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geschwind auf das Ruderhaus und gibt seinerseits Zeichen nach dem U-Boote hin. In der Sprache der roten Fähnchen entwickelt sich ein kurzer Dialog. Ein hinzugerufener Maat setzt ein Doppelglas an und kontrolliert.

      »Vorpostenboot! Vorpostenboot! hör zu!« ruft das Tauchboot.

      »Ich bin ganz Ohr!« erwidert das Wachtboot.

      »Wir haben«, berichtet das vorbeifahrende Schiff, »einen Kohlendampfer gekapert –«

      »Ich verstehe!« wirft das Wachtschiff ein, und das U-Boot spricht weiter: »Wir wurden verfolgt. Achten Sie auf treibende Mi – –«

      Zzank! Hier wurde das Gespräch unterbrochen durch einen furchtbaren Ton. Es klang – ja, wie klang es? Vielleicht so, als habe die ungeheure dröhnende Stimme eines Dämonen kurz und scharf das Wort »Zank« ausgesprochen.

      Dem U-Bootmatrosen entfallen die Fähnchen. Er sieht – statt des Dampfers – einen mächtigen, zackigen Eisberg oder ein vieltürmiges, gläsernes Schloß gotischen Stiles, das aus dem Wasser emporgeschossen ist und etwa eine Minute in der Luft steht.

      Eine Minute, die einmalige Umdrehung des Sekundenzeigers, welche der Sehnsucht oder Gefahr so lange dauert, wie blitzartig vergeht sie der Verwunderung, dem Staunen.

      Es ist wieder verschwunden, das Schloß, zurückgesunken. »Hart Steuerbord!« schreit der Signalgast, »hart Steuerbord!« schreien andere Leute des U-Bootes. Und dieses dreht bei.

      Eine flache, mit einem Türmchen versehene Stahlschiene, schlitzt es in äußerster Fahrt die sich bäumenden Wogen. Aber es findet nichts mehr von dem Vorpostenboot. Nur Kohlenstaub und Ölflecken schaukeln an der Stelle, wo das Wachtschiff vor Anker lag, auf dem Wasser in gewissen leichthin aber rhythmisch gerissenen Schlangenlinien, wie sie auf den Vorsatzpapieren alter Bücher zu finden sind; und eine Menge toter Fische treibt umher. Auf einmal geht ein blendendes Flimmern über die See, schillern die Ölflecke und toten Fischleiber heller und bunter in Farben des Regenbogens.

      Wärmend und tröstend, mit all ihrem Zauber, steigt die enthüllte Sonne auf. Es ist dieselbe Sonne, welche über Nelson, über Columbus gestrahlt, welche die Wikinger begleitet hat, – die Sonne Homers.

      Totentanz

       Inhaltsverzeichnis

      Da blieb es nun abwartend auf dem Grunde des Meeres liegen, das Unterseeboot, und lächelte vor Sicherheit über die feindlichen, armierten Fischdampfer, die dreißig Meter darüber wütend nach ihm ausspähten.

      Die Besatzung speiste, erstaunlich viel und erstaunlich gut, dann suchte ein Teil dieser gesundheitsprahlenden Menschen in Bänken, Spinden, in der Wand oder in der Luft ihre Schlafstätten auf. Die übrigen Seeleute, darunter der Kommandant, rückten beinahe familiär am einzigen Tische zusammen, und während ihre geringschätzigen Blicke vergeblich die alles überwuchernde, wunderbar wirre Maschinerie loszulassen trachteten, dachte gewiß jedermann leidend an den Tabak, der nicht geraucht werden durfte.

      Darüber entstand der Wunsch, die Zeit irgendwie froh gemeinsam zu vertreiben. Schach? Nein. Skat? Der dritte Mann sägte bereits im Schlafe Tekholz oder so etwas. Heizer Karper schaffte das Grammophon herbei. Matrose Schreyer schleppte das Grammophon sofort wieder weg im stummen Beifall aller. Nur noch eine Platte war gebrauchsfähig, die kreiste täglich zehn- bis zwanzigmal. Man hatte an Bord keinen Respekt mehr vor dem Kammersänger Heinz Lebrun. Man pfiff oder trommelte mit Holzpantoffeln und Tischmessern zu seinem ewigen Liede: Wenn dir ein Mädchen recht gefällt, und sie hat einen andern, dann ist's am besten, in die Welt zu wandern. –

      »Soll ich einmal mit euch die russischen Schlachtschiffe durchsprechen?« fragte der Kommandant. Doch dieser Vorschlag erfror und weiteren Vorschlägen erging es nicht besser, ob der Indolenz und einer frivolen Sucht der Mariner, jedwede Sache ins Lächerliche zu zerren. »Ich werde an meine Memeler Berta schreiben«, wandte sich Lüng an den leitenden Ingenieur, »wollen mir Herr Aspirant das nicht mal 'n bisken aufsetzen, von wegen das Göhr, und daß ich mit Felix Pillak losen will, wer der Vater ist?« Der Aspirant grinste. Hammerbruck gähnte. Karper schwankte in Gedanken faul, ob er das fleckige, in Segeltuch gebundene Heft hervorkramen sollte, worein er sich »Tetsches Hochtid«, »Die Negerbraut« und andere eindrucksvolle poetische Stücke gesammelt hatte.

