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Junge und war gar nicht verärgert. »Ich bin Däumling, der Reisekamerad von Gänserich Martin«, fuhr er fort.

      Tiere können manchmal etwas an sich haben, dass man sich fragt, ob sie nicht verwandelte Menschen sind. So ähnlich verhielt es sich mit der Graugans. Sowie sich der Däumling vorgestellt hatte, neigte sie sehr anmutig Hals und Kopf und sagte mit einer so lieblichen Stimme, dass man nicht glauben konnte, eine Gans zu hören: »Ich freue mich sehr, dass du hergekommen bist, um mir beizustehen. Der weiße Gänserich hat mir erzählt, dass niemand so klug und gut ist wie du.«

      Das sagte sie mit einer solchen Würde, dass der Junge richtig verlegen wurde. »Das kann doch wohl kein Vogel sein«, dachte er. »Das ist bestimmt eine verzauberte Prinzessin.«

      Jetzt wollte er ihr wirklich gern helfen und steckte seine kleinen Hände unter ihre Federn, um den Flügelknochen abzutasten. Der war zwar nicht gebrochen, doch mit dem Gelenk war etwas nicht in Ordnung. Sein Finger spürte, dass die Gelenkhöhle leer war. »Gib acht!«, sagte er, packte den Knochen mit festem Griff und fügte ihn dort ein, wo er sitzen sollte. Er machte seine Sache recht flink und gut, doch die arme Junggans schrie gellend auf und sank zwischen die Steine, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben.

      Der Junge bekam einen furchtbaren Schreck. Da hatte er ihr helfen wollen, und jetzt war sie tot. Mit einem langen Satz sprang er vom Steinhaufen und lief davon.

      Am nächsten Morgen hatte sich der Nebel verzogen, die Luft war klar, und Akka gab das Zeichen zum Aufbruch. Alle anderen waren dazu bereit, nur der weiße Gänserich machte Einwände. Doch Akka hörte nicht auf ihn, sondern flog los.

      Der Junge sprang dem Gänserich auf den Rücken, und der Weiße folgte der Schar, obgleich langsam und unwillig. Der Junge war sehr froh, dass sie von der Insel aufbrachen. Er hatte Gewissensbisse wegen der Graugans. Gleichzeitig wunderte er sich, dass es der Weiße übers Herz brachte, sie zu verlassen.

      Plötzlich aber machte der Gänserich kehrt. Die Sehnsucht nach der jungen Gans hatte ihn überwältigt. Aus der Lapplandreise mochte werden, was wollte. Er konnte nicht mitfliegen, wenn er wusste, dass sie krank und einsam dalag, dem Hungertod preisgegeben.

      Mit ein paar Flügelschlägen hatte er den Steinhaufen erreicht. Doch zwischen den Steinen lag keine graue Junggans mehr.

      »Daunenfein! Daunenfein! Wo bist du?«, rief der Gänserich.

      »Sicher hat der Fuchs sie geholt«, dachte der Junge. Doch im selben Moment hörte er eine liebliche Stimme dem Gänserich antworten: »Hier bin ich, Gänserich, hier bin ich! Ich habe nur ein Morgenbad genommen.« Und aus dem Wasser kam die kleine Graugans, gesund und munter, und erzählte, der Däumling habe ihren Flügel eingerenkt. Sie sei nun völlig genesen und bereit, an der Reise teilzunehmen.

      Die Wassertropfen auf ihren seidig schimmernden Federn glänzten wie Perlen, und wieder dachte der Däumling, dass sie eine richtige kleine Prinzessin sei.

      Der große Schmetterling

      Mittwoch, den 6. April

      Die Gänse flogen an der langgestreckten Insel entlang, die deutlich unter ihnen sichtbar war. Der Junge erkannte nun, dass sie im Inneren aus einer kahlen Hochebene bestand, mit einem breiten Kranz von gutem, fruchtbarem Land an den Küsten. Da wurde ihm der Sinn einer Erzählung klar, die er am Abend zuvor gehört hatte.

      Er hatte gerade an einer der vielen Windmühlen auf der Hochebene gesessen und sich ausgeruht, da waren zwei Schäfer mit ihren Hunden und einer großen Schafherde im Gefolge herangezogen. Der Junge hatte keine Angst gehabt, denn unter der Treppe der Mühle war er gut versteckt. Doch nun ergab es sich, dass die Hirten auf eben dieser Treppe Platz nahmen. Da blieb dem Jungen nichts weiter übrig, als sich still zu verhalten.

      Der eine Schäfer war jung und sah aus wie die meisten Leute. Der andere aber war ein seltsamer alter Kauz. Er hatte einen großen, knochigen Körper, jedoch einen kleinen Kopf und weiche, sanfte Gesichtszüge. Es schien, als wollten Körper und Kopf überhaupt nicht zusammenpassen.

      Als er eine Weile stumm dagesessen hatte, begann er mit seinem Kameraden ein Gespräch. Dieser holte Brot und Käse aus seinem Beutel und machte sich an seine Abendmahlzeit. Er antwortete kaum, hörte jedoch sehr geduldig zu.

      »Jetzt will ich dir etwas erzählen, Erik«, sagte der alte Schäfer. »Mir ist der Gedanke gekommen, dass in früheren Zeiten, als Menschen und Tiere viel größer waren als heutzutage, wohl auch die Schmetterlinge eine ganz unglaubliche Größe erreichten. Und da gab es einmal einen Schmetterling, der war viele Meilen lang, und seine Flügel waren breit wie Seen. Sie waren blau und silberglänzend und so prächtig, dass ihm alle anderen Tiere nachschauten, wenn er durch die Luft flog.

      Natürlich war es für ihn ein Nachteil, dass er zu groß war. Die Flügel konnten ihn nur mit Mühe tragen. Doch alles wäre noch gut gegangen, wäre er nur so klug gewesen und über dem Land geblieben. Das aber tat er nicht, sondern er begab sich hinaus auf die Ostsee. Und er war gar nicht weit geflogen, da kam ihm der Sturm entgegen und zerzauste ihm die Flügel. Ja, Erik, es lässt sich leicht vorstellen, was passieren musste, als der Ostseesturm die zarten Schmetterlingsflügel in die Finger bekam. Es dauerte nicht lange, da waren sie ausgerissen und davongewirbelt, und der arme Schmetterling fiel natürlich ins Meer. Zuerst schleuderten die Wellen ihn hin und her, dann warfen sie ihn auf ein paar Klippen vor Småland, und da blieb er liegen, in seiner ganzen Größe und Länge.

      Nun denke ich mir, Erik, dass der Schmetterling auf dem festen Land bald verwittert und zerfallen wäre. Aber weil er ins Meer gefallen war, wurde er von Kalk durchsetzt und so hart wie Stein. Du weißt ja, dass wir am Strand Steine gefunden haben, die waren nichts weiter als versteinerte Würmer. Und ich glaube nun, dass es dem großen Schmetterlingskörper genauso erging. Ich glaube, als er da in der Ostsee lag, da wurde er zu einer langen, schmalen Klippe. Meinst du nicht auch?«

      Er wartete auf eine Antwort, und der andere nickte ihm zu. »Erzähl weiter und lass mich hören, worauf du hinaus willst!«, sagte er.

      »Jetzt pass mal auf, Erik, diese Insel Öland, auf der wir beide leben, die ist nichts anderes als der alte Schmetterlingskörper. Man braucht nur nachzudenken, dann merkt man, dass sie ein Schmetterling ist. Im Norden hat man den schmalen Oberkörper mit dem runden Kopf und im Süden den Unterkörper, der erst breiter und dann schmaler wird und in einer scharfen Spitze endet.«

      Hier machte er wieder eine Pause und sah den Gefährten an, als sei er unsicher, wie diese Behauptung aufgenommen würde. Aber der Jüngere forderte ihn nur nickend zum Weitersprechen auf.

      »Als nun der Schmetterling in einen Kalksteinfelsen verwandelt war, kamen mit dem Wind vielerlei Samen von Kräutern und Bäumen zu ihm geflogen und wollten Wurzeln schlagen. Doch auf dem kahlen, glatten Stein fanden sie schwer einen Halt. Es dauerte lange, bis dort etwas anderes als Riedgras gedieh. Dann kamen Schafschwingel, Sonnenröschen und Dornengebüsch. Auf Alvaret, der Kalksteinebene, ist die Pflanzendecke heute noch so dünn, dass der Fels nicht überall bedeckt ist, sondern hier und da hervorschimmert. Und niemand kann davon träumen, auf dieser dünnen Erdschicht zu pflügen und zu säen.

      Wenn du mir nun darin zustimmst, dass die Kalksteinebene und die Strandwälle rundherum aus dem Schmetterlingskörper entstanden sind, dann kannst du mit Recht fragen, woher das Land unterhalb davon gekommen ist.«

      »Ja, genau«, sagte der Schäfer kauend, »das hätte ich gern gewusst.«

      »Du musst bedenken, dass Öland schon seit vielen, vielen Jahren im Meer liegt, und in dieser Zeit hat sich alles, was in den Wellen treibt, Tang und Sand und Muscheln, rings um die Insel angesammelt und ist liegen geblieben. Und vom östlichen wie vom westlichen Strandwall fielen Kies und Steine. Auf diese Weise sind die breiten Uferstreifen entstanden, und darauf können Getreide und Blumen und Bäume wachsen.

      Hier oben, auf dem harten Schmetterlingsrücken, weiden nur Schafe und Kühe und Ponys; hier wohnen nur Kiebitz und Brachvogel, und an Bauten gibt es nur Windmühlen und ein paar armselige Steinunterkünfte, in denen wir Hirten uns verkriechen. Doch unten am Strand gibt es große Bauerndörfer und Kirchen und Pfarrhöfe

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