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war eine Stadt, und die leuchtenden Goldflecken waren Laternen und Reihen von erhellten Fenstern. Sämtliche Meeresungeheuer, die er zu sehen geglaubt hatte, waren Boote und Schiffe, die rund um die Insel vor Anker lagen. An der Landseite waren es zumeist Ruderboote und Schaluppen und kleine Küstendampfer. Doch zur See lagen gepanzerte Kriegsschiffe, einige breit mit unglaublich dicken, nach hinten geneigten Schornsteinen, andere lang und schmal und so geformt, dass sie wie Fische durchs Wasser gleiten konnten.

      Was mochte das für eine Stadt sein? Ja, das fand der Junge bald heraus, denn sein Großvater war einmal Matrose bei der Marine gewesen. Jeden Tag, solange er lebte, hatte er von Karlskrona erzählt, von der großen Marinewerft, von den Kriegsschiffen und allem, was es sonst noch in dieser Stadt gab. Deshalb fühlte sich der Junge hier gleich wie zu Hause und freute sich, dass er nun all das sehen sollte, wovon er so viel gehört hatte.

      Doch er konnte die Türme und die Befestigungen, die die Einfahrt zum Hafen verschließen, nur flüchtig wahrnehmen, denn Akka ließ sich sogleich auf einem der abgeflachten Kirchtürme nieder.

      Der Junge fand es selbst merkwürdig, dass er nicht liegen bleiben und den Morgen abwarten konnte, um die Schiffe zu besichtigen. Er hatte wohl keine fünf Minuten geschlafen, da kroch er vorsichtig unter dem Flügel hervor und kletterte am Blitzableiter und an den Wasserrinnen hinunter.

      Bald stand er auf dem großen Marktplatz, der sich vor der Kirche ausbreitete. Wer an ein Leben in der Wildnis oder weit weg auf dem Lande gewöhnt ist, dem wird stets ängstlich zumute, wenn er in eine Stadt kommt, wo die Häuser steif und gerade stehen und die Straßen so offen sind, dass einen jeder sehen kann. So erging es nun dem Jungen. Wie er da auf dem großen Marktplatz von Karlskrona stand und die Deutsche Kirche und das Rathaus und die Große Kirche betrachtete, von der er gerade herabgestiegen war, da hatte er nur noch den Wunsch, möglichst schnell auf den Turm zu den Gänsen zurückzukehren.

      Zum Glück war der Marktplatz vollkommen leer. Kein Mensch war zu sehen, falls man nicht eine Statue auf einem hohen Sockel mitrechnete. Der Junge schaute sie lange an: Es war ein großer, ungeschlachter Kerl mit einem Dreispitz, einem langen Rock, Kniehosen und klobigen Schuhen – wer mochte das wohl sein? Er hielt einen langen Stock in der Hand und sah aus, als könnte er ihn auch gebrauchen, denn sein Gesicht mit der großen Habichtsnase und dem hässlichen Mund wirkte entsetzlich streng.

      »Was hat denn diese Großlippe hier zu suchen?«, fragte der Junge schließlich. Er war sich noch nie so klein und jämmerlich vorgekommen wie an diesem Abend, und deshalb versuchte er, sich durch eine kecke Bemerkung Mut zu machen. Ohne weiter an dieses Standbild zu denken, begab er sich dann in eine breite Straße, die zum Meer hinunterführte.

      Doch er war noch nicht weit gekommen, da hörte er, dass er verfolgt wurde. Hinter ihm stapfte jemand mit schweren Schritten und stieß einen beschlagenen Stock auf den Boden. Es klang, als hätte sich der Bronzemann vom Markt persönlich auf die Wanderschaft gemacht.

      Während der Junge die Straße hinuntereilte, lauschte er auf die Schritte und wurde sich immer sicherer, dass es der Bronzemann war. Der Boden zitterte, und die Häuser bebten. Diese schweren Schritte – das konnte kein anderer sein, und als der Junge daran dachte, was er gerade zu ihm gesagt hatte, bekam er es mit der Angst. Er getraute sich nicht, den Kopf zu drehen und nachzusehen, ob er es wirklich war.

      »Vielleicht geht er nur zum Vergnügen spazieren«, dachte der Junge. »Er kann mir meine Worte vorhin doch wohl nicht übelgenommen haben. Es war ja nicht böse gemeint.«

      Anstatt geradeaus zu gehen und den Weg zur Werft zu suchen, bog der Junge in eine Straße ab, die nach Osten führte. Er wollte dem Kerl, der hinter ihm her war, um jeden Preis entkommen.

      Doch gleich darauf hörte er, dass auch der Bronzemann in diese Straße einbog, und da erschrak er so heftig, dass er nicht ein noch aus wusste. Wie sollte er in einer Stadt, wo alle Tore verschlossen waren, einen Schlupfwinkel finden? Da entdeckte er zur Rechten, ein Stück von der Straße entfernt und mitten in einer großen Parkanlage, eine alte Holzkirche. Ohne einen Augenblick zu überlegen, stürzte er in diese Richtung. »Wenn ich es nur bis in die Kirche schaffe, dann bin ich wohl vor allem Bösen beschützt«, meinte er.

