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nebst Rauchutensilien auf den Tisch, und trotzdem Heinemann seinerseits entschieden ablehnte, ließ es sich doch der Kommandant nicht nehmen, beide Gläser eigenhändig zu füllen. »Nein«, sprach er, als der Steward sich entfernt hatte, »keine Aufklärung. Ich will es Ihnen auf den Kopf zu besser sagen: Sie hatten Minen an Bord. Nur bin ich mir nicht klar darüber, wo Sie dieselben warfen oder werfen wollten.«

      »Sollte denn eine so kleine Mine, wie die meinige, Minen an Bord nehmen?« fragte der Leutnant zerstreut.

      Der andere warf einen verdutzten Seitenblick auf das junge, bleiche Gesicht. Aber dem Deutschen entging das. Er stierte konstant an dem Engländer vorbei in eine wild verwirrte Flucht gewundener Qualmschwaden, die sich jetzt von den Schornsteinmündungen aus nach Backbord über das Meer wälzten.

      Sekundenlang, immer wieder, trat hinter diesem Rauchvorhang die See mit einigen farbigen, verstreuten Bojen und einem fernen Streifen Land hervor.

      »Ihre Minenverankerung taugt nichts«, begann der redselige Kommandant von neuem.

      »Ich muß es, wie erwähnt, prinzipiell ablehnen, mich über Militärisches oder Politisches zu äußern.«

      »Ganz recht! Ich vergaß. Sagen Sie –: spielen Sie Schach?«

      Statt zu antworten, griff der Deutsche auf einmal hastig nach dem vollen Rotweinglas, rief laut: »Mein Kaiser Hurra! Hurra! Hurra!« und leerte es in einem Zuge, um es dann über Bord zu schleudern. Der Engländer war aufgesprungen. Sein Gesicht rötete sich zornig. Aber er schien sich zu besinnen und zu beherrschen und nahm wieder Platz. »Ihr angeborenes deutsches Taktgefühl«, bemerkte er sarkastisch, »wird Sie begreifen lassen, daß ich in diesen Toast nicht einstimme. Aber – hallo, was fehlt Ihnen? Mich deucht, Sie vertragen die Deckluft schlecht.« Der Leutnant war, wie man so sagt, kreideweiß geworden. Sein Mund bewegte sich, als ob er sprechen wollte und es nicht vermöchte. »Jetzt! Gleich!« stieß er endlich hervor.

      Der Kommandant pfiff.

      »Haben Sie Familie? eine Mutter?« frug ihn Heinemann erregt.

      »Ja, ja. Beruhigen Sie sich doch, mein Lieber; es geht vorüber. – Führt den Herrn Leutnant in seine Kabine. Er hat einen Anfall bekommen.«

      Aber der Deutsche wies mit einer Armbewegung den Posten und den Steward zurück, die beide ihn wegführen sollten, und rief dem Kommandanten drängend zu: »Beten Sie! Beten Sie! Dort! Die Boje! Wir sind mitten im Minenfeld.«

      »Minen?« fragte der Engländer unsicher lächelnd.

      »Ja. Ich selbst habe sie geworfen. Beten Sie!« zischte der Deutsche.

      »Achtung!« rief er dann plötzlich scharf und klar. Er stand kerzengerade aufgerichtet, die Linke aufs Herz gepreßt. Da hatte sein Gesicht in höchster Schwellung edler Gedanken und energischer Entschlossenheit einen schönen, verklärten Ausdruck. Seine Augen glänzten begeistert und sahen kühn einem roten Seezeichen entgegen, dem sich der Zerstörer näherte.

      »Volldampf zurück! Exakt Kielwasser!« schrie der Kommandant aufspringend. Auch er starrte mannhaft fest, aber finster und kalt in die Boje.

      Ein schneidender Schrei ertönte. Niemand hatte mehr Entsetzen dafür übrig, daß der Steward über Bord sprang.

      Der Matrose hielt sich die Ohren zu, und er wie die beiden Offiziere blieben so für Sekunden ... Sekunden ... Sekunden regungslos, mit weit aufgerissenen Augen, während dicht an der Bordwand ganz langsam die rote Boje vorüberglitt.

      Dann taumelte der Deutsche. »Vorbei!« hauchte er tonlos.

      Der Kommandant hatte pantomimisch einen Befehl nach der Brücke gegeben. »Verdammter Hund!« brüllte er jetzt und riß einen Revolver hervor ...

      Das gab dem Leutnant die Kraft zurück. Er straffte sich wieder und sah dem Feinde blitzend ins Gesicht. Ein einziges Wort: »Deutsch!« sprach er stolz aus. »Verrechnet, Verräter«, knirschte der Engländer, seinen Revolver wieder bergend, und dann mit einem höhnischen, schadenfrohen Grinsen: »Warte! Warte! Ich werde – –«

      Da schmetterte die Explosion.

