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Barfüßerchen. Damit stand sie auf und trat zur Hütte hinaus. Die gute Seele blieb ganz traurig sitzen und schrieb weiter: »Heiter und helle riesele die Quelle deiner dich ewig liebenden guten Seele«, horchte aber immer hinaus. Da vernahm sie, wie der schwarzbraune Fähnrich der Busenfreundin erzählte, er wäre einem Herrn im grünen Frack begegnet, der habe ihm die Wege gewiesen nach Küssemich; es wär' aber ein completter Filou, denn er habe ihn schmählich in die Irre geführt. Er kenne ihn schon und werd's ihm eintränken. Ei, erwiederte die Busenfreundin, den Weg nach Küssemich weiß ich wohl. Ihr müßt aber Hochzeit mit mir halten. Indessen schrieb die gute Seele drinnen in der Hütte: Ich will hinein und muß hinein, und soll's auch in die Quere sein! Dann rief sie: Busenfreundin, Busenfreundin! kommst du bald? – Gleich! gab die zur Antwort; aber sie saß schon hinten bei dem schwarzbraunen Fähnrich auf dem Sattel. Wie sie nun immer noch nicht kam, schaute die gute Seele durchs Fenster und bekam ihren ganz ordentlichen Schreck. Um Gotteswillen, Busenfreundin, wo willst du hin? – Hochzeit machen, gute Seele! – So laß mich doch wenigstens deine Brautjungfer sein! – Das geht nicht, gute Seele, hast ja weder Strumpf noch Schuh, auch kein sauberes Kleid dazu! – Was soll ich nun aber machen so allein? – Stammbuchverse, gute Seele; alle die Stammbücher schenk' ich dir; und nun leb wohl, und wirst du einst an deine Freundinnen denken, denk doch auch an mich zurück! Wirst du ihnen Stunden schenken, schenke mir nur einen Augenblick! – Wie sie das gesagt hatte, machte das Rößlein Kehrt, der schwarzbraune Fähnrich schwenkte seine Fahne und sang:

      Mein Herzblut geht in Sprüngen,

       Mein Rößlein geht im Trab.

       Das nenn' ich noch ein Reiten!

       Wildfremdes Land zur Seiten;

       Bergauf da geht's fein sachte,

       Und hurrah fliegt's bergab.

      Der Gaul kennt alle Schenken,

       Da kaut er süßes Gras.

       Sein Herr ißt Kraut im Schüßlein

       Und giebt dem Mädel ein Küßlein;

       Dann trinkt er einen Schoppen –

       Ei das gefällt ihm baß.

      Damit flogen die zwei in den fernen Forst hinein und es war grabstille um die Hütte herum, so daß man die Thränen fallen und tropfen hörte, die die gute Seele weinte. Die aber hatte auch nicht länger Ruh und Rast in der Hütte der Busenfreundin, schrieb nur noch auf das letzte Blatt eines Stammbuchs: »Wer dich lieber hat als ich, der schreibe sich hinter mich«, und nahm's mit zum Andenken; dann ging sie hinaus und wieder zwischen die Bäume, daß ihr ordentlich gruselte, denn die Vögel flogen ihr dicht an dem Köpfchen vorbei und alle Augenblick stieß sie ihre Elfenbeinchen wund. Sie kam auch wieder ins freie Feld, begegnete aber keiner Seele, als einem Ehemann, der an einem langen Bindfaden seinen Hausdrachen steigen ließ, und der guten Seele von Herzen gratulirte, daß ihr der schwarzbraune Fähnrich durchgegangen sei; sonst wäre sie am Ende auch ein Hausdrache geworden, obwohl sie so eine gute Seele sei; denn in der Ehe da würden die Allerbesten hochfahrend. Da bat die gute Seele noch für den Hausdrachen, und wenn der Bindfaden risse, wär's doch ein halsbrechend Ding, bis der Ehemann endlich nachgab. Gottlob! dachte die gute Seele und ging ihrer Wege weiter.