      Grössel, der neue Torpedermaat, den man noch nicht anders als einsilbig kannte, hatte sich auf der Steuerbordbank hintenüber gelehnt und die Augen geschlossen, schlief aber offenbar nicht, denn er kaute seiner Gewohnheit nach einen Stengel Vanille zwischen den Zähnen durch. Die andern am Tische machten sich aus Langerweile über ihn lustig. »Piter Grössel zieht seine Sargdeckelvisage.« »Er hat wieder zu tief in die Kömbuttel gepeilt«, spaßte der Olle. Auch unter Seeoffizieren ist es Brauch, sich dann und wann durch unkomplizierte Witzchen populär zu machen.

      »Nee, ik glöve, he het's mit de Angst kregen«, krächzte Felix Pillak, »he is bang.« Und Hammerdruck spottete: »He drümt von Ruhm un Ehr und vom isernen Krüz.«

      Schreyer fügte in anstrengendem Hochdeutsch und mit besonders schlauem Ausdruck hinzu: »Torpedermaat ist melangscholisch. He denkt an Seemansgrab oder hat Sehnsucht nach sin Fru.«

      Solche Bemerkungen lohnte man regelmäßig durch ein tölpliges Gelächter, welches Grösseln feindseliger vorkam, als es war, welches immerhin aber nicht einer gewissen provozierenden Grausamkeit entbehrte.

      Der Torpedermaat öffnete die Augen, und die Tischgesellen waren reichlich gespannt auf seine Entgegnung. Denn Grössel hatte ganz speziale Ansichten, so gewählte Ausdrücke und so, und wenn er redete, gab es wenigstens stets Neues zum Belachen. Nun ließ er seine Blicke zugespitzt durch die Runde marschieren und hub dann mit überraschender Ruhe an: »Ihr habt recht. Ich dachte an meine Frau und sann melancholisch über Krieg und Angst und Ruhm und Schrecken nach, und ich habe vordem heimlich Rum getrunken, was ich oft tue, wenn mich die Furcht befällt, ich könnte jemals in unserer Seeinsamkeit so feinfühlig, klugdenkend und wahrheitsliebend werden, als ihr seid. – Laßt euch genauer erklären, was mich soeben beschäftigte; es ist die Geschichte, wie ich mit dem Kreuzer ...«

      »Kennen wir!«

      »Wissen wir längst! Wie ihr auf die Mine ranntet und du später bewußtlos durch ein V.-boot von einem Scheibenfloß aufgepickt wurdest.«

      »Dat hest du all fofftein mal vertellt.«

      »Nur das äußere Allgemeine. Doch dahinter steckt mehr, was ich euch gern mitteilen möchte, weil – – hm, wozu ein weil?«

      »Na, dann lög mal too!« Die Seeleute am Tisch vereinbarten durch geheime Püffe und Augenzwinkern, die angekündigte, angeblich wahre Historie möglichst zur allgemeinen Belustigung auszubeuten.

      »Als die Detonation erfolgte« – Grössel nahm die Vanille aus dem Munde und sah, Wort für Wort mit Überlegung berichtend, fortan über die Köpfe hinweg ins Leere – »befand ich mich mit einem Deckoffizier und dem Matrosen Leske im Zwischendeck an der Kantine ...«

      »Er soff also mal wieder!« warf der Aspirant lachend ein.

      »Leske, der – er tanzt – ich haßte Lesken. Ich kannte ihn bereits vor dem Kriege. Er hat meine Frau behext.

      Er tanzte leidenschaftlich, und meine Frau verehrte den Tanz geradezu inbrünstig. Ich selbst goutiere diese Kunst nicht, weil ich ein ungeschickter Tänzer bin. Aber meiner Frau zu Gefallen führte ich ihr auf einem Vereinsball Herrn Leske zu, der gleich mir den Beruf eines Buchhändlers ausübte und mit dem ich als Kollege früher, allerdings mehr geschäftlich, zu tun gehabt hatte.

      Ich schaute zu, als er und meine Frau tanzten. – Es war wie Meeresdünung, wie Möwenflug.

      Hatte ich bisher geglaubt, der Tanz sei eitel Übermut und stimmte zur Lustigkeit, so beobachtete ich nun überrascht, daß meine Frau und ihr Partner in einem jener modernisierten exotischen Tänze aneinander geschmiegt, in Haltung und Bewegung gleichsam einander ergänzend, fragend und antwortend, daß sie weder einmal lächelten, noch

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