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Amalia Wackerzahn.“

      Und wo sie schon gerade einmal dabei waren, sich vorzustellen, da erzählte Tysja auch, dass sie das Haus von ihrer Großtante, der Tante ihres Vaters, der leider viel zu früh verstorben war, geerbt hatte.

      Die Spinne hörte aufmerksam zu. „Och“, sagte sie, „dann bist du ja die Tochter vom kleinen Fritz. Den hab ich gut gekannt!“

      Und in der Tat, so war es. Fritz, so hatten die Leute Tysjas Vater genannt, Fritz Fliegendreck. Es gab keinen Zweifel mehr, die Spinne kannte sich in Tysjas Familiengeschichte sehr gut aus.

      Nun aber war es an der Zeit, das kleine Häuschen, das ordentlich gereinigt ein ganz besonderes Flair ausstrahlte, einzurichten.

      Hexen ziehen natürlich nicht von einer Wohnung zu anderen um wie Familie Müller, Meier, Schulze oder Schmidt. Nein, wer das denkt, der täuscht sich mächtig.

      Natürlich hatte Tysja all ihre Sachen schon dabei, da musste kein Möbelwagen vorfahren, da musste nun ein schwarzer alter Koffer ziemlich gute Dienste verrichten.

      Den holte Tysja nun aus dem anderen Zimmer herbei, wuchtete das schwere Teil auf das Bett, öffnete ihn und holte diverse winzig kleine Gegenstände heraus, die sie sorgsam auf den Boden legte.

      „Ja, wo ist er denn?“, fragte sie ganz in Gedanken versunken, steckte den Kopf ganz tief hinein in den Koffer, verblieb eine Weile in dieser ungewöhnlichen Position, die manchen Betrachter sicher zu mehr als einem Schmunzeln animiert hätte. Kroch dann – mehr oder weniger behäbig – wieder aus dem Koffer heraus und hielt ihren Zauberstab in der Hand, der, weil wohl einige Gegenstände im Koffer auf ihm gelegen hatten, ein wenig krumm ausschaute.

      Jetzt auch fiel Tysja ein, dass sie genau diesen vorhin für ihre kleine Hexerei beim Aufräumen nicht benutzt hatte – und so hatte selbst beim richtigen Zauberspruch aus der ganzen Sache nichts werden können. Manchmal war die kleine Hexe eben ein bisschen vergesslich.

      Jetzt aber, wo sie das gute Teil in Händen hielt, schwang sie ihn durch die Lüfte, dass es nur so zischte. Hielt aber noch einmal inne, richtete ihn ein wenig, denn krumme Zauberstäbe hexen bekanntlich nicht so gut, ging in den Flur, nahm ihren rot-schwarz gepunkteten Zauberhut vom Haken, den sie beim Betreten des Hauses hier abgelegt hatte, und setzte ihn auf. Nun konnte jeder sehen, dass der Hut so groß war, das Tysja darunter kaum noch zu erkennen war.

      „Jetzt wird’ s wohl funktionieren mit der Zauberei“, sagte sie, nachdem sie in ihr Zimmer zurückgekehrt war mit einem Blick zur Lampe, auf der noch immer Amalia saß und der Dinge harrte, die da passieren sollten.

      „Probier’s doch mal mit Abrakadabra“, empfahl sie Tysja.

      Doch die schüttelte nur den Kopf. „Ne, ne“, antwortete sie, „ich hab da meinen ganz eigenen Spruch.“ Sprach es, drehte sich dreimal im Kreise und hauchte dann leise vor sich hin: „Schlubber, Bubber, Erdbeergrubber!“

      Dabei schwang sie wieder den Zauberstab durch die Luft, der noch immer ein ganz klein wenig krumm aussah, und verteilte ein wenig Sternenstaub aus einem Streuer, den sie mit der linken Hand aus der linken Hosentasche gezogen hatte – und der wie ein ganz normaler Salzstreuer aussah.

      „So“, sagte sie, „das soll’s gewesen sein.“

      Sie hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da standen vor ihr die einst winzig kleinen Gegenstände, die sie aus dem alten Koffer geholt und auf dem Boden ordentlich aufgebaut hatte, in voller Größe vor ihr.

      Die Spinne oben auf der Lampe staunte nicht schlecht. Auch wenn sie mit allerlei Hexerei vertraut war, hatte sie doch noch nie gesehen, wie eine echte Hexe umzieht. So was kommt nämlich tatsächlich nur sehr sehr selten vor. Denn fühlt sich eine Hexe an einem Ort so richtig sauwohl, dann verlässt sie ihn kaum jemals freiwillig.

