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zu Zeit das Haupt schüttelte; nach einer Pause begann er: »Höchst seltsam! das Übel fing so gering an, sie zupfte Charpie für die armen unterdrückten Freiheitler; zwar bemerkte ich, daß allemal die Woche ein Pfund mehr von diesen heilsamen Fäden durch ihre artigen Finger zerzaust wurde, allein welcher prophetische Geist hätte dergleichen Dinge vorher sagen mögen!« – »Trösten Sie sich,« rief der Baron seinem alten Freunde zu; »besser, daß sie jetzt entlief, als daß sie als ihre Gattin sich in die weite Welt flüchtete, wo sie dann vielleicht noch gar ihre Perücke mitgenommen hätte, die sie nie hat leiden mögen.« Der Pastor sah seinen Freund und Gönner mit großen Augen an, erwiderte aber nichts, sondern sah wiederum mit bekümmerten Blicken hinaus auf die vorbeiführende Landstraße. Eduard ließ die beiden Alten bald allein, seine glühende Seele vernahm nur halb, was um ihn vorging, es trieb ihn die Sehnsucht ins Schloß. Die Fürstin ließ ihn vor sich und teilte ihm mit, daß Magdalena seit gestern sich unpäßlich fühle, und daher die heutige Malerstunde aufgegeben werden müsse. Eduard stand wie vernichtet, er entfernte sich mit einer stummen Verbeugung; auf dem Zimmer angelangt, vertraute er seines Herzens Geheimnis einem Papier, welches Magdalenens Zofe zur heimlichen und sicheren Bestellung erhielt. Jetzt waren die Pforten des Tempels gesprengt, und Glanz und Segen überströmte den Glücklichen; eine neue Sonne stieg am Horizonte empor, und verklärte sein verarmtes Leben. Am Abend erschien die treue Zofe, und leitete unsern Freund auf einem verborgenen Pfade in das Zimmer ihrer Gebieterin. Da saß sie, auf den Polstern des Diwans hingegossen, das goldene Haar aufgelöst, in ein fast klösterliches weißes Gewand eingehüllt, dessen reiche Falten auf den Boden niederfloßen, eine Träne blinkte in ihrem Auge, als sie den Glücklichen hereintreten sah. Auf einem mit schwarzem Tuch bedeckten Tische stand ein Kruzifix, von zwei hohen Wachskerzen eingefaßt, deren Flammen im Abendwinde spielten. »Magdalena,« rief Eduard und stürzte zu ihren Füßen, »wunderbares, heiliges Mädchen, warum hast Du mich nicht früher in deinen Himmel schauen lassen, warum gegen mich diese Kälte, diese Verachtung? – Doch, ich Wahnsinniger, verdiente ich etwas Anderes? War ich es nicht, der verblendet und verführt, dieses überreiche Herz von mir stieß, war ich es nicht, der den nichtswürdigsten Verleumdungen mein Ohr lieh?« – »Eduard!« flüsterte Magdalena und neigte sich zu dem Verzweifelnden herab, »keine Selbstanklage! es ist genug, die Prüfungszeit ist vorüber, der Himmel wollte, daß ich auch den letzten bittersten Trank bis auf die Hefe leeren sollte; ach, ich Elende, ich vermochte es nicht, meine Kraft brach, und ich zeigte Dir ein schwaches Herz. Ja, mein edler Freund, auch Du solltest mich verkennen, auch von Dir sollte ich verdammt werden, gleich wie die Welt mich verdammt und lästert! Doch es ist vorbei, und meine Seele fliegt im jubelnden Gebete himmelwärts.« Sie beugte sich nieder, und der entzückte Jüngling, keines Wortes mächtig, umschloß mit glühenden Armen die jungfräulich Erbebende. Der Nachtwind spielte in den rauschenden Falten der Vorhänge, und drohte die Kerzen auf dem Tische zu verlöschen. Magdalena entzog sich dem Kusse des Freundes, die leidenschaftliche Glut des Moments glitt an der reinen Höhe ihres Wesens nieder. Hoch aufgerichtet, die Hand auf den Tisch gestützt, stand sie da, und staunend sah der Jüngling an ihr hinauf. »Eduard,« rief sie nach einer Pause mit einer ernsten feierlichen Stimme, »Eduard, folgen Sie nicht dem Erdgeiste, der uns beide umstricken will, der Augenblick ist heilig, er gießt die Weihe über zwei Menschenleben aus! Eduard, bei dem Erkennungskusse, den unsere Seelen sich heute zugehaucht, bei dem Siegesfeste unserer Liebe! – bei den ewigen Gestirnen, die ihre prophetischen Kreise in diesem Moment über unser Haupt beschreiben, und endlich bei diesem Bilde, das hier aufgerichtet zwischen uns steht – geloben Sie mir einen teuern Eid – geloben Sie mir, hinfort nur für Gott und die Freiheit zu leben! Eduard! Die Stimme unterdrückter Völker tönt an Ihr Ohr! Die edelsten Rechte der Menschheit fordern Ihren Arm zum Verteidiger, die unterdrückte Unschuld fleht zu Ihrem Männerherzen; Sie sind ein Mann, in Ihre Rechte gehört das Schwert; Feigheit wäre es, sich mit taubem Ohr wegzuwenden vom allgemeinen Jammer. Eduard, geloben Sie es mir, hinführo für Gott und die Freiheit zu leben, und wenn ein Dank eines Weibes Sie beglücken kann, so soll es der meinige.« Sie schwieg und mit einem seligen Lächeln blickte sie auf den Freund nieder. »Magdalena,« rief dieser, »mein früheres Leben sinkt in diesem Augenblick vor mir herab; alles, was ich hoch und schön genannt, es hat seinen trügerischen Glanz verloren, die junge Sonne dieser Stunde gibt mich einem neuen Leben hin, führt mich in die Arme der reinsten Liebe, des Glaubens, der Tugend: soll ich da noch anstehen, ihren segensreichen Strahlen zu folgen, wohin sie mich auch immer rufen? Ja, göttliches Mädchen, Dir will ich gehorchen, ein tatenloses armes Dasein möge sich in ein kräftiges reges Wirken umgestalten, an Deiner Hand, durch Deine Leitung. Ich schwöre für Freiheit, Gott und mein Vaterland zu leben.« Magdalena war niedergesunken, das weiße, sie umfließende Gewand breitete sich in weiten Falten um sie herum, sie neigte ihr Haupt auf die gefalteten Hände, eine tiefe Pause herrschte im Gemach; Eduard beugte sich zu ihr herab, sie leise, aber innig umfassend, wandte er das zarte, goldgelockte Oval sanft zu sich über. Mit niedergeschlagenen Augen und noch gefaltenen Händen duldete die schöne Gestalt den glühenden Verlobungskuß, den er ihr aufdrückte.

