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zu passen scheint. Sie ist die älteste Schwester, entstanden in einer Zeit, da der fahrende Schüler von einem schwülen Liebesgewitter tief verschattet war. Und die Vögel singen ja ängstlich und wunderlich, wenn ein Wetter aufzieht. Er hat aber dies Lied nicht zurückhalten wollen, um seinem Herzen Genüge zu thun, und wenn es einem schönen dunkeln Augenpaar begegnet, möge es einen freundlichen Gruß sagen und an Einen erinnern, der gern vergeßlicher wäre.

      Geschrieben in der Schweiz, am 6. Sept. 1849.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war einmal ein blutarmes, verlassenes Ding, das hieß die gute Seele, und war schlank und fein gewachsen und hatte rechte Elfenbeinchen, die aber leider barfuß laufen mußten. Verwandtschaft hatte sie auf der ganzen Welt nicht; nur einen Bierbruder und eine Kaffeeschwester, die gingen mit ihr um, als wäre sie das Aschenputtel, und gaben ihr kein gutes Wort. Das stand die gute Seele eine Zeitlang aus, bis sie vom Herrn Pastor eingesegnet war. Nun, dachte sie, hab' ich Schuh' und Strümpfe, da geh' ich in die Fremde, weit weit weg. Aber weil sie doch einmal die gute Seele war, brachte sie's nicht übers Herz, fortzulaufen, ohne ihrem Bierbruder und ihrer Kaffeeschwester was davon zu sagen. Alle die eingesegneten Mädchen, sprach sie, haben sich einen Schatz angeschafft, und meine Freundinnen schauen sich nicht mehr viel nach mir um. Ich will sehen, ob ich auch irgendwo einen Liebsten aufgabele, oder eine neue Freundin. – Ja, du Zeisig, erwiederte der Bierbruder, meinethalb magst du nach Lappland gehn, wo du hingehörst! Aber dein schwarzes Abendmahlskleid lass' ich dir nicht; das Bairische wird mir immer theurer. – Und mir geht der Zucker auf die Neige und der Stippzwieback, sagte die Kaffeeschwester. Gieb flink deine Schuh' und Strümpfe her! wir müssen Alles wieder auf den Trödel geben. – Da zogen sie der guten Seele ohne Mitleid ihre alten Fetzchen wieder an, gaben ihr eine trockne Brotrinde und ließen sie laufen. – Das ging langsam genug; denn alle Augenblick kam ein Käfer über den Weg gelaufen, den konnte sie doch nicht todt treten; oder eine Blume stand todtmüde oder gar halb ohnmächtig auf der Seite, da mußte sie geschwind die Händchen in den Bach tauchen und ihr ein bischen Wasser ins Gesicht spritzen, daß sie wieder zu Athem kam. Das hat man davon, wenn man die gute Seele ist, sagte sie vor sich. Man wird gar nicht fertig.

      Nun kam sie in einen Wald, da standen Erdbeeren in Fülle und sie labte sich recht daran. Sie werden doch gepflückt, entschuldigte sie sich dabei, ob ich sie esse oder ein Anderer. Dann setzte sie sich, weil ihr die zarten Füße weh thaten, holte ihr Tagebuch heraus und beschrieb ihre bisherigen Reise-Abenteuer, und wie sie damit fertig war, dachte sie: Singst du jetzt ein Lied, oder nicht? Am Ende weckt es ein krankes Vöglein, das eine Stunde geschlummert hat. Aber wenn dich gerade eine sterbende Lerche hört, meint sie, sie vernähme schon den Gesang der Engel im Himmel und du machst ihr letztes Gebet fröhlich. – Also fing sie an zu singen, und das klang recht ordentlich so, als ob eine gute Seele sänge:

      Der Tag wird kühl, der Tag wird blaß,

       Die Vögel streifen übers Gras;

       Ei wie die Halmen schwanken

       Vor ihrer Flügel Wanken,

       Und leise wehn ohn' Unterlaß.

      Und Abends spät die Liebe weht

       Ob meines Herzens Blumenbeet.

       Das ist ein heimlich Beben,

       Und süße Gedanken weben

       Sich in mein tiefstes Nachtgebet.

      Du fernes Herz, komm zu mir bald!

       Sonst werden wir Beide grau und alt,

       Sonst wächst in meinem Herzen

       Viel Unkraut und viel Schmerzen;

       Da wird's den Blumen gar zu kalt!