      Nun kam sie auf einen hohen Berg, drauf im Winter ewiger Schnee lag; dazumal aber war er schön grün. Oben stand eine Hütte, und man hörte einen schnarchen drinnen. Da wollte die gute Seele schon wieder weg, um den Schläfer nicht zu stören; aber auf einmal kam ein Erzengel durch die Luft daher, und das war der Michael, der rief: Jacob, Jacob! es ist sieben, Uhr! Wie lange wird's heute mit den Sternen? der Herrgott hat eben das Psalmbuch weglegen müssen, weil's so dunkel ist. – Nach einer Weile kam der alte Jacob richtig herausgewackelt aus der Hütte, und hatte ziemlich schief geladen, so daß die Himmelsleiter, die er auf der Schulter trug, gefährlich hin und her schwankte. Laßt einem doch auch sein bischen Ruhe! brummte er; die alten Knochen sind lahm genug. Aber sieh da, da ist ja die gute Seele. Ei komm näher, liebes Kind! wart da ein bischen, bis ich oben die Lampen angezündet habe; dann sollst du schon dein blaues Wunder sehen. Damit drückte er die gute Seele auf ein Bänkchen neben der Hütte, stellte dann die Leiter an die Sterne an, der Reihe nach, und kletterte, für seine Jahre behend genug, hinauf. Dann macht' er's wie die Laternenputzer sonst, und rutschte ganz bequem wieder herunter; und das that seinen Beinkleidern gar nichts, denn die waren von dem Fell des Schafböckleins, mit dem er seinen Bruder Esau betrogen hatte. Als oben Alles gehörig brannte, nahm er die gute Seele auf den Arm und stieg mit ihr bis in den Himmel hinauf; das war noch eine gute Viertelstunde höher, als zu den Sternen. Am Himmelsthor aber übergab er sie dem heiligen Thürhüter Sankt Peter, der mit dem Erzengel Michael die gute Seele gar freundlich empfing und zu einer Menge kleiner Engel schickte, die auf einer großen Wiese Ringel-Ringel-Rosenkranz spielten. Da lieh ihr gleich eins seine Flügel, bis der Herrgott ihr neue hatte machen lassen, und gab ihr auch ein Stückchen Heiligenschein ab, womit sie vorläufig sich behalf. Nun kann jeder denken, wie froh die gute Seele war, und daß sie geschwind all ihre Stammbuchblätter vertheilte. Es war auch dafür gesorgt, daß auf der Wiese weder Blumen noch Gras wuchsen, die sie hätte zertreten können; und doch war's weich und ihre Elfenbeinchen thaten ihr nimmer weh.

      So lebte die gute Seele alle Tage in lauter Freuden, und lernte sehr schön Choral singen und Sternschnuppen aus Goldpapier schnitzeln. Ihren Bierbruder und ihre Kaffeeschwester sah sie nicht wieder, weil die nicht in den Himmel kamen. Aber einmal, als sie gerade am Himmelsfenster stand und hinunterschaute, sah sie die Busenfreundin an einem langen Bindfaden in der Luft schweben; denn sie war auch ein Hausdrache geworden und sehr hochfahrend, und unten stand der schwarzbraune Fähnrich mit dem wundervollen Schnurrbart und ließ sie steigen. Hui! da kam plötzlich ein Windsbräutigam angeflogen und entführte die Busenfreundin hoch in die Luft, und der schwarzbraune Fähnrich hielt sich an dem Bindfaden fest und flog seinem Hausdrachen immer nach. So schwebten sie zwischen Himmel und Erde und konnten gar nicht wieder Ruhe finden. Wie die gute Seele das sah, fing sie bitterlich an zu weinen; denn es war doch ihre Busenfreundin. Da trat plötzlich der Herrgott zu ihr heran und sagte: Es hilft dir nichts, gute Seele; 's ist ihnen schon ganz recht, und sie müssen noch ein paar tausend Jahre so herumfliegen. – Ach Gott, seufzte die gute Seele, und dann? – Dann wollen wir weiter sehn, gab der Herrgott zur Antwort; aber vorläufig ist das Märchen zu Ende.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war einmal ein kleines, flachshaariges Schusterjüngelchen, das die Dorfbuben den Pechhansel nannten, obwohl sein richtiger Taufnamen ein gar schöner war, nämlich Johannes. Vater und Mutter hatte er nicht mehr, die waren alle beide todt. Sein Vormund aber hatte ihn geschwind einsegnen lassen und zu dem Schuster von Gansdorf in die Lehre gethan, und ihm noch zum Valet und Angedenken an ihn eine wunderschöne Zieh-Harmonica mitgegeben, mit acht Klappen und drei Luftlöchern, denn er sollte ein ganzer Schusterjunge werden, und ohne die Harmonica wär' er doch nur ein halber gewesen. Trotzdem mochte ihn die Frau Meisterin nicht leiden, denn er war zuweilen ein bischen grob gegen sie; und den Herrn Meister konnte er wieder nicht ausstehn, denn der war grob gegen ihn, und wenn er einen Wasserstiefel verschnitten hatte oder einen Holzpantoffel, war der Meister nicht faul hinterher, machte ihm einen warmen Umschlag von Prügeln über den Rücken, und dann konnte man auf selbigem die vier russischen Nationalfarben schauen, nämlich braun und blau, und grün und gelb, und die Frau Meisterin, die in der Küche stand, sagte ganz laut: Es muß immer noch besser kommen.

      Hansel aber, wenn er wieder beim Leisten auf dem Schemelchen kauerte und die hellen Thränen ihm vor lauter Aerger immer noch aus den Augen liefen, dachte bei sich: Bin ich nicht ein schmucker Bursch, und zu Pfingsten werd' ich sechzehn Jahr alt? Und hören mich die Dorfmädel nicht für ihr Leben gern auf der Harmonica spielen? Soll ich mir immer noch den groben Haselstock auf dem Rücken tanzen lassen? Ja, Kuchen! schloß er jedesmal; aber es blieb dennoch beim Alten, denn draußen lag Weg und Steg verschneiet, und die Winde hielten ein Wettrennen und pfiffen dabei so arge Stücklein, daß einem alles Ausreißen verging. Da mußt' es Hansel denn aushalten bei dem Herrn Meister und der Frau Meisterin, obwohl es spitzigkalt war in seiner Kammer und in seinem Magen auch;

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