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eine weitere Variante.

      Kaum aber hatte sie diesen Satz zu Ende gesprochen, da brandete in dem kleinen, verwinkelten Haus ein ohrenbetäubender Lärm auf. Eine große, staubige Wolke kroch vom Erdgeschoss, dort wo sich Tysja in einem der drei Zimmer aufhielt, hinauf in die obere Etage, umwirbelte dabei das alte Treppengeländer und setzte sich schließlich unter der Decke im ersten Stock fest. Von dort ließ die Wolke sich erst nach Stunden wieder durch ein geöffnetes Fenster vertreiben – und erst nach heftigstem Zureden der kleinen Hexe.

      „Herrje!“, rief sie, als sie sah, was sie angestellt hatte. „Was ist denn nun wieder passiert! Wenn ich doch nur den richtigen Zauberspruch noch wüsste!!!“ Wollte sie nicht noch in Tagen hier wie angewurzelt stehen, so musste irgendetwas geschehen. Tysja schaute sich nach ihrem schwarzen Koffer um, öffnete ihn und zog Wischmob und Staubtuch, Lappen und Bürsten heraus, die sie vorsichtshalber eingepackt hatte.

      Sie sah sich um. „Gut, dann fange ich gleich hier in diesem Zimmer an und arbeite mich ganz langsam nach oben durch.“ Dicke Spinnweben hingen von der Decke, der Staub lag zentimeterdick auf einem kleinen Schränkchen, das in der Ecke stand. Und als Tysja ganz vorsichtig eine alte Decke lupfte, die über einem Bett ausgebreitet lag, da zerfiel diese in tausend Teile.

      „Oh je“, rief sie überrascht, „es wurde wohl wirklich allerhöchste Zeit, dass hier mal jemand nach dem Rechten sieht.“

      Tysja hatte erst vor wenigen Tagen erfahren, dass sie stolze Besitzerin eines Hauses in Hexenhausen ist. Die Stadt, die kannte sie natürlich von Kindesbeinen an. Hier war sie schließlich aufgewachsen. Aber dieses kleine verwunschene Häuschen, das sie nun ihr eigen nennen durfte, das hatte sie bis dato nicht gekannt. Nicht einmal von seiner Existenz gewusst.

      Ein Notar mit dem hübschen Namen Rechtsprecher hatte sie in ihrer alten Wohnung angerufen und ihr gesagt, dass eine entfernte Verwandte gestorben sei. Ihr, Tysja, habe sie nun das Haus mit samt dem Mobiliar vermacht.

      „Sie hieß Trine Wackerzahn und war die Tante deines Vaters“, erklärte der Notar ohne Umschweife. „Sie selbst hat, so weit ich weiß, nur wenige Jahre in dem Haus in der Dümpelgasse gewohnt, würde sich aber sehr freuen – und es dir anraten – wenn du es ihr nicht gleich tun würdest.“

      Genau so hatte es die entfernte Verwandte auf einem kleinen Zettel aufgeschrieben, den Rechtsprecher nun vorlas.

      Tysja hatte sich das nicht zweimal sagen lassen, sondern sofort ihren alten Koffer mit dem Nötigsten bepackt und war dann auf ihrem ausgefransten Hexenbesen zum Häuschen in besagter Straße geflogen, die am anderen Ende der Stadt lag. Hatte dabei aber noch einen kleinen Umweg eingeschlagen, schließlich musste der Notar ihr ja noch den Schlüssel für das Haus aushändigen.

      Überhaupt war ihr das Angebot des Notars gerade in diesem Augenblick sehr gelegen gekommen, hatte doch nur wenige Minuten vor dem Telefonat der Vermieter ihrer alten Wohnung die fristlose Kündigung ausgesprochen. Tysjas Hexereien, die eben nicht immer so klappten, wie sie eigentlich klappen sollten – waren ihm mächtig auf die Nerven gegangen. Nun winkte sie ihrem Vermieter mit dem schönen Namen Meisenheim beim Abflug noch einmal kurz zu, bereit für neue Abenteuer. Er allerdings schaute ein wenig erstaunt drein, denn mit einem so schnellen Auszug der kleinen Hexe mit den roten Haaren hatte er nicht gerechnet. Und eigentlich hatte er den Rauswurf auch gar nicht so böse gemeint.

      *

      *

      Eine Freundin auf der Lampe

      Hier stand sie nun, die kleine Hexe mit den roten Haaren, und hexte und fluchte leise vor sich hin, um ein wenig, wenigsten nur ein klein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen – in das Haus in der Dümpelgasse 7 in Hexenhausen.

      Sie hatte gerade die ersten Arbeiten erledigt, da fiel ihr ein: Sie hatte den Besen, ihren Hexenbesen vor der Tür vergessen. Und den braucht man ja bekanntlich, wenn man ein Haus so richtig in Ordnung bringen will.

      Da das Hexen nicht geklappt hatte, musste Tysja kräftig zupacken. Einzig der Besen verrichtete seine Arbeit ohne jede weitere Hilfe alleine, denn natürlich hatte er – als echter Hexenbesen – auch magische Kräfte.

      „Braver Besen“, hörte man Tysja dann auch öfter einmal murmeln, „wenn ich dich nicht hätte.“ Denn schließlich wollen auch echte Hexenbesen einmal gelobt werden.

      Nicht dass die Arbeit einfach gewesen wäre, nein, das konnte Tysja wahrlich nicht behaupten. Die kleine Hexe und ihr Besen hatten eine Menge zu tun. Sie fegten hier, schüttelten dort, wischen hinten, wienerten vorne.

      Doch irgendwann einmal war die Arbeit geschafft und Tysja schaute sich befriedigt um.

      „Fertig“, sagte sie nicht ohne Stolz und setzte sich auf das Bett, das jetzt, wo es vom Schutz befreit war, gar nicht so übel ausschaute mit seinen vielen Verzierungen und Schnörkeleien.

      „Das hier wird mein Zimmer“, überlegte Tysja laut. Ihr Blick ging zum Fenster, das nun – hübsch glänzend – die Augen in einen wunderschön verwilderten Garten einluden. Nur noch ein einziger kleiner schwarzer Fleck war zu sehen, der ließ sich beim besten Willen nicht abwischen.

      „Du kommst später dran“, dachte die kleine Hexe. Sie war sehr glücklich über ihr neues Zuhause und hatte ein strahlendes Lächeln aufgesetzt.

      Tysja betrachtete das Ölgemälde an der Wand, sah den Kerzenleuchter, der auf einer kleinen Anrichte stand.

      Plötzlich hörte sie eine Stimme, die etwas verschlafen klang.

      „Huch, was ist denn hier passiert!!“

      Tysja schaute sich um, konnte aber nichts und niemanden entdecken. „Ich habe mich wohl verhört“, dachte sie, „ich hab vielleicht doch ein wenig zu viel gearbeitet.“

      „Hier bin ich, du rothaariges Geschöpf“, hörte sie nach einer Weile die Stimme wieder. „Hier oben, hier auf der Lampe.“

      Tysja hob den Kopf, legte ihn langsam auf die Seite, kniff ein Auge zu, genau so, wie sie es sonst immer tat, wenn ihr etwas nicht so ganz geheuer war.

      „Wer bist du?“, fragte sie höflich. „Was machst du hier in meinem Haus?“

      „Was für eine dumme Frage“, entgegnete das Wesen auf der Lampe ein wenig schnippisch. Bei genauerem Hinsehen entpuppte es sich nun als Spinne. „Ich wohne natürlich hier, was wohl sonst!!“

      „Du wohnst hier?“, fragte Tysja erstaunt. Allerdings nicht darüber, dass die Spinne reden konnte, denn das war in einem Ort wie Hexenhausen ganz normal, sondern weil sie fest angenommen hatte, dass das Haus unbewohnt ist.

      „Notar Rechtsprecher hat mir nichts von einer Mitbewohnerin erzählt“, sagte die kleine Hexe in Richtung Spinne.

      „Ha, ha“, lachte diese plötzlich auf, „sag bloß der alte Rechtsverdreher lebt auch noch. Das gibt es doch nicht! Den hatte ich schon längst im ewigen Reich der alten Hexenmeister vermutet. Ne, ne, so was aber auch, der Rechtsprecher.“

      Dann entstand eine kurze Pause zwischen Tysja und der Spinne, die erst wieder unterbrochen wurde, als das achtbeinige Wesen, das immer noch auf der Lampe saß, sagte: „Ach ja, wie unhöflich von mir, ich bin Amalia Wackerzahn.“

      „Und ich bin Tysja, Tysja Fliegendreck“, antwortete die kleine Hexe. Seit dem Telefonat mit dem Notar hätte sie übrigens alles darum gegeben, auch den wundervollen Familiennamen Wackerzahn tragen zu dürfen wie die verstorbene Tante, von der sie bis dahin noch nie etwas gehört hatte. Aber sie hieß leider nur schlicht und einfach Fliegendreck, Tysja Fliegendreck, und war darüber mehr als unglücklich.

      „Fliegendreck! Wie sich das schon anhörte. Wie Schmutzfink“, hatte die kleine Hexe oft gedacht und sich einen anderen Namen gewünscht.

      Jetzt hatte sie also noch eine

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