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schwarzer aufzutreiben gewesen wäre, da es nun einmal so üblich ist, zum Teufel!« So hechelte er alles durch, was er beobachtet hatte.

      Alle andern beklagten Emmas Tod, besonders Lheureux, der nicht verfehlt hatte, zum Begräbnis zu erscheinen.

      »Die arme, liebe Frau! Welch ein Schlag für ihren Mann!«

      Der Apotheker antwortete:

      »Wissen Sie, wenn ich nicht gewesen wäre, hätte er aus Verzweiflung Selbstmord begangen.«

      »Sie war immer so liebenswürdig! Wenn ich bedenke, daß sie vorigen Sonnabend noch in meinem Laden war!«

      »Ich hatte nur keine Zeit,« sagte der Apotheker, »sonst hätte ich mich gern auf ein paar Worte vorbereitet, die ich ihr ins Grab nachgerufen hätte!«

      Wieder im Hause, kleidete sich Karl um, und der alte Rouault zog seine blaue Bluse wieder an. Sie war neu, und da er sich unterwegs öfters die Augen mit dem Ärmel gewischt hatte, hatte sie Farbenspuren auf seinem staubbedeckten Gesicht hinterlassen. Man sah, wo die Tränen herabgerollt waren.

      Die alte Frau Bovary setzte sich zu ihnen. Alle drei schwiegen. Endlich sagte Vater Rouault mit einem Seufzer:

      »Erinnerst du dich noch, mein lieber Karl, wie ich damals nach Tostes kam, als du deine erste Frau verloren hattest? Damals tröstete ich dich, damals fand ich Worte! Jetzt aber….« Er stöhnte tief auf, wobei sich seine ganze Brust hob. »Ach, nun ist es aus mit mir! Ich habe meine Frau sterben sehen … dann meinen Sohn … und heute meine Tochter!«

      Er bestand darauf, noch am selben Tage nach Bertaux zurückzureiten. In diesem Hause könne er nicht schlafen. Auch seine Enkelin wollte er nicht sehen.

      »Nein! Nein! Das würde mich zu traurig machen! Aber küsse sie mir ordentlich! Lebe wohl! Du bist ein braver Junge! Und das hier,« er schlug auf sein Bein, »das werde ich dir nie vergessen. Hab keine Bange! Und euren Truthahn bekommst du auch noch jedes Jahr!«

      Aber als er auf der Höhe angelangt war, wandte er sich um, ganz wie damals nach der Hochzeit, als er sich nach dem Abschied auf der Landstraße bei Sankt Viktor noch einmal nach seiner Tochter umgedreht hatte. Die Fenster im Dorfe glühten wie im Feuer unter den Strahlen der Sonne, die in der Ebene unterging. Er beschattete die Augen mit der Hand und gewahrte fern am Horizont ein Mauerviereck und Bäume darinnen, die wie schwarze Büschel zwischen weißen Steinen hervorleuchteten. Dort lag der Friedhof….

      Dann ritt er seinen Weg weiter, im Schritt, dieweil sein Gaul lahm geworden war.

      Karl und seine Mutter blieben bis in die späte Nacht auf und plauderten, obwohl sie beide sehr müde waren. Sie sprachen von vergangenen Tagen und von dem, was nun werden sollte. Die alte Frau wollte nach Yonville übersiedeln, ihm die Wirtschaft führen und für immer bei ihm bleiben. Sie fand immer neue Trostes-und Liebesworte. Im geheimen freute sie sich, eine Neigung zurückzugewinnen, die sie so viele Jahre entbehrt hatte.

      Es schlug Mitternacht. Das Dorf lag in tiefer Stille. Das war wie immer. Nur Karl war wach und dachte in einem fort an »sie«.

      Rudolf, der zu seinem Vergnügen den Tag über durch den Wald geritten war, schlief ruhig in seinem Schloß. Ebenso schlummerte Leo. Einer aber schlief nicht in dieser Stunde.

      Am Grabe, unter den Fichten, kniete ein junger Bursche und weinte. Seine vom Schluchzen wunde Brust stöhnte im Dunkel unter dem Druck einer unermeßlichen Sehnsucht, die süß war wie der Mond und geheimnisvoll wie die Nacht.

      Plötzlich knarrte die Gittertür. Lestiboudois hatte seine Schaufel vergessen und kam sie zu holen. Er erkannte Justin, als er sich über die Mauer schwang. Nun glaubte er zu wissen, wer ihm immer Kartoffeln stahl.

      Letztes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Am Tage darauf ließ Karl die kleine Berta wieder ins Haus kommen. Sie fragte nach der Mutter. Man antwortete ihr, sie sei verreist und werde ihr hübsche Spielsachen mitbringen. Das Kind tat noch ein paarmal die gleiche Frage, dann aber, mit der Zeit, sprach sie nicht mehr von ihr. Die Sorglosigkeit des Kindes bereitete Bovary Schmerzen. Ganz unerträglich aber waren ihm die Trostreden des Apothekers.

      Bald begannen die Geldsorgen von neuem. Lheureux ließ seinen Strohmann Vinçard abermals vorgehen, und Karl übernahm beträchtliche Verpflichtungen, weil er es um keinen Preis zulassen wollte, daß von den Möbeln, die ihr gehört hatten, auch nur das geringste verkauft würde. Seine Mutter war außer sich darüber. Das empörte ihn wiederum maßlos. Er war überhaupt ein ganz andrer geworden. So verließ sie das Haus.

      Nun fingen alle möglichen Leute an, ihr »Schnittchen« zu machen. Fräulein Lempereur forderte für sechs Monate Stundengeld, obgleich Emma doch niemals Unterricht bei ihr genommen hatte. Die quittierte Rechnung, die Bovary einmal gezeigt bekommen hatte, war nur auf Emmas Bitte hin ausgestellt worden. Der Leihbibliothekar verlangte Abonnementsgebühren auf eine Zeit von drei Jahren und Frau Rollet Botenlohn für zwanzig Briefe. Als Karl Näheres wissen wollte, war sie wenigstens so rücksichtsvoll, zu antworten:

      »Ach, ich weiß von nichts! Es waren wohl Rechnungen.«

      Bei jedem Schuldbetrag, den er bezahlte, glaubte Karl, es sei nun zu Ende, aber es meldeten sich immer wieder neue Gläubiger.

      Er schickte an seine Patienten Liquidationen aus. Da zeigte man ihm die Briefe seiner Frau, und so mußte er sich noch entschuldigen.

      Felicie trug jetzt die Kleider ihrer Herrin, aber nicht alle, denn Karl hatte einige davon zurückbehalten. Manchmal schloß er sich in ihr Zimmer und betrachtete sie. Felicie hatte ungefähr Emmas Figur. Wenn sie aus dem Zimmer ging, hatte er manchmal den Eindruck, es sei die Verstorbne. Dann war er nahe daran, ihr nachzurufen: »Emma, bleib, bleib!«

      Aber zu Pfingsten verließ sie Yonville, zusammen mit dem Diener des Notars, wobei sie alles mitnahm, was von Emmas Kleidern noch übrig war.

      Um diese Zeit gab sich die Witwe Düpuis die Ehre, ihm die Vermählung ihres Sohnes Leo Düpuis, Notars zu Yvetot, mit Fräulein Leocadia Leboeuf aus Bondeville ganz ergebenst mitzuteilen. In Karls Glückwunschbrief kam die Stelle vor:

      »Wie hätte sich meine arme Frau darüber gefreut!«

      Eines Tages, als Karl ohne bestimmte Absicht durchs Haus irrte, kam er in die Dachkammer und spürte plötzlich unter einem seiner Pantoffel ein zusammengeknülltes Stück Papier. Er entfaltete es und las: »Liebe Emma! Sei tapfer! Ich will Dir Deine Existenz nicht zertrümmern….« Es war Rudolfs Brief, der zwischen die Kisten gefallen und dort liegen geblieben war, bis ihn der durchs Dachfenster wehende Luftzug an die Türe getrieben hatte. Karl stand ganz starr da, mit offnem Munde, just auf demselben Platz, wo dereinst Emma, bleicher noch als er, aus Verzweiflung in den Tod gehen wollte. Am Ende der zweiten Seite stand als Unterschrift ein kleines R. Wer war das? Er erinnerte sich der vielen Besuche und Aufmerksamkeiten Rudolf Boulangers, seines plötzlichen Ausbleibens und der gezwungenen Miene, die er gehabt, wenn er ihnen später – es war zwei- oder dreimal gewesen – begegnet war. Aber der achtungsvolle Ton des Briefes täuschte ihn.

      »Das scheint doch nur eine platonische Liebelei gewesen zu sein!« sagte er sich.

      Übrigens gehörte Karl nicht zu den Menschen, die den Dingen bis auf den Grund gehen. Er war weit davon entfernt, Beweise zu suchen, und seine vage Eifersucht ging auf in seinem maßlosen Schmerze.

      »Man mußte sie anbeten!« sagte er bei sich. »Es ist ganz natürlich, daß alle Männer sie begehrt haben!« Nunmehr erschien sie ihm noch schöner, und es überkam ihn ein beständiges heißes Verlangen nach ihr, das ihn trostlos machte und das keine Grenzen kannte, weil es nicht mehr zu stillen war.

      Um ihr zu gefallen, als lebte sie noch, richtete er sich nach ihrem Geschmack und ihren Liebhabereien. Er kaufte sich Lackstiefel, trug feine Krawatten, pflegte seinen Schnurrbart und – unterschrieb Wechsel wie sie. So verdarb ihn Emma noch aus ihrem Grabe heraus.

      Karl

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