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Para - Das Schicksal liegt in euren Händen.... Zeraphina Cloud
Читать онлайн.Название Para - Das Schicksal liegt in euren Händen...
Год выпуска 0
isbn 9783347063846
Автор произведения Zeraphina Cloud
Жанр Учебная литература
Серия Para
Издательство Readbox publishing GmbH
Die Uhr im Wohnzimmer tickte laut. Handix seufzte. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, unnahbar und griesgrämig zu sein, damit er sich sämtliche Menschen vom Hals halten konnte, mit Erfolg. Aber mit einem hatte er dabei wirklich nicht gerechnet: Die Art und Weise, wie Nex ihn angesehen hatte, als sie sich vor acht Tagen auf der Terrasse begegnet waren. Es war, als hätte der Junge ganz genau gewusst, dass er sie beide im Stich gelassen hatte… Und dann hatte Nex ihm auch noch das Leben gerettet.
Handix schüttelte den Kopf und beschloss, dass er besser wieder ins Bett gehen sollte, wobei er im zweiten Stock einen möglichst weiten Bogen um Nex´ Zimmertür machte. Er wollte gar nicht wissen, was das für Träume waren, von denen sein Neffe heimgesucht wurde, aber er bewunderte die Entschlossenheit des Jungen. Allein die Tatsache, dass die Kinder den Schaden, der heute Nachmittag entstanden war, wiedergutmachen wollten, beeindruckte ihn. Er selbst hätte nicht die Kraft dazu, aber er wusste, dass er dieses Mal nicht kneifen durfte. Er würde ihnen helfen.
Handix wollte es sich nicht eingestehen, aber er tat es nicht aufgrund des Versprechens, das er Mandi gegeben hatte. Er tat es, weil er die Kinder irgendwie doch gernhatte. Sieben Jahre waren nicht genug gewesen, um die Liebe vollständig aus seinem Herzen zu verbannen.
Recherche
Der Morgen begann grau und windig. Obwohl Nex wieder so schlecht geschlafen hatte wie die anderen Tage auch, musste er feststellen, dass er dieses Mal keine Kopfschmerzen hatte. Dafür taten ihm andere Körperteile weh. Er hatte die Prügelei deutlich unterschätzt, aber woher sollte er denn wissen, wie stark Glatzkopf zuschlagen konnte? Er schleppte sich in den dritten Stock, wo die einzigen Duschen waren, und ließ kaltes Wasser über sich laufen. Aus irgendeinem Grund musste er an seine Eltern denken. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihm breit, als er daran dachte, dass die beiden Menschen, die ihm so viel Liebe entgegengebracht hatten, einfach gestorben waren.
Mit dreizehn Jahren war er Vollwaise. Liah war erst zehn. Er dachte an diese Frau aus dem Jugendamt, eine gewisse Tanja Simons, die ihnen erklärt hatte, dass sie eine Villa von Tante Mandi geerbt hatten und dort sechs Wochen lang mit Onkel Handix wohnen würden. Mit seinem Onkel!
Nex war alles andere als begeistert gewesen, immerhin hatte dieser Typ sie sieben Jahre lang ignoriert und war noch nicht einmal zur Beerdigung seines eigenen Bruders gekommen. Was für ein Familienzusammenhalt. Und dann hatten Liah und Nex feststellen müssen, dass in dieser Villa merkwürdige Dinge passierten, etwas, das so unlogisch war, dass der Junge unbedingt hatte herausfinden müssen, was los war. Aber er hätte nie gedacht, dass es sich bei all dem um eine weitere Welt handelte, Para, die seine Schwester und er, im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen, betreten konnten, weil sie Wechsler waren. Und dann war da noch Glina, die sie in Para getroffen hatten, und die ganzen Gesetzmäßigkeiten, die die beiden Welten betrafen und… Nex schüttelte den Kopf. Es war einfach unglaublich viel, was er verstehen musste, und er konnte das jetzt unmöglich alles in Gedanken durchgehen.
Außerdem musste er heute wieder in die Schule gehen, weil das Jugendamt beschlossen hatte, Liah und ihn für die paar Wochen, die sie hier sein würden, zum Unterricht zu schicken. Seiner Meinung nach war das überflüssig. Dachten die wirklich, dass das zwischen ihnen und Onkel Handix funktionieren würde? Okay, gut, Handix hatte sich in den letzten Tagen als gar nicht so schlecht erwiesen, aber ob sie wirklich jahrelang zusammenwohnen konnten? Nex bezweifelte es.