      Unser Freund verlebte jetzt paradiesische Tage; es war ihm ein Bedürfnis, glückliche Menschen um sich zu sehen, und deshalb bekümmerte es ihn, daß im Hause des Barons noch immer keine befriedigende Nachrichten wegen der Flüchtlinge eingelaufen waren. Es schien, als wenn ihre Spur sich plötzlich unter die Erde verloren hätte, denn im ganzen Umkreis des Schlosses sowohl als auf den Stationen der verschiedenen Straßen hatte man sie weder beherbergt, noch ihnen begegnet. Es neigte sich der dritte Tag schon zu Ende und ein paar abgeschickte Boten kamen ebenfalls unverrichteter Sache zurück, da zeigte sich August, der von seinen gewöhnlichen Streifereien im Forste heimgekehrt war, mit besonders heiterer Miene. Er winkte Eduarden zu sich, und flüsterte ihm ins Ohr, daß er sich jetzt getraue, die Schwester zu finden, er wüßte gar wohl, wo man sie verborgen habe, und wenn Eduard die Entdeckungsreise mitmachen wolle, so stehe er ihm für den besten Erfolg und außerdem für vielen Spaß. Unser Freund entschloß sich, dem jungen Kadetten zu willfahren; es wurden noch an demselben Nachmittag Anstalten insgeheim getroffen, der Pastor, der von der neuen Hoffnung etwas erlauscht hatte, schloß sich den beiden Jünglingen an, und so gingen sie in den benachbarten Forst. Unterwegs tat der lebhafte August sein Geheimnis kund, er hatte es nämlich vor dem Vater verbergen müssen, daß er auf seinen Gängen im Walde ein hübsches Bauermädchen entdeckt habe, mit welcher es dem bildschönen lustigen Jägerburschen eben nicht schwer geworden war, ein Liebesverständnis anzuknüpfen. »Es war damit,« erzählte er, »ganz so, wie es in jenem Liedchen von der schönen Müllerin heißt, sie kam auch, in des Morgens Frische ihr liebes Angesicht zu baden, indes ich hinter dem nächsten Baum auf meine Flinte gelehnt dastand, und ihr zusah. Ich werde es nie vergessen, wie ich damals den ersten Kuß von einem Mädchen erhielt, wie ich mit meinen Lippen ihre vom Bade nassen und kalten Wangen erwärmte, und ihre volle kleine Gestalt mit meinem Arm umschloß; es ist wahrlich schade, daß ich sie euch nicht zeigen kann, doch pflegt sie mit ihrem Vater erst später nach Hause zu kommen. Von ihr nun hab' ich es erfahren, daß meine gute Schwester hier im Walde sich verbirgt, und der Journalist mit seinen Freunden in der Residenz korrespondiert, um einen Wagen herkommen zu lassen, in welchem es ihm dann leicht möglich wird, die nahe Grenze zu erreichen, ohne die Stadt und die bekannten Wege zu passieren. So gut als gewiß ist es, daß heute der Wagen angelangt ist, und wenn er nun aus dem Walde eilen will, so muß er hier vorüber und läuft uns dann gerade in die Arme. Es gilt also nur, ein Stündchen hier zu warten, wozu der freundliche, schöne, von Sonnenschein und Vogelgesang belebte Waldplatz ohnedies einladet. Aber was geschieht da unserm Pastor?« Der Prediger war während des Gesprächs vorausgeeilt, an einen kleinen Abhang geraten und trotz seiner großen Vorsicht hingestürzt, jedoch ziemlich glücklich bei nachgleitenden Rockschößen auf dem Sande in die Tiefe niedergefahren; als Eduard und August dem verschwindenden Manne nacheilten, fanden sie ihn schon unten angelangt und zwei Bauerburschen beschäftigt, die ehrwürdigen Amtskleider auszuklopfen und auszustäuben. Jetzt war man im Thale, wo die geschwätzige Mühle ihre Räder mit einem heimlichen Rauschen trieb, als erzähle sie den jungen Waldbäumen uralte wundersame Mährchen; das Häuslein selbst lehnte so schmeichelnd zärtlich mit seinen grünen umsponnenen Fenstern an der hellen Felswand, daß den beiden Jünglingen das Herz aufging und sie ihre Arme dagegen ausbreiteten. Der Kadett warf sich an die Brust seines älteren Freundes, und zog ihn auf die kleine Bank nieder, auf der er mit seiner Marie so oft gesessen hatte; indes ließ sich der Pastor von seinen beiden klopfenden

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