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worden, der ihr einen nicht unbeträchtlichen Wert zubilligte.

      Jetzt war diese Madonnenstatue verschwunden!

      Dem Mann stockte der Atem, als er nähertrat. Holzspäne auf dem Steinboden zeugten davon, daß der oder die Täter die wertvolle Statue brutal von ihrem Sockel gesägt hatten. Er drehte den Kopf. Die Tür zur Sakristei war geöffnet. Von dort wehte ein kalter Luftzug. Der Mann schaltete das Licht ein und sah, daß die Scheibe des Fensters eingeschlagen war. Dahinter war der Friedhof, von dort mußten die Diebe eingedrungen sein.

      *

      Maximilian Trenker rekelte sich in seinem Bett. Wieder war das aufdringliche Klingeln des Telefons zu vernehmen. Mühsam rappelte der junge Mann sich auf. Er hatte sich also nicht verhört. Während er sich streckte und ausgiebig gähnte, ging er in das Dienstzimmer hinüber, das gleich neben seinem Schlafzimmer lag. Er nahm den Hörer ab und meldete sich.

      »Polizeistation Sankt Johann, Trenker am Apparat.«

      »Ich bin’s«, vernahm er die Stimme seines Bruders.

      »Gütiger Himmel, weißt du, wie früh es ist?«

      »Viertel nach vier«, antwortete Sebastian Trenker. »Max, du mußt sofort kommen. Jemand ist in die Kirche eingebrochen – die Madonna – sie ist gestohlen worden!«

      Max Trenker war mit einem Schlag hellwach.

      »Ich bin unterwegs«, rief er und warf den Hörer auf die Gabel.

      Während der Polizeibeamte in seine Kleider schlüpfte, ging Sebastian Trenker in seinem Arbeitszimmer unruhig auf und ab. Die Madonna gestohlen! Nie hätte er es für möglich gehalten, daß solch ein Verbrechen in dem beschaulichen Bergdorf vorkommen könne – und doch war es geschehen.

      Er unterbrach seine ruhelose Wanderung und schaute nachdenklich zu Boden. Dabei fiel sein Blick auf die Wanderschuhe, die er immer noch trug. Kopfschüttelnd setzte er sich und zog sie aus. Die Bergtour, die er für den heutigen Morgen geplant hatte, konnte er getrost vergessen. Daraus würde nun nichts mehr werden.

      Schade! Pfarrer Trenker war ein begeisterter Bergwanderer und Kletterer. Niemand, der den Geistlichen nicht kannte, hätte geglaubt, daß dieser sportliche, braungebrannte Endvierziger Pfar­rer ist. Auf den ersten Blick machte er den Eindruck eines agilen, durchtrainierten Touristen, und doch war es so. Eine unerklärliche Liebe zu den gewaltigen, schroffen und majestätischen Bergen trieb Sebastian Trenker immer wieder in schwindelnde Höhen. Dort oben, wo der Himmel zum Greifen nahe schien, dort war er seinem Herrgott noch näher, konnte er stumme Zwiesprache mit seinem Schöpfer halten. Und dort sammelte er neue Kraft für seinen schweren, aufopferungsvollen Beruf.

      Pfarrer Trenker war der gute Hirte seiner Gemeinde, der für jeden und alles ein offenes Ohr hatte. Er wußte Rat und Hilfe in verzwickten, oft ausweglosen Lebenslagen. Er liebte seine Gemeinde, und seine Gemeinde liebte ihn.

      Die Liebe zu den Bergen teilte er mit seinem Namensvetter, dem berühmten Bergsteiger, Schauspieler und Regisseur, Luis Trenker, und manchmal neckte ihn der eine oder andere Freund liebevoll mit diesem Vergleich, den Sebastian mit einem Schmunzeln abtat.

      Wer nicht über seine Liebe zu den Bergen schmunzelte, war Sophie Tappert, Sebastians Haushälterin und Perle im Pfarrhaus.

      Sie war eine herzensgute Frau, die in ständiger Sorge um ›ihren‹ Pfarrer lebte. Sie verstand er nicht nur Ordnung und Sauberkeit zu halten – ihre geradezu himmlischen Kochkünste verlockten dazu, mehr zu essen, als es der Linie guttat. Und würde Pfarrer Trenker sich nicht so viel sportlich betätigen und lieber in der gemütlichen Wohnstube des Pfarrhauses sitzen – er würde sich wohl alle paar Wochen eine neue Soutane zulegen müssen.

      Und es gab noch einen, der von Frau Tapperts Kochkünsten provitierte – Sebastians Bruder, Max, oft und gerngesehener Gast in der Pfarrhausküche, wo er sich immer wieder gerne zum Essen einlud. Was man ihm aber net unbedingt ansah. Max war rank und schlank, und das gefiel so manchem Madel… – da half es auch nichts, daß sein Bruder so manches Mal warnend den Finger hob.

      *

      Mit untrüglichem Gespür dafür, daß etwas Schlimmes geschehen war, wachte Sophie Tappert auf. Zwar konnte sie nicht verstehen, was der Herr Pfarrer sagte, aber, daß er aufgeregt telefonierte, war nicht zu überhören. Die Haushälterin schaute auf die Uhr. Nicht einmal halb fünf – wenn der Pfarrer so früh noch im Haus war, dann stimmte etwas nicht. Normalerweise war er schon unterwegs in die Berge – sehr zum Leidwesen seiner Perle, die ihm mehr als einmal prophezeite, er würde dort oben verhungern, oder erfrieren oder noch Schlimmeres.

      Inzwischen hatte sie es aufgegeben, mit Engelszungen auf ihn einzureden, allerdings – die stummen Blicke, die sie ihm zuwarf, wenn die Sprache auf das Thema Berge kam, waren deutlich genug.

      Frau Tappert stieg aus dem Bett und warf den Morgenmantel über. Dann schlüpfte sie in die blauen Hausschuhe und lief zur Treppe.

      »Was gibt’s denn, Herr Pfarrer?« fragte sie aufgeregt. »Ist etwas geschehen?«

      »In der Tat«, antwortete der Geistliche. »Wir sind bestohlen worden. Man ist in die Kirche eingebrochen und hat die Madonnenstatue geraubt.«

      »Was…?«

      Die erschrockene Frau bekreuzigte sich.

      »Das ist ja… Gotteslästerung ist das ja!«

      »Zunächst einmal ist es Einbruch und Diebstahl«, stellte der Pfarrer nüchtern fest. »Und das fällt erst mal in die Zuständigkeit vom Max. Er muß jeden Moment hier sein. Gell, Frau Tappert, sein S’ so gut und kochen S’ einen Kaffee für ihn. Wie ich meinen Bruder kenne, kann er mit leerem Magen nicht arbeiten.«

      Im selben Augenblick klingelte es an der Tür des Pfarrhauses. Sebastian Trenker öffnete, während die Haushälterin in die Küche eilte.

      »Grüß dich, Bruderherz«, sagte Max Trenker kopfschüttelnd. »Das sind ja schöne Neuigkeiten, mit denen du mich weckst.«

      »Ich hätt’ dich auch lieber ausschlafen lassen«, antwortete Sebastian und schüttelte die dargebotene Hand.

      Dann gingen sie zur Kirche hinüber und besahen die Bescherung genauer.

      »Da werd’ ich die Kollegen von der Kripo verständigen müssen«, meinte Max. »Bestimmt gibt es Spuren, die wir zwei nicht finden.«

      »Hoffentlich ist der Madonna nichts weiter geschehen«, meinte sein Bruder voller Besorgnis. »Die Diebe sind nicht gerade zimperlich vorgegangen.«

      Max betrachtete das verbliebene Holzstück in der Wand genauer.

      »Da ist nur der Sockel beschädigt«, meinte er. »Ich glaub’ net, daß sie der Figur selbst schaden. Schließlich wollen sie sie ja irgendwo wieder zu Geld machen. Komm, ich muß telefonieren.«

      Vom Pfarrhaus aus benachrichtigte Max Trenker die Kriminalpolizei, dann setzte er sich zu seinem Bruder und der Haushälterin in die Küche.

      Der Kaffee duftete herrlich, und auf dem Tisch stand knuspriges Brot, verlockende Marmeladen sowie Butter und Käse. Max, der acht Jahre jünger war als Sebastian, besaß einen ungeheuren Appetit, und ganz besonders die Kochkünste von Sophie Tappert hatten es ihm angetan. Niemals hätte der gutaussehende Bursche eine Mahlzeit abgelehnt. Doch der Madonnenraub war ihm auf den Magen geschlagen. Er trank nur einen Schluck Kaffee. Auch Pfarrer Trenker und seine Haushälterin rührten das Frühstück nicht an.

      So rechten Hunger hatte niemand mehr von ihnen.

      *

      Urban Brandner trieb mit eiligen Rufen die Kühe aus dem Pferch hinter der Hütte. Vierzig Stück waren es, die der alte Senner in seiner Obhut hatte. Die Tiere gehörten drei Bauern unten aus dem Tal, die sie den Sommer über hier oben auf der Alm ließen. Urban versorgte die Herde, morgens und abends wurden die Kühe gemolken, danach verarbeitete er die Milch gleich zu Butter und Käse, die einmal im Monat von den Bauern abgeholt wurden.

      Nachdem die Tiere an die Melkmaschine angeschlossen waren, ging der Alte hinüber

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