      Der Freiwillige

       Inhaltsverzeichnis

      Culassa spuckte von seiner Hängematte herab ein Stück Käserinde aus, traf den Lampenzylinder, der stürzte zerbrochen herab. Die befreite Flamme wurde unruhig, sie richtete einen Rußstreifen nach der gewölbten Decke der Kasematte empor. Diesem Übel schien nicht abgeholfen zu werden, denn Culassa, obwohl er den Schaden bemerkt haben mußte, wälzte sich gleichmütig auf die andere Seite und biß unbekümmert weiter an dem Bruchteil einer roten Sonne aus Edamer Käse. Die Bänke aber um den nur durch Runzeln und Brandflecke bemerkenswerten Tisch standen leer, und aus den Hängematten, die hoch darüber unter der Wölbung hingen, wie fette Fischbäuche, klang variiertes, fallendes oder steigendes Schnarchen. Nun aber turnte aus der links neben Culassa aufgezurrten Hängematte eine lange, auffallend hagere und hohlwangige Gestalt in Strümpfen und Unterkleidung, sammelte etwas unbeholfen die Glasscherben vom Boden auf, trug sie nach dem Mülleimer und kehrte dann zurück an den vorherigen Platz.

      Culassa grinste gutmütig. Er brach mit der Hand ein rührendes Stück von der roten Sonne ab und reichte das dem Nachbar hinüber mit den Worten: »Da! – Bist du nicht auch erst seit heute hier?«

      »Ja. Mich schleppt man schon seit Wochen von Garnison zu Garnison.«

      »Bist du Schiffsjunge?«

      »Nein, Kriegsfreiwilliger. – Ich meldete mich im August in Danzig. Nach meiner Ausbildung diente ich sechs Monate lang auf einem Depeschenboote –«

      Culassa kniff ein Auge zu. »Aha, verstehe. Das paßte dir nicht, mein Muttersöhnchen. Fixer Seegang? Windstärke zwölf, he? Mit Seestiefeln zur Koje?«

      »O«, sagte der Freiwillige blitzend, »das war noch das Beste daran. – Seeleute waren wir! Aber keine Soldaten. – Ich habe mich viermal vergeblich auf U-Boote und jetzt zu den Fliegern gemeldet, aber auch daraus scheint nichts zu werden. –«

      »Bengel, du frierst ja!« rief der Ältere plötzlich mit jenem grausamen Spott der Seeleute.

      Wirklich, der Freiwillige klapperte mit den Zähnen, wollte es aber nicht zugeben, sondern stammelte etwas von »dummer Angewohnheit« und verwischte diese Entschuldigung und das Vorangegangene wieder durch die Frage: »Woher kommen denn Sie?«

      »Von einem Torpedoboot. S 116.«

      »Haben Sie schon an einem Gefecht teilgenommen?«

      »Hm, viermal. Zuletzt sind wir vor der Weser abgesoffen. Kesselexplosion.«

      Der Freiwillige reckte den Kopf so weit in die Höhe, daß eins seiner verhältnismäßig übergroßen Augen den Mann sehen konnte, der an vier Seegefechten teilgenommen und Schiffbruch erlitten hatte. »Da haben Sie sich also ungewöhnliche Erinnerungen fürs ganze Leben gesichert. – Das muß doch sehr interessant gewesen sein?«

      »Auf S 116? Das will ich meinen! Alle Tage warmes Abendbrot. Frische Butter, soviel wir wollten. Und ungefähr alle drei Wochen in die Werft. Urlaub bis zwölf.« Die Unterhaltung zog sich infolge häufiger Pausen in die Länge. Der Hagere ließ meist einige Minuten im Schweigen verstreichen, bevor er zu einem neuen Satz ausholte, und dann sprach er unsicher, schüchtern. »Was will man nun hier mit uns – mit mir anfangen? –«

      Culassa spie wieder ein Stück Rinde aus und wickelte sich grunzend in seine Decke. – »Ja, wer kennt sich da aus? Das wird alles an den grünen Tischen ausgeknobelt. Unsereins kann nix dazu tun, als das Maul halten, bis es heißt: die zum Sterben abgeteilten Leute antreten zum Särgeempfang! oder so was Ähnliches. Und dann gehen wir, wohin man uns schickt. Nach der Türkei oder nach Belgien. Rekruten drillen oder englische Dampfer kapern, in die Fourierstube oder als Kanonenfutter. Aber sei man nicht bang, mein Junge, vorläufig wollen wir uns hier erst mal eine Zeitlang mästen, bis sie eine Verwendung für uns haben, und

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