      Im Laufen erblickte er plötzlich einen Mann, der an einem Sandweg stand und ihm zuwinkte. »Der will mir sicher helfen«, dachte der Junge, freute sich sehr und eilte zu ihm. Er hatte wirklich so große Angst, dass ihm das Herz in der Brust hämmerte.

      Doch als er den Mann erreichte, der auf einem kleinen Schemel am Wegesrand stand, verlor er die Fassung. »Der kann mir doch nicht zugewinkt haben«, dachte er, denn wie er jetzt sah, war der ganze Mann aus Holz.

      Er blieb stehen und starrte ihn an. Der Mann war grob geschnitten, hatte kurze Beine, ein breites, rotwangiges Gesicht, glänzend schwarze Haare und einen schwarzen Vollbart. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Holzhut, auf dem Leib einen braunen Holzrock, um den Bauch eine schwarze Holzschärpe, an den Beinen weite, graue Holzkniehosen und Holzkniestrümpfe und an den Füßen schwarze Holzstiefel. Er war frisch gestrichen und frisch gefirnisst, so dass er im Mondschein blitzte und blinkte, und das verlieh ihm wohl auch einen so gutmütigen Ausdruck, dass der Junge sogleich Vertrauen zu ihm fasste.

      In der linken Hand hielt er eine Holztafel, und der Junge las darauf:

      Mit matter Stimme zwar

      Bitt ich euch, seid so gut,

      Reicht mir ein Goldstück dar,

      Legt’s unter meinen Hut!

      Aha, der Kerl diente nur als Armenbüchse. Der Junge, der etwas ganz Besonderes erwartet hatte, fühlte sich nun enttäuscht. Da fiel ihm ein, dass Großvater auch von diesem Holzmann erzählt und berichtet hatte, wie gern ihn alle Kinder von Karlskrona hätten. Das stimmte gewiss, und auch ihm fiel es schwer, sich von dem hölzernen Mann zu trennen.

      Der Junge betrachtete ihn mit so viel Vergnügen, dass er den anderen, vor dem er weglaufen wollte, vollkommen vergaß. Doch jetzt hörte er, dass dieser von der Straße abbog und den Kirchhof betrat. Der Kerl kam also auch hierher! Wohin sollte sich der Junge nun wenden?

      Im gleichen Augenblick sah er, dass sich der Holzmann zu ihm herunterbeugte und ihm seine große, breite Hand entgegenstreckte. Man konnte ihm ganz einfach nichts Böses zutrauen, und mit einem Satz sprang der Junge in seine Hand. Der Holzmann hob ihn empor und steckte ihn unter seinen Hut.

      Kaum war der Junge in Sicherheit, kaum hatte der Holzmann seinen Arm wieder am rechten Platz, da blieb der Bronzemann vor ihm stehen und stieß den Stock so hart auf den Boden, dass der Hölzerne auf seinem Schemel erbebte. Dann fragte der Bronzemann mit lauter, klingender Stimme: »Wer ist Er denn?«

      Der Arm des Holzmanns flog so schnell in die Höhe, dass es in dem alten Holzwerk knackte, und als er antwortete, legte er die Hand an die Hutkrempe: »Rosenbom, mit Verlaub, Euer Majestät. Weiland Oberbootsmann auf dem Linienschiff ›Kühnheit‹, nach beendigtem Kriegsdienst Kirchenwächter der Admiralitätskirche, schließlich in Holz geschnitzt und auf dem Kirchhof als Armenbüchse aufgestellt.«

      Als der Junge den Holzmann »Euer Majestät« sagen hörte, schrak er zusammen. Wenn er recht überlegte, wusste er auch, dass die Statue auf dem Marktplatz den Gründer der Stadt darstellte. Er war an keinen Geringeren als König Karl XI. leibhaftig geraten.

      »Er versteht es, über sich Auskunft zu geben«, sagte der Bronzemann. »Kann Er mir nun auch sagen, ob Er einen kleinen Knaben gesehen hat, der heute Nacht in der Stadt herumläuft? Das ist eine naseweise Kanaille, und wenn ich ihn zu packen bekomme, dann will ich ihn schon Mores lehren.« Dabei stieß er den Stock noch einmal auf den Boden und sah entsetzlich böse aus.

      »Mit Verlaub, Euer Majestät, ich habe ihn gesehen«, sagte der Holzmann, und der Junge, der zusammengekrümmt unter dem Hut saß und den Bronzemann durch einen Riss im Holz wahrnehmen konnte, begann vor Angst zu zittern. Doch er beruhigte sich, als der Holzmann fortfuhr: »Euer Majestät sind auf der falschen Spur. Dieser Knabe hatte gewiss die Absicht, sich in der Werft zu verstecken.«

      »Meint Er das, Rosenbom? Ja, dann soll Er nicht länger auf seinem Schemel stehen, sondern mitkommen und mir bei der Suche nach ihm helfen! Vier Augen

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