      Wie sie aufsah, gewahrte sie eine große Tafel am Wege, da stand drauf: Reitweg. Ach Gott, sagte sie, da muß ich nur wo anders gehn; der arme Weg wird ohnehin genug von den Hufschlägen zu leiden haben; was soll ich noch mit meinen dünnen Elfenbeinchen drauf herumstapeln! Sie wollte eben fort, da hörte sie Einen daherreiten im Schritt, eine prächtige zerrissene Fahne in der Faust, denn es war der schwarzbraune Fähnrich mit dem wunderschönen Schnurrbart. Wie den die gute Seele sah, blieb sie stehn, faßte an ihr Herz und sagte: Gottlob! eben verliebe ich mich. Der Fähnrich aber ritt heran und sagte: Liebe gute Seele, wo geht der Weg nach Küssemich? – Darauf antwortete die gute Seele ganz fix: Lieber schwarzbrauner Fähnrich mit dem wunderschönen Schnurrbart, es ist ganz nah, vom Rößlein herab, drei Schritte zu mir, dann ein bischen gebückt, weil ich eine gar zu kleine Person bin. – Ach was! sagte der Reiter, versteh mich recht; ich meine das Dorf Küssemich, das drei Stunden südlich von Lieberose liegt. – Da weiß ich den Weg bei Gott nicht, erwiederte die gute Seele; aber sag, schwarzbrauner Fähnrich, willst du nicht mein Schatz sein? siehst du, ich bin eben eingesegnet und habe noch keinen und auch keine Busenfreundin. – Wie der zu Roß das hörte, fing er an zu lachen, ritt ohne Antwort weiter und sang:

      Nun stehn die Rosen in Blüte,

       Da wirft die Lieb' ein Netzlein aus.

       Du schwanker, loser Falter,

       Du hilfst dir nimmer heraus!

      Und wenn ich wäre gefangen

       In dieser jungen Rosenzeit,

       Und wär's die Haft der Liebe,

       Ich müßte vergehen vor Leid.

      Ich mag nicht sehnen und sorgen;

       Durch blühende Wälder schweift mein Lauf.

       Die lust'gen Lieder fliegen

       Bis in die Wipfel hinauf.

      Wie die gute Seele den Fähnrich so schnöde davonreiten sah, ging sie auch traurig mitten in den Wald hinein und seufzte dabei: Ach aber er hat doch einen gar zu schönen Schnurrbart! Wo krieg' ich nun geschwind so einen Schatz wieder! Indem sie ganz schwermüthig darüber nachdachte, begegnete ihr ein alter Herr, gar wohl parfümirt, in schönem grünem Frack, der hieß Waldmeister. Guten Tag, gute Seele, sagte er. Hast du nicht den schwarzbraunen Fähnrich reiten sehn? Sein Rößlein ist bei mir eingekehrt und hat mir meine besten Kräuter gefressen, und ist dann auf und davon, ohne die Zeche zu bezahlen. – Ach der! sagte die gute Seele, der ist nach Küssemich geritten. – Danke schön, erwiederte der Waldmeister. Nun will ich dir auch einen Gefallen thun. Gehe noch ein Weilchen, bis wo der Wald hell wird, da wirst du eine Hütte finden, in der wohnt die Busenfreundin. – So ließ er die gute Seele auf einmal allein und wartete ihr Bedankemich gar nicht ab. Die gute Seele aber war wie im siebenten Himmel, lief was sie konnte und kam richtig an die lichte Stelle, wo das Hüttlein stand. Da klopfte sie höflich an, und innen rief's: Nur immer herein, du gute Seele! Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und fand innen wahrhaftig die Busenfreundin, die ihr gleich einen Kuß gab und sagte: Dein bis in den Tod! Und noch länger bis in alle Ewigkeit! fügte die gute Seele hinzu, und die Busenfreundin sagte: Ja freilich!

      Nachdem sie einander recht das Herz ausgeschüttet und jede der andern ihr Tagebuch vorgelesen hatte, zeigte die Busenfreundin der guten Seele all ihre Herrlichkeiten. Nun war das Hüttchen gar eng, und stand nur Ein Tisch und Ein Stuhl und Ein Bett darin, aber ein großer großer Glasschrank, der war ganz voll von Stammbüchern, alle in rothem Sammt mit Goldschnitt. Da setzten sich die Beiden hin, nahmen ein Stammbuch und schrieben den halben Tag lang Stammbuchverse; zum Exempel: Nie verlösche die Flamme der Freundschaft! oder: Rosen und Nelken, alle diese Blumen welken, aber meine Liebe nicht; lebe wohl, vergiß mein nicht! und noch eine Menge andrer. Das schrieben sie aber Alles, weil sie so unzertrennlich waren, mit einer einzigen Feder, weiß der Himmel, wie sie's gemacht haben, aber wahr ist es. Zu Mittag aßen sie Sonnenstäubchen mit Freundschaftskalteschale, und schrieben dann eilig weiter, denn es waren ja noch so sehr viel leere Stammbücher im Glasschrank.

      Plötzlich hörten sie draußen Pferdegetrappel, und die gute Seele sah zum Fenster hinaus und erblickte den schwarzbraunen Fähnrich auf seinem Rößlein. Ach Gott! seufzte sie, denke nur, liebe Busenfreundin, in den habe ich mich vorhin verliebt und er mag mich

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