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Ringe hin- und herbewegte, und zuweilen durch die warme Stille des Gemachs einen lauten Schrei tat. Der Mittag lag auf den geöffneten hohen Fenstern, und nur von Zeit zu Zeit wölbte ein Luftzug die schweren rotseidenen Falten der niedergelassenen Vorhänge. Eduard stand am Pfeiler gelehnt und schaute auf die in der Schwüle daliegende Natur, dann verließ er den Saal, und betrat, in Gedanken vertieft, die daran stoßenden Gemächer. Immer weiter und weiter wandelnd, gelangte er in ein mit Sammetteppichen bekleidetes Eckzimmer, eine in der Tiefe des Gemachs ertönende Spieluhr zog ihn weiter, und endlich blieb er vor einem Bilde stehen, welches die Prinzessin darstellte, von einem vorzüglichen Künstler gemalt. Eine Uhr schlug in den inneren Gemächern, Eduard hörte nichts, jetzt wandte er sich aus seinen Träumen nach der Türe um, da stand sie – Magdalena – groß, in weicher Stellung gebogen an die Türe gelehnt. Einen Moment blieben sich beide stumm gegenüber; Eduard konnte den Blick des großen blauen Auges, das mit einem unaussprechlichen Ausdruck auf ihm ruhte, nicht ertragen, er erhob seine Stimme, um sie anzureden, da plötzlich stürzte mit einem kurzen, kaum hörbaren Laut das schöne Bild zusammen, und lag leblos da auf dem roten Teppich des Bodens. Der dumpfe Ton, mit dem das Haupt auf dem Absatz der Schwelle niederschlug, hallte durch die tiefe Stille, und preßte dem erstarrten Jünglinge einen Schrei des Entsetzens aus; er stürzte nieder, fing den Busen und das von den aufgelösten bleichen Locken umspielte Antlitz in seinen Armen auf, und schaute in trostlosem Schmerze auf die gebrochene Gestalt nieder. Endlich hob sich die leblose Brust wieder, ein langer, aus der Tiefe des gepreßten Herzens aufzitternder Seufzer brachte das entflohene Leben zurück, doch noch lag auf den geschlossenen Augen, auf den marmorgleichen Zügen der Ausdruck eines unendlichen Schmerzes. Die Bewegungen des Busens wurden heftiger und ließen den Ausbruch eines Krampfes fürchten; in Besorgnis und Angst preßte Eduard seine heiße Hand ihr unter die Brust. Jetzt erwachte die Arme, und ein Strom von Tränen rann auf die weiße Atlasrobe herab; der besorgte Jüngling leitete sie zu dem nächsten Armstuhl, dort lispelte sie einige Worte des Danks, und ein bittender Wink sprach den Wunsch aus, sich allein zu sehen. Er gehorchte augenblicklich, im Vorbeigehen hob er ein kleines einfaches Kreuz auf, welches sich von einer Kette am Busen des Fräuleins gelöst hatte; betäubt und an allen Sinnen erregt, langte er auf seiner einsamen Stube an. Seiner Aufmerksamkeit entging es, daß alles im Hause wild durcheinander lief, daß Verwirrung und Bestürzung der Gemüter, selbst des Barons sich bemächtigt hatte; die Türe hinter sich abschließend, warf er sich auf sein Ruhebett, und Tränen quollen unwillkürlich aus seinem Auge. Wie ein zündender Strahl kam ihm jetzt der Gedanke, jenes kleine Bild auszuführen. Er arbeitete bis in den sinkenden Abend unausgesetzt, und als er es vollendet hatte, waren es Magdalenens Züge, die jene umschauende Gestalt zeigte; sie war es – der hohe siegreiche Wuchs, die Fülle der hellen Locken, dem Nacken entflatternd, so eilte sie dahin, und in dem rückschauenden Auge lag jener wunderbar schmerzliche und doch beseligende Blick angedeutet, den sie auf ihn geheftet hatte. Ein tiefes Weh zog durch seine Brust, er preßte beide Hände gegen das Antlitz, und eine Stimme, leise, aber durch alle seine Pulse zuckend, klang: »Warum verfolgst du mich?« Ja, er fühlte es, er liebte, liebte das Mädchen, das er mit so schneidender Kälte verfolgt – sich selbst marternd, hatte er ihren weichen Busen gemartert, ihr edles Herz zerfleischt. Ottfrieds Worte vom Schmerz, jenes Liedchen, die bewußtlosen Träume und Bilder, die ihn bis jetzt verfolgt, endlich der fürchterliche Augenblick, wo er das angebetete Mädchen in der Qual ihres gebrochenen Herzens niederstürzen sah – Alles stürmte jetzt auf ihn ein, und wie ein Kind weinend, warf er sich in seinen Stuhl, und zitternd, im ungemessenen Ausbruche des ersten tiefen Gefühls, flogen seine Glieder. Immer und immer tönten die Worte:

      »Warum verfolgst du mich?« Immer wieder traf jener Blick in sein Herz, immer von neuem vernahm sein Ohr den dumpfen gebrochenen Laut, mir dem sie niederstürzte; seine Marter erstieg den höchsten Gipfel. Die Nacht kam auf leisen Fittichen, die Sterne zogen hinauf, noch immer lag er im Sessel. Armes, armes, süßes Mädchen! Du konntest in der Gemißhandelten warmen Brust das Bohren des kalten Dolches nicht länger erdulden, es warf die Kälte des Freundes dich, eine Leiche, zu Leichen, dein schöner Leib schlug zu seinen Füßen nieder! Wider deinen Willen sollte dein brechendes Auge das seinige öffnen. Wie kalt, wie arm, wie dürftig lagst du da, und dennoch gegen deine Engelglorie wie höflich, wie elend stand ich da in der Verzerrung meines Innern, ausgehöhlt von kalten Hohn gegen alles Edle und Schöne, was die Erde trägt. Ich Thor, erschlossen glaubte ich mir schon jede Erdenseligkeit, auf den Höhen des Lebens meinte ich gewandelt zu haben, und stehe als Neuling geblendet vor den ausfliegenden Toren eines nie geahneten Paradieses. Sie liebt mich! Du liebst sie! O seltsames, schmerzliches Rätsel – habe ich nicht oft geträumt, zu lieben? in süßer Trunkenheit suchten im Kusse sich die Lippen, Auge entzündete sich im Auge, und ein kurzer Schmerz drückte das Erwachen aus; – hier aber greift der Schmerz zuerst in das Leben, vernichtend, entsetzlich! o Magdalena, Magdalena! –

      Sturmwolken trieben am Himmel hinauf und verhüllten den Glanz der Gestirne, ein Gewitter ließ sich in leisen, dumpfen Schlägen vernehmen, und gestaltlos feurige Scheine flogen am Horizonte hin. Eduard hatte seinen Blick fest aufs Schloß gerichtet, er suchte eifrig das Fenster des Gemachs, wo ihn heute das Schicksal erfaßt hatte, um sein ganzes Leben plötzlich umzugestalten. Die Zimmer waren dunkel, doch weit davon, wo die Gemächer der Prinzessin begannen, leuchtete noch ein einsames Licht durch rote Vorhänge, wie ein feuriges Auge durch die Nacht, herüber. An diesem Lichte sitzt sie, in Träume versenkt, rief er bei sich, auch ihre Seele flieht der Schlaf, die süße Ruhe auf immerdar! Auch ihr geht in Ahnungen dein erwachender Liebesmorgen auf. Das Wetter zog näher, und die schwülen Töne rollten jetzt dumpf die tiefe Leiter hinab, heller zuckten die breiten zerfließenden Strahlen. Die Gerüche der Blüten unter dem Fenster, von der Schwüle entzündet, verbreiteten fast betäubende Düfte, die Luft selbst war ein heißer Atem, der sich vergeblich zu kühlen strebte an der Stirn, dem Busen des armen Jünglings. Die Erschütterung seines Wesens ging jetzt in tiefe Ermattung über; er entschlief auf dem Ruhebette, und indes die Gewitter sich über seinem Haupte entladeten, glaubte er im Traume finster drohende Stimmen über sich zu vernehmen. Er erblickte Gestalten über sich, die zusammentraten, um über ihn Gericht zu halten; es erschien Emiliens Bild, dann schütterte ein ungeheures Krachen dicht neben ihm nieder, ein gelber Schein füllte das Gemach! Entsetzen faßte ihn, er sah das Schloß in vollen Flammen stehn. Mit der Schnelligkeit des Sturmwindes flog er die wohlbekannten Wege hinauf, durchlief die Gemächer, welche von einem ungeheuern Angstruf widerhallten, und drang mitten ins Getümmel. Wehende Schleier, fliehende Gestalten, zugeschleuderte Türen, qualmende Rauchwolken und züngelnde Flammen warfen sich ihm in den Weg; durch sie alle fand sein Fuß den Weg – und dort, dort im roten Gemach – dort lag sie noch auf dem Sessel, wo er sie verlassen, eine bleiche niedergeknickte Lilie, das Haupt in die Arme geschlossen, von der Glut der Flammen blaßrot angehaucht. Mit riesiger Kraft umfing er den schönen Leib, der süße Busen, von einem Gott mit dreifacher Glut durchströmt, küßte auffliegend seine heiße Wange, sein Auge trank Reize, die sein innerstes Mark berauschten, und der Wahnsinn der höchsten Leidenschaft spielte mit dem Moment des Todes. Nirgends ein Ausgang! Flammen wie Säulen umstanden, zu einem Tempelrund geschlossen, das trunkene Paar – da war es ihm vergönnt, in einem Kusse zu sterben. – Geständnis und Erhörung krönten sich gegenseitig; in dem Moment krachten die Balken der Decke zusammen, und unser Freund erwachte aus seinem Traum. Die abgekühlte nasse Luft strich durchs Gemach – der Mond, aus dem zerrissenen Wolkenmeer sich erhebend, warf seinen Blick auf das ruhig daliegende Schloß und die friedliche Gegend.

      Als Eduard hinunter zur Familie kam, erfuhr er den Grund des gestrigen Aufruhrs, – Sophie war mit dem Journalisten entsprungen, und man mußte glauben, daß die Flüchtlinge ihren Weg nach der Residenz genommen; doch war es eben so wahrscheinlich, der Zeitungsschreiber habe seine Beute mit in sein Vaterland, in die Schweiz, entführen wollen, wo, wie man wußte, seine Familie einige Besitzungen inne hatte. August war beauftragt worden, mit einigen Knechten den Flüchtlingen nachzusetzen, denn es ließ sich erwarten, daß das ungewöhnlich starke Gewitter in der Nacht ihre beschleunigte Reise bedeutend aufgehalten haben mußte. – Der Baron hatte anfangs lebhaft gezürnt, doch jetzt schien ihm die Hoffnung gewiß, die Entflohenen wieder einzuhaschen; er saß in seinem Armstuhl am Fenster, und begrüßte unsern Freund mit einem trüben Lächeln. »Das ist,« rief er, »ein Stückchen vom neuen Regime, so äußert sich diese interessante Wut: wahrlich, ich werde noch müssen für meine alten Tage eine bezahlte Pflegerin

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