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trat er ein paar Schritte zurück und betrachtete das Blutbad, das man im kurzen Gefecht mit den Widerständlern angerichtet hatte. Die einst ansehnliche, mittelständische Wohngegend war zerstört. Zahllose Gewehrkugeln hatten die Fassaden der Häuser entlang der Straße durchsiebt, die Fenster zersplittert oder ganz gesprengt. Die Leichen von Rebellen und Soldaten lagen verstreut in Vorgärten, Einfahrten oder auf dem Asphalt. Der Kampf war schnell vorüber, jedoch erbittert gewesen, aber Pablos Männer hatten sich in der Überzahl befunden. Nun stürmten sie die Häuser oder kamen heraus, nachdem sie erbeutet hatten, was es zu holen gab. Aus einem der Häuser hörte Pablo die Schreie mehrerer Frauen, die den Zorn seiner Leute auf die grausamste und persönlichste Weise zu spüren bekamen. Wie er auch Isabel in der Nacht kurz vor ihrem Tod gesagt hatte, kannte er keine Gnade, außer jemand nahm das Angebot an, auf seine Seite zu wechseln.

      Sein Vorstoß von Sacramento nach Elko hatte länger als zwei Monate gedauert. Er war Mitte April dort aufgebrochen, sobald sich seine Villistas überall in der Stadt eingenistet hatten. In jeder weiteren Stadt, die unter ihm gefallen war, hatte er dafür gesorgt, eine feste Führungsstruktur seiner Leute dort anzusiedeln; in Elko würde es nicht anders laufen.

      Die Eroberung der einzelnen Städte auf dem Weg würde seinen Feldzug nach Cheyenne zwar aufhalten, doch was Pablo am meisten frustrierte, waren die ständigen Flugangriffe der Überreste der US Air Force. Ohne Luftunterstützung waren seine Einheiten leichte Ziele, wenngleich sie ihre Gegenmaßnahmen zum Glück bündeln konnten, um den Schaden zu begrenzen, den sie durch den Beschuss erlitten. Außerdem hatte Pablo seine Kernarmee in zwei Heere aufgesplittet; er selbst führte eines entlang der Interstate 80 in Richtung Salt Lake City in Utah, während das andere parallel dazu auf dem US Highway 50 marschierte. Er hoffte, dies mache die Truppe zu einem schwierigeren Ziel für die Luftangriffe und vergrößere zugleich seine Reichweite. Die Streitkräfte im Süden waren von den Bombardements verschont geblieben und kamen ungehindert voran. Die beiden Flügel würden irgendwann im Juli wieder vereint, um dann einen koordinierten Angriff gegen Salt Lake City zu wagen.

      Pablo nahm sich vor, Ende August gegen Cheyenne aufzumarschieren. Ihnen stand ein harter Kampf bevor, doch er wusste, der einzige Weg, die Vereinigten Staaten schlagen zu können, bestand darin, die Hauptstadt dem Erdboden gleichzumachen und den Präsidenten zu beseitigen. Er wollte es auf die altmodische Tour versuchen, mit Straßenkämpfen und Mann gegen Mann, falls es nicht anders ging, aber sollte sich der Sieg nicht auf diese Weise erringen lassen, hatte er noch eine Überraschung parat, die ihm den Erfolg garantieren würde. Laut letzten Informationen befand sich dieses Ass in seinem Ärmel bereits in Cheyenne. Er brauchte zum richtigen Zeitpunkt also nichts weiter zu tun, als Order zu geben.

      Nun drehte er sich abermals zu der Frau um und war mit den Gedanken wieder bei der Sache. Sie fürchtete sich und flehte ihn an, er möge sie und ihre Tochter verschonen.

      »Vor Monaten sagte mir einmal jemand, Gnade zu zeigen sei der größte Beweis von Stärke überhaupt. Jetzt kann ich jedem versichern, dass das nicht stimmt, denn diese Lüge kostete mich beinahe das Leben. Vorgestern befahl ich diesem armseligen Kaff, sich geschlagen zu geben oder unterzugehen.« Er machte eine Pause und trat einen Schritt auf die Frau zu. »Dein Mann traf seine Wahl. Er glaubte an etwas. Ich habe Respekt vor jemandem, der bereit ist, für die Sache zu sterben, von der er überzeugt ist. Solche Menschen brauche ich, doch leider kämpfte er auf der falschen Seite. Du hingegen bist bereit, deine Treue zu überdenken, nur um nicht zu sterben. Du wärst dazu imstande, jeden zu verraten, um ein weiteres Mal die Sonne aufgehen zu sehen. Dein Gatte war ein tapferer, aber dummer Mann und ist gestorben. Du hingegen bist feige und dumm, und das ist wesentlich schlimmer, also wirst auch du sterben, allerdings im Wissen darum, dass deine Tochter vor dir gestorben ist«, brüllte Pablo. Er zog die Pistole aus seinem Schulterhalfter, zielte auf das kleine Mädchen und drückte ab.

