen war er so oft hoch und runter gerannt, dass er das Gefühl hatte, schon immer hier gewohnt zu haben. Mit einem Schlag war sein Grinsen verschwunden. Nein, so fühlte es sich nicht an. Vor nur wenigen Wochen hatte er ein normales Leben gehabt, mit einer normalen Familie, mit seinem besten Freund Paul und einer Schule, die er kannte und einigermaßen mochte. Hier war alles anders. Im Grunde genommen wusste Nex noch nicht einmal, wo genau sie hier lebten.

      Entschlossen schob er diese Gedanken beiseite und betrat den Dachboden. Es roch nach Staub und vielen Jahren, aber daran hatte er sich längst gewöhnt. Überall standen Kisten und einzelne Möbelstücke herum, die sich wohl mit den Jahren angesammelt haben mussten. Nex wusste immer noch nicht, wie Tante Mandi in den Besitz dieser Villa gekommen war und warum sie nie jemand erwähnt hatte. Aber es gab noch so viele andere Dinge, die sie nicht wussten…! Aber eines wusste der Junge jetzt ganz genau. Er bahnte sich einen Weg zur Sitzecke, wo Liah im Schneidersitz auf der alten Couch saß, das Notizbuch auf dem Schoß und ein paar goldbraune Strähnen im Gesicht.

      Nex beobachtete sie mit einem traurigen Lächeln. Liah. Sie war so unglaublich tapfer, tapferer, als er es jemals sein würde. Sie hatte nur selten Angst, und wenn, dann scheute sie sich nicht, ihre Angst offen zu zeigen. Sie hatte nur noch einen älteren Bruder und einen mürrischen Onkel, die auf sie aufpassen konnten, keine Eltern mehr. Sie hatte ihre Freunde verlassen müssen. Sie hatte zusammen mit Beatrice, der Freundin ihrer Mama, eine Beerdigung planen müssen. Mit zehn Jahren Vollwaise, und das, obwohl sie nie etwas getan hatte, um so etwas zu verdienen. Wie es mit ihm selbst stand, konnte Nex nicht sagen, aber er wollte sich nur ungern in Selbstmitleid baden, denn er war praktisch alles, was Liah noch hatte. Es war seine Aufgabe, Mama und Papa so gut es ging zu ersetzen, auch, wenn er wusste, dass ihm das niemals wirklich gelingen würde. Manchmal wünschte er sich, seine Eltern um Rat fragen zu können, aber das war nicht möglich. Es war nicht so, als ob sie jetzt in Para waren oder ähnliches…

      Liah sah auf und warf ihrem Bruder einen überraschten Blick zu.

      „He, Nex, was machst du denn schon hier?“ Sie sah auf seine leeren Hände und sah ziemlich enttäuscht aus.

      „Du hast nichts gefunden, was? Aber ich dachte, dass wir uns in deinem Zimmer treffen?“

      Was? Oh, richtig. Mist, das hatte er bei all der Aufregung mit Para und Moona völlig vergessen. Er setzte sich neben seine Schwester, die ihn mit neugierigen gelbbraunen Augen ansah.

      „Hör mal, ich muss dir etwas erzählen.“ Sie wartete gespannt und Nex musste wieder lächeln.

      „Ich bin ganz Ohr.“

      „Okay, also: Ich war eben wieder in Para. Als ich in der Bibliothek war. Und frag mich jetzt nicht, wie lange ich dort gewesen bin, ich weiß es nämlich selbst nicht. So, in Para habe ich Glina getroffen und ihr erstmal alles erzählt. Sie war zum Glück nicht sehr böse auf uns. Sie hat die beiden mal gesehen, und – Oh, verdammt, ich habe vergessen zu fragen, ob sie weiß, wo die sind! Na, egal. Auf jeden Fall habe ich Glina gesagt, was wir herausfinden wollen, und sie hat mir geholfen. Dann hat sie einen Brief von Tante Mandi gefunden…“

      „Tante Mandi!? Was stand drin?“ Liah zappelte aufgeregt und Nex legte ihr die Hand auf ein Bein, damit sie stillhielt.

      „Das sagte ich dir gleich, aber bitte wackle nicht so, damit bringst du mich durcheinander!“ Seine Schwester kicherte, beruhigte sich jedoch wieder.

      „Ja?“

      Nex schüttelte grinsend den Kopf.

      „Also… sie hat da was von einer Mauer und Zahlen geschrieben. Sie hat damit sozusagen unsere Namen ersetzt, aber warum, weiß ich auch nicht so genau. Wenn wir wieder dort sind, kann ich dir den Brief zeigen. Aber das war noch nicht alles, weil Glina und ich noch mehr wissen wollten. Wir haben ein riesiges dickes Buch gefunden, in dem praktisch alles über Para aufgeschrieben worden ist! Da gab es auch ein Kapitel über die goldene Taschenuhr

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