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Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
Читать онлайн.Название Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien
Год выпуска 0
isbn 9788027237890
Автор произведения Alexander von Ungern-Sternberg
Издательство Bookwire
»Warum verfolgst du mich?« Immer wieder traf jener Blick in sein Herz, immer von neuem vernahm sein Ohr den dumpfen gebrochenen Laut, mir dem sie niederstürzte; seine Marter erstieg den höchsten Gipfel. Die Nacht kam auf leisen Fittichen, die Sterne zogen hinauf, noch immer lag er im Sessel. Armes, armes, süßes Mädchen! Du konntest in der Gemißhandelten warmen Brust das Bohren des kalten Dolches nicht länger erdulden, es warf die Kälte des Freundes dich, eine Leiche, zu Leichen, dein schöner Leib schlug zu seinen Füßen nieder! Wider deinen Willen sollte dein brechendes Auge das seinige öffnen. Wie kalt, wie arm, wie dürftig lagst du da, und dennoch gegen deine Engelglorie wie höflich, wie elend stand ich da in der Verzerrung meines Innern, ausgehöhlt von kalten Hohn gegen alles Edle und Schöne, was die Erde trägt. Ich Thor, erschlossen glaubte ich mir schon jede Erdenseligkeit, auf den Höhen des Lebens meinte ich gewandelt zu haben, und stehe als Neuling geblendet vor den ausfliegenden Toren eines nie geahneten Paradieses. Sie liebt mich! Du liebst sie! O seltsames, schmerzliches Rätsel – habe ich nicht oft geträumt, zu lieben? in süßer Trunkenheit suchten im Kusse sich die Lippen, Auge entzündete sich im Auge, und ein kurzer Schmerz drückte das Erwachen aus; – hier aber greift der Schmerz zuerst in das Leben, vernichtend, entsetzlich! o Magdalena, Magdalena! –
Sturmwolken trieben am Himmel hinauf und verhüllten den Glanz der Gestirne, ein Gewitter ließ sich in leisen, dumpfen Schlägen vernehmen, und gestaltlos feurige Scheine flogen am Horizonte hin. Eduard hatte seinen Blick fest aufs Schloß gerichtet, er suchte eifrig das Fenster des Gemachs, wo ihn heute das Schicksal erfaßt hatte, um sein ganzes Leben plötzlich umzugestalten. Die Zimmer waren dunkel, doch weit davon, wo die Gemächer der Prinzessin begannen, leuchtete noch ein einsames Licht durch rote Vorhänge, wie ein feuriges Auge durch die Nacht, herüber. An diesem Lichte sitzt sie, in Träume versenkt, rief er bei sich, auch ihre Seele flieht der Schlaf, die süße Ruhe auf immerdar! Auch ihr geht in Ahnungen dein erwachender Liebesmorgen auf. Das Wetter zog näher, und die schwülen Töne rollten jetzt dumpf die tiefe Leiter hinab, heller zuckten die breiten zerfließenden Strahlen. Die Gerüche der Blüten unter dem Fenster, von der Schwüle entzündet, verbreiteten fast betäubende Düfte, die Luft selbst war ein heißer Atem, der sich vergeblich zu kühlen strebte an der Stirn, dem Busen des armen Jünglings. Die Erschütterung seines Wesens ging jetzt in tiefe Ermattung über; er entschlief auf dem Ruhebette, und indes die Gewitter sich über seinem Haupte entladeten, glaubte er im Traume finster drohende Stimmen über sich zu vernehmen. Er erblickte Gestalten über sich, die zusammentraten, um über ihn Gericht zu halten; es erschien Emiliens Bild, dann schütterte ein ungeheures Krachen dicht neben ihm nieder, ein gelber Schein füllte das Gemach! Entsetzen faßte ihn, er sah das Schloß in vollen Flammen stehn. Mit der Schnelligkeit des Sturmwindes flog er die wohlbekannten Wege hinauf, durchlief die Gemächer, welche von einem ungeheuern Angstruf widerhallten, und drang mitten ins Getümmel. Wehende Schleier, fliehende Gestalten, zugeschleuderte Türen, qualmende Rauchwolken und züngelnde Flammen warfen sich ihm in den Weg; durch sie alle fand sein Fuß den Weg – und dort, dort im roten Gemach – dort lag sie noch auf dem Sessel, wo er sie verlassen, eine bleiche niedergeknickte Lilie, das Haupt in die Arme geschlossen, von der Glut der Flammen blaßrot angehaucht. Mit riesiger Kraft umfing er den schönen Leib, der süße Busen, von einem Gott mit dreifacher Glut durchströmt, küßte auffliegend seine heiße Wange, sein Auge trank Reize, die sein innerstes Mark berauschten, und der Wahnsinn der höchsten Leidenschaft spielte mit dem Moment des Todes. Nirgends ein Ausgang! Flammen wie Säulen umstanden, zu einem Tempelrund geschlossen, das trunkene Paar – da war es ihm vergönnt, in einem Kusse zu sterben. – Geständnis und Erhörung krönten sich gegenseitig; in dem Moment krachten die Balken der Decke zusammen, und unser Freund erwachte aus seinem Traum. Die abgekühlte nasse Luft strich durchs Gemach – der Mond, aus dem zerrissenen Wolkenmeer sich erhebend, warf seinen Blick auf das ruhig daliegende Schloß und die friedliche Gegend.
Als Eduard hinunter zur Familie kam, erfuhr er den Grund des gestrigen Aufruhrs, – Sophie war mit dem Journalisten entsprungen, und man mußte glauben, daß die Flüchtlinge ihren Weg nach der Residenz genommen; doch war es eben so wahrscheinlich, der Zeitungsschreiber habe seine Beute mit in sein Vaterland, in die Schweiz, entführen wollen, wo, wie man wußte, seine Familie einige Besitzungen inne hatte. August war beauftragt worden, mit einigen Knechten den Flüchtlingen nachzusetzen, denn es ließ sich erwarten, daß das ungewöhnlich starke Gewitter in der Nacht ihre beschleunigte Reise bedeutend aufgehalten haben mußte. – Der Baron hatte anfangs lebhaft gezürnt, doch jetzt schien ihm die Hoffnung gewiß, die Entflohenen wieder einzuhaschen; er saß in seinem Armstuhl am Fenster, und begrüßte unsern Freund mit einem trüben Lächeln. »Das ist,« rief er, »ein Stückchen vom neuen Regime, so äußert sich diese interessante Wut: wahrlich, ich werde noch müssen für meine alten Tage eine bezahlte Pflegerin