Er stieg aus der Dusche und zog sich an, dabei warf er sich im Spiegel einen Blick zu. Er hatte die goldbraunen Haare und waldgrünen Augen seines Vaters geerbt. Seine Nase war immer noch blutverschmiert, dabei hatte er sie gestern abgewaschen. Dazu der Bluterguss auf der linken Seite seines Gesichts. Die anderen Ergüsse und Prellungen, die er hatte, zählte er besser nicht mit. Er spritzte sich nochmal Wasser ins Gesicht und atmete tief durch. Sein zweiter Schultag hier und er sah wirklich furchtbar aus. Egal. Er ging nach unten in die Küche, die, wie die meisten Zimmer in der Villa, wirklich altmodisch aussah und dazu noch ziemlich trostlos wirkte. Überrascht musste Nex feststellen, dass sein Onkel Brötchen gekauft hatte. Wahrscheinlich war das seine Art, sich zu entschuldigen oder zu bedanken, je nachdem. Nex konnte immer noch nicht fassen, dass er sich beinahe hätte erschießen lassen, um seinem Onkel aus der Klemme zu helfen. Andererseits hatten sie jetzt einen Waffenstillstand vereinbart, also war das schon okay.
Als Nex sich setzte, protestierte sein ganzer Körper, aber er biss die Zähne zusammen und sagte nichts. Liah sah ihn von der Seite aus an. Sie hatte die gleiche Haarfarbe wie er, aber gelbbraune Augen und war erschreckend dünn, obwohl sie durchaus gut essen konnte. Handix saß den Kindern gegenüber, seine staubgrauen Augen strahlten dauerhaft schlechte Laune aus. Sein Haar war braunschwarz und er musste sich dringend wieder rasieren. Sie aßen schweigend, wie eigentlich immer. Normalerweise war Liah nicht besonders still, aber für die Mahlzeiten machte sie mittlerweile eine Ausnahme, was wohl daran lag, dass sie beim ersten Mal so viele Fragen gestellt hatte, dass Onkel Handix kurz vorm Kollabieren gewesen war. Außerdem schien sie zu merken, dass niemand reden wollte.
Nach dem Essen standen die Kinder auf und wollten schon nach oben gehen, um ihre Sachen zu holen, als Handix sie unterbrach.
„Wartet“, sagte er mit seiner mürrischen Stimme und die beiden drehten sich um. Nex hob eine Braue. Sein Onkel musterte ihn schnell.
„Vielleicht wär´s besser, wenn du heute hierbleibst“, bemerkte er, aber der Junge schüttelte den Kopf.
„Ich lasse Liah doch nicht allein“, widersprach er und wusste genau, warum er das sagte.
Gestern hatten ihnen diese Männer vor der Schule aufgelauert. Sie hatten nach Para wechseln und von dort aus nach Hause gehen müssen. Nach Hause. Wieso dachte er so? In ein paar Wochen waren sie doch ohnehin wieder weg! Handix stieß die Luft aus, sein Gesicht war unmöglich zu deuten.
„Gut. Musst du wissen“, antwortete er schließlich und wandte sich dem Geschirr zu.
Apropos Geschirr. Was wohl Moona von ihnen dachte? Schließlich hatte sie gestern den ganzen Lärm gehört und das ein oder andere zerstörte Möbelstück gesehen. Und einen demolierten Nex. Seit ihren verzweifelten und möglicherweise unglaubwürdigen Erklärungen hatte Nex die Putzfrau nicht mehr gesehen.
Die Kinder holten ihre Rucksäcke (Nex hatte den seinen vor ein paar Jahren von seinem Vater bekommen) und Handix fuhr sie wieder zur Schule, die sich zwei Städte weiter befand und eine Autofahrt von zwanzig Minuten bedeutete.
Der Junge wusste immer noch nicht, wo sein Onkel das Auto bei der Villa abgestellt hatte, denn in all den Tagen, die er hier verbracht hatte, hatte er es nie zu Gesicht bekommen.
Dieses Mal waren die Männer nirgends zu sehen. Nex wusste nicht genau, wer sie waren, aber sie wussten von Para und jetzt hatten zumindest zwei von ihnen einen Weg gefunden, dorthin zu gelangen, obwohl sie keine Wechsler waren. So ein Chaos wegen einer goldenen Taschenuhr.
In der Klasse, sie war nicht besonders groß, starrten ihn alle an, weil er einen ordentlichen Bluterguss im Gesicht hatte, aber Nex ignorierte sie und setzte sich neben Sebastian, dem einzigen hier, der sich ihm namentlich vorgestellt hatte. Er erinnerte Nex ein wenig an seinen besten Freund Paul, weil er auch so direkt und gut gelaunt war. Paul. Was er wohl gerade tat? Ob er ihn vermisste? Ob er sich bereits damit abgefunden hatte, dass sie sich vielleicht nie wiedersehen würden? Denn selbst wenn Liah und er nicht bei Onkel Handix bleiben würden, hieß das nicht, dass sie wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrten. Bei wem sollten sie auch wohnen? Bei Beatrice? Sie war die beste Freundin ihrer Mutter, aber furchtbar unorganisiert und kam auch nicht so gut mit Kindern zurecht.
Nex riss sich wieder zusammen und versuchte sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Trotzdem wanderten seine Gedanken immer wieder zu Glina, seiner Freundin, die in Para lebte und sich jetzt mit Gelbauge und Glatzkopf herumschlagen musste. Und ja, Glina war ein Glühwürmchen und mit einem Insekt befreundet zu sein war verrückt, aber so war Para nun mal.
Irgendwie überlebte