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und spä­ter zu ei­nem drit­ten Klin­geln. Da­zwi­schen lauscht er, hört nichts, flüs­tert aber doch durch das Schlüs­sel­loch: »Frau Ro­sen­thal, ma­chen Sie doch auf! Ich bring Ih­nen Nach­richt von Ihrem Mann! Schnell, ehe mich ei­ner sieht! Frau Ro­sen­thal, ich hör Sie doch, ma­chen Sie schon auf!«

      Da­zwi­schen klin­gelt er im­mer wie­der, aber al­les ganz er­folg­los. Schließ­lich packt ihn die Wut. Er kann doch nicht auch hier wie­der ganz er­folg­los ab­zie­hen, mit der Otti gibt es einen Hei­den­stunk. Die olle Jüd­sche soll raus­ge­ben, was sie ihm ge­stoh­len hat! Er klin­gelt ra­send, und da­zwi­schen schreit er am Schlüs­sel­loch: »Mach uff, du olle Ju­densau, oder ich la­ckier dir die Fres­se, dass du nich mehr aus den Au­gen kie­ken kannst! Ich bring dich heu­te noch ins KZ, wenn du nicht auf­machst, ver­damm­te Jüd­sche!«

      Wenn er jetzt bloß Ben­zin bei sich hät­te, er steck­te dem Aas auf der Stel­le die Türe an!

      Aber plötz­lich wird Bark­hau­sen ganz still. Er hat tiefer un­ten eine Woh­nungs­tür ge­hen ge­hört, er drückt sich eng an die Wand. Kei­ner darf ihn hier se­hen. Na­tür­lich wol­len die auf die Stra­ße, er muss jetzt bloß stil­le sein.

      Doch der Schritt geht trepp­auf, un­auf­halt­sam, wenn auch lang­sam und stol­pernd. Es ist na­tür­lich ei­ner von den Per­sickes, und ein be­sof­fe­ner Per­si­cke, das ist gra­de, was dem Bark­hau­sen jetzt ge­fehlt hat. Na­tür­lich will der auf den Bo­den, aber der Bo­den ist durch eine ver­schlos­se­ne Ei­sen­tür ge­si­chert, da gib­t’s kein Ver­steck. Nun ist nur noch die ein­zi­ge Hoff­nung, dass der Be­trun­ke­ne, ohne ihn zu mer­ken, an ihm vor­über­geht; wenn’s der alte Per­si­cke ist, kann’s pas­sie­ren.

      Und er hebt den Fuß mit dem ge­na­gel­ten Schuh, setzt ihn aber gleich wie­der hin: zum Fuß­tritt­ge­ben steht er zu wack­lig auf den Fü­ßen.

      Ei­nem Ton wie dem eben ist der Bark­hau­sen ein­fach nicht ge­wach­sen. Wