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später und wurde nach religiösen Feiertagen benannt, je nach Zugehörigkeit Ramadan – auch Tischrin – oder Jom Kippur. Als die Golfländer in die Frontstaaten gegen Israel investierten – Jordanien zählte nicht dazu –, waren Abu Satars einziger Gewinn syrische Baumwollunterwäsche in Übergrößen und schlecht sitzende T-Shirts.

      Abu Satar wendet sich wieder seinen Putzpflichten zu, wedelt eifrig zwischen Kleiderstangen Staub und steht irgendwann vor einem kurzen Regenmantel von Yves Saint Laurent und einer Kartonpyramide echter Charles-Jourdan-Schuhe. Wenn Krieg das Emporium zu dem gemacht hat, was es heute ist, dann hat keiner so viel dazu beigetragen wie der Libanesische.

      »Was für ein Gezänk …«, murmelt der Händler schmunzelnd. Er weiß nicht mehr, wann genau ihm seine Theorie zu Nationalität und Konflikt gekommen ist, aber es muss während der fünfzehn Jahre des Libanesischen Bürgerkriegs gewesen sein. Es stimmte damals und es stimmt noch heute: Was wirklich in einem Volk steckt, erkennt man weniger daran, aus welchen Gründen es kämpft, als daran, was es alles verkauft, um weiterzukämpfen. Der IS mag viel Öl besitzen und fanatisch brutal sein, doch die Überbleibsel seines Kalifats sind nichts verglichen mit einer Weltklassehauptstadt wie Beirut, deren ausrangierte Kleidungsstücke allein ausgereicht haben, um kleinere arabische Ökonomien quasi jahrzehntelang anzutreiben.

      Während Abu Satar die Plastikhülle um einen Kleiderständer zurechtzupft, überkommt ihn eine Welle der Zuneigung zu seinem besten Freund Hani. Sie kennen sich seit der Zeit der palästinensischen Flüchtlingslager. Als Hani damals mit den Kämpfern Jordanien verließ, war er noch ein Jugendlicher; ein Jahrzehnt später stand er dann plötzlich in Abu Satars Laden, von Kopf bis Fuß mit Klunkern behängt. Als Vermittler von Gütern und Dienstleistungen für einen General der Fatah verfügte Hani über einen Mercedes, einen Fahrer und eine rumänische Geliebte.

      Vor allem aber stieß Hani im Tausch gegen harte Währung Schwarzmarktartikel frisch von der Rue Hamra ab. Häufig legte er eine Fuhre nachgemachter Louis-quatorze-Möbel als kleines Schmankerl obendrauf. Abu Satars Gewinn aus seinem so erweiterten Inventar ermöglichte ihm eindrückliche Umbauten der Geschäftsräume. Seine Familie zog um, von hinter der Gardine im Laden raus in die Splendid Isolation am Rande der wachsenden Stadt. Doch der größte Bonus war ein riesiger Stromgenerator, eine weitere Sonderzahlung seines besten Kumpels. Der Generator animierte Abu Satar zur Image-Umstellung und Elektrifizierung des frisch getauften Schnäppchen-Emporiums, dessen blinkende Leuchttafel noch bis ins All sichtbar ist.

      Nach dem Ende des Libanesischen Bürgerkriegs fühlte sich Abu Satar lethargisch und deprimiert. Er fand, das Emporium habe schon bessere Zeiten gesehen. Da erwies ihm Saddam Hussein wie aus heiterem Himmel einen riesigen Gefallen, indem er in Kuwait einmarschierte. An der internationalen Koalition zur Bestrafung des irakischen Diktators beteiligte sich Abu Satars eigenes Land dankenswerterweise nicht.

      »Ein kluger König ist zuallererst Unternehmer«, verkündet Abu Satar, obwohl niemand da ist, der ihm zuhören würde, und wedelt begeistert mit dem Mikrofasertuch. Während der über zehn Jahre währenden UN-Sanktionen überquerten Öl laster, befüllt mit dem schwarzen Gold Iraks, Jordaniens östliche Grenze und fuhren an Abu Satars kleiner Stadt vorbei, geradewegs die Straße der Könige hinunter, zum Golf von Akaba und in die weitere, Sanktionen sprengende Welt. Innerhalb eines Zwanzig-Meilen-Radius um den Schleichhandel wurden alle rund und dick.

      Zwar ist Frieden nur selten so lukrativ wie Krieg, doch es wäre töricht, die kaum beachteten israelischen Lieferungen nach dem Friedensvertrag von 1994 zu übergehen. Wann immer in der Region Aufregung herrscht und jemand etwas schwer Erhältliches braucht, gilt Abu Satar mittlerweile als der Mann vom Fach. 2003, nachdem man Saddam Hussein in einem Loch gefunden hatte, steckte Abu Satar in einem Dilemma. Er fühlte sich nicht gerne reumütig – immerhin waren der Mann und sein Sohn Udai brutale Mörder. Doch seiner Meinung – und wichtiger noch seinen Bilanzen – nach war die angreifende US-Armee genauso schlimm und außerdem, um Salz in die Wunde zu streuen, ganz furchtbar autark. »Fertig-Dies, Fertig-Das!«, murmelt er missbilligend. Im Zuge ihres langen Wirkens im Irak flogen die Amerikaner ein, bauten auf, töteten, mordeten, vergewaltigten, und dann bauten sie wieder ab, packten zusammen und flogen weg, niemandem außer ihren Vertragsunternehmen zur Rechenschaft verpflichtet. Es blieben nur Müll und Chemiehalden zurück. Das erneute amerikanische Engagement im Irak gegen den IS verheißt dem Schnäppchen-Emporium eine dürftige, aber leicht verdiente Ausbeute.

      Er kann sich nicht beschweren. Manchmal ergibt sich ein Glückstreffer, wie letzten Monat, als ein sauber rasierter Fremder mit militärisch präzisem Haarschnitt durch die Stadt pirschte. Er sah sich offensichtlich nicht einfach nur um. Über den gepflasterten Teil der Hauptstraße hinweg beobachtete Abu Satar, wie der Mann übermäßig viel Zeit bei Hussein in der Schlachterei verbrachte. Dann marschierte der Kerl einfach so ins Schnäppchen-Emporium, ließ die liebevoll bestückten Regale völlig unbeachtet und sich selbst in den einzigen bequemen Sessel plumpsen. Frechheit!, dachte Abu Satar. An derart dreistes Benehmen war er nicht gewöhnt.

      Der Fremde strahlte jedoch eine Korrektheit aus, auf die Abu Satar sofort ansprach. Unverzüglich wurde er vom Importeur seltener Güter zu einem armenischen Schneider. Erste Treffen sind oft so – es gilt, jemanden zu vermessen, ihn richtig einzuschätzen. Der geheimnisvolle Fremde gab seine Bedürfnisse bald preis. Er war auf der Suche nach Informationen und hatte gehört, Abu Satar sei gut aufgestellt, um da zu helfen. Er müsse doch wohl bemerkt haben, dass Dschihadisten die Stadt als Schleichweg nutzten?

      Der Händler bestätigte, leugnete oder bestritt es nicht. Sollten die Jordanier die Zahlmeister sein, wäre die Prämie belanglos. Um Abu Satar zu überzeugen, gab der geheimnisvolle Fremde ihm deutlich zu verstehen, dass es »nach oben keine Grenzen« gäbe, wenn erst die Amerikaner mitmachten – und Abu Satar hatte feinere Distinktionen zwischen potenziellen Geschäftspartnern schon immer geschätzt.

      Ermutigt erkundigte er sich: »Und die Israelis?«

      »Ihre Himmel behüten uns.« Der Fremde legte die Hände nebeneinander und rieb einen Zeigefinger am anderen. »Wir haben von einem geheimen Waffenlager gehört«, fuhr er fort. »Wir wissen nicht, ob es zum Verkauf steht oder …«

      Mit kriecherischer Höflichkeit korrigierte Abu Satar ihn: »Mein Herr, meinem Verständnis nach handelt es sich um eine eher antike Sammlung, die, soweit ich gehört habe, von geringem Wert sein soll. Und mir wurde gesagt, dass sie kaum je ans Tageslicht kommt.«

      Sein Besucher schnaubte nur abfällig.

      Ehrerbietig nahm der Fledderer die Visitenkarte des Mannes entgegen und legte sie zur sicheren Verwahrung ins Diebesnest. Trotz des offenen Ausgangs der Unterredung fasste Abu Satar Mut, dass seine bescheidenen patriotischen Bemühungen Anerkennung fanden, und prompt fühlte er sich so entschlossen wie zehn M1-Abrams-Kampfpanzer, mit denen die Amerikaner den Irak platt fuhren. Wann immer sich eine unternehmerische Chance auftat, ob ihr Dirigent nun ein Muchabarat-Agent, verdeckter Ermittler, Informant oder Scharlatan war, Abu Satar schwor sich, der Situation noch das letzte Tröpfchen Gutes abzupressen.

      Und all die Zeit über verstand nur Hani, der liebe Hani, wie visionär Abu Satars Pläne waren. Auch wenn sein Freund von den höchsten Gipfeln der Bürgerkriegspreistreiberei abgestürzt war und alles für osteuropäische Prostituierte verschleudert hatte, behielt er ein gutes Auge für günstige Gelegenheiten. Bei einem spätabendlichen Telefonat erzählte Abu Satar ihm von einem innigen, bislang nicht umgesetzten Wunsch: einer international bekannten Speise auf dem heiklen heimischen Markt zum Durchbruch zu verhelfen.

      »So was wie das erste China-Restaurant in Bethlehem eröffnen?«, fragte Hani, um sich das Konzept zu erschließen.

      »Kalt.« Dieses Spiel spielte Abu Satar manchmal mit ihm.

      Hani versuchte es noch einmal: »So was wie in Beirut glutenfreie Pita backen?«

      Der Fledderer war nicht so recht überzeugt; seiner Meinung nach gab es für eine solche Verbraucherrevolution nicht genügend arabische Allergiker. »Viel größer.«

      »Ah!«, rief sein Freund. »So was wie McDonald’s nach Afghanistan bringen.«

      Genau das schätzte Abu Satar an Hani – diese Fähigkeit, über den Tellerrand

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