      Die Frau kreischte auf, brach in Tränen aus und fing an, sich gegen die Männer, die sie festhielten zu wehren, um zu ihrer sterbenden Tochter zu gelangen.

      »Sieh mich an!«, rief Pablo.

      Das Geschrei der Frau übertönte seinen Befehl.

      Er hielt ihr den Lauf an die Stirn.

      Sie schrie auf: »Nein! Sie sagten, Sie würden mir nichts tun!«

      Pablo wollte den Abzug betätigen, doch diese Bemerkung hielt ihn zurück. »Du hast recht.« Er drehte sich zu General Alejandro um und sah ihn an.

      Dieser kannte den Blick und reagierte sofort, indem er seine Waffe zückte und an ihren Kopf hielt.

      »Nein, nein, nein!«, stammelte sie.

      Der Schuss brachte sie augenblicklich zum Schweigen. Ihr Körper sackte gegen die Soldaten, die sie festhielten.

      »General Alejandro!«

      »Jawohl, Imperator!«

      »Zeit zum Aufbruch.«

      »Jawohl, Imperator!«

      Pablo kehrte zu seinem Wagen zurück, blieb aber vor der Tür stehen. Er drehte sich noch einmal um und sagte: »Gute Arbeit, General. Ein weiterer Sieg für die panamerikanische Armee

       Cheyenne, Wyoming

      Einmal pro Woche verließ Conner die ›Grünzone‹, welche den Innenstadtbereich von Cheyenne umfasste. Er fuhr mit bewaffneter Eskorte, um die neu errichteten Zeltstädte zu besichtigen, die an den Rändern der Stadt entstanden. Die Neuigkeit, dass die Regierung der Vereinigten Staaten eine neue Hauptstadt ernannt hatte, war zügig verbreitet worden. Menschen kamen über die Berge und aus den Staaten in der Mitte des Landes, weil sie sich hier eine bessere und sicherere Zukunft erhofften.

      General Baxter sah diese wöchentlichen Abstecher ungern, doch Conner wies seine Bedenken stets zurück. Die Tage, in denen der Präsident jedes Sicherheitsprotokoll einhalten musste, waren vorbei. Conner wusste, dass er nicht aus dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm heraus regieren konnte. Seit beschlossen worden war, den Bunker zu verlassen, hatte er es sich zur Pflicht gemacht, sich unter die Menschen zu mischen, die zu beschützen er geschworen hatte. Ihm war klar, dass er nun wie einer der Herrscher aus vergangenen Zeiten wirken musste.

      Die ersten entstandenen Zeltstädte zehrten bereits an den Ressourcen der Regierung, doch bald kamen Australien, Brasilien und Argentinien einem Versprechen nach, das sie den USA gegeben hatten. Innerhalb eines Monats trafen über Houston erste Hilfsmittel im Land ein. Conners Abkommen mit der Republik Texas hatte sich für alle Parteien ausgezahlt. Zugang zu einem Hafen wie dem in Houston zu haben, war für den Aufbau unabdingbar, und sein Standort immens wichtig. Die Republik arbeitete fieberhaft daran, diplomatisches Vertrauen aufzubauen, kam dabei jedoch nur beschwerlich voran.

      Während Conner an Lagerfeuern vorbeiging, freute er sich darüber, dass sich das Volk langsam eingewöhnte. Er stieß überall auf Gelächter. Ihm war klar, dass es nicht von tiefster Zufriedenheit herrührte, sondern dass es Hoffnung war. Diesen Menschen war auf ihren Wegen Entsetzliches widerfahren, viele hatten erleben müssen, was Verlust bedeutete, nicht nur den persönlichen Besitz betreffend, sondern auch den Verlust geliebter Menschen. Der Tod gehörte nunmehr zum Alltag. Der anfängliche Schock war rasch verflogen, als die Menschen erkannt hatten, dass sie sich anpassen mussten oder bald selbst zu den Unglücklichen zählen würden. Wer bis jetzt durchgehalten hatte, durfte sich glücklich schätzen, doch das bedeutete nicht zwangsläufig, dass er auch die nächsten sechs Monate überleben würde.

      Conner fand diese Besuche äußerst aufschlussreich und wusste, dass auch die Bürger sie schätzten. Obwohl sie meistens von Herzlichkeit geprägt waren, hatte es auch ab und an Spannungen gegeben. Aber er nahm seinem Volk das kein einziges Mal übel, denn müsste er unter diesen Umständen leben, würde er auch ab und zu durchdrehen. Im Großen und Ganzen hatte er sich im Kontakt mit den Menschen eine Achtung erarbeitet, wie sie nur wenigen Politikern je zuteilgeworden war.

      Wenn er es wünschte, begleitete Pat, der Besitzer von Pats Coffeeshop, ihn hin und wieder. Zwischen ihnen hatte sich eine Freundschaft entwickelt. Bei Pat konnte Conner ganz er selbst sein und Abstand vom schier endlosen Treffen von Entscheidungen nehmen. Cruz und er waren zwar immer noch dicke Freunde, doch Conner hatte darum

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