      In dem kleinen Zimmer bauten sich nun nach und nach zwei Stühle, ein Tisch, Bettdecke und -kissen, drei Tassen, vier Becher, sieben Gabeln, zwei Messer, vier Teller, zwei kleine und zwei große für Suppe oder Brei, und ein Regenschirmständer auf.

      „Mehr brauche ich zum Leben nicht“, strahlte Tysja nach getaner Arbeit und lud zugleich Amalia ein, an ihrem Tisch, den sie inzwischen fein säuberlich gedeckt hatte, Platz zu nehmen.

      Aus ihrem schwarzen Koffer, in den sie noch einmal ziemlich tief hineinkriechen musste, holte Tysja nach und nach ein Brot, einen Käse und eine Flasche Holunderbeersaft hervor. Dann ließen es sich Hexe und Spinne schmecken.

      „Hmmm, dein Käse, ein Gedicht“, bemerkte Amalia, die natürlich immer nur ganz wenige kleine Krümel zu sich nehmen konnte. „Einfach köstlich. So etwas Gutes habe ich schon seit vielen Jahren nicht mehr gegessen.“

      Die beiden so unterschiedlichen Zeitgenossen hatten binnen kürzester Zeit Freundschaft geschlossen. Es war, als würden sie sich bereits seit langer Zeit kennen.

      Mit einem kleinen Rülpserchen beendete die kleine Hexe das abendliche Mahl, denn längst war es draußen dunkel geworden.

      „Jetzt will ich erst einmal zu Bett gehen“, sagte sie, „es war schon ein ziemlich anstrengender Tag. Morgen werden wir dann sehen, was wir hier noch erledigen müssen.“

      Sie gähnte laut, kratzte sich hinterm Ohr und schlich zu dem Bett, das am Morgen noch mit einer dicken Staubschicht bedeckt gewesen war, jetzt aber himmlische Träume versprach.

      „Gute Nacht“, rief sie Amalia zu und war keine zwei Minuten später eingeschlafen.

      Auch Amalia, die Spinne, die schon viele Jahre in diesem Haus lebte, zog sich an ihren Lieblingsort zurück.

      Dass beide an diesem Abend vergaßen, die Zähne zu putzen, ist hier wahrscheinlich weniger von Belang. In dieser Nacht träumte Tysja von Spinnen und Hexenbesen, von Notaren, alten Decken und einem wunderbaren Leben, das vor ihr lag.

      *

      Ein Morgen voller Überraschungen

      Ein neuer Morgen war angebrochen, die kleine Hexe erwachte. Langsam wurde ihr bewusst, wo sie sich befand.

      „Na klar“, dachte sie, „ich bin ja in meinem neuen Haus in der Dümpelgasse 7.“ Sie schlug die Bettdecke zurück, schlüpfte in ihre kleinen lilafarbenen Hexenpantoffeln mit den goldenen Schnallen, die sie am Vorabend noch ordentlich vor ihrem Bett abgestellt hatte, und ging in die Küche.

      Wie überrascht war sie, als sie hier einen gedeckten Tisch vorfand, und was noch viel schöner war: duftenden, frisch aufgebrühten Kaffee. Dann erinnerte sich Tysja an ihre neue Freundin und rief: „Amalia, wo steckst du denn?“

      „Hier“, kam die Antwort prompt zurück, „hier hinter der Zeitung. Ich habe mir schon einmal erlaubt Frühstück zu machen und den Tisch mitsamt dem Geschirr und den vielen kleinen Köstlichkeiten in die Küche zu bringen.“

      „Perfekt“, freute sich Tysja, „so kann meinetwegen jetzt jeder Tag beginnen.“

      Die beiden ließen es sich an diesem Morgen so richtig gut gehen, sie frühstücken sehr ausgiebig. Neben Brot und Käse, beides hatte die kleine Hexe ja schon am Vorabend aus dem Koffer geholt, gab es jetzt auch noch selbst gekochte Erdbeermarmelade mit Pfirsichstückchen, Orangensaft und Honig.

      „Man gönnt sich ja sonst nichts“, strahlte Tysja Amalia an, die ob der herrlichen Dinge, die sich da auf dem Frühstückstisch wieder fanden, sprachlos geworden war.

      Kaum hatte Tysja den letzten Schluck Kaffee getrunken und sich den letzten Krümel des leckeren Brotes mit Marmelade vom Mundwinkel gewischt, da klingelte es an der Haustür.

      „Wer kann das sein?“, fragte sie mit einem Blick auf Amalia. „Ich habe noch keinem meine neue Adresse gegeben.“

      Doch die Freundin zuckte nur mit den Schultern. „Gäste habe ich schon lange nicht mehr empfangen. Keine Ahnung, wer das ist.“

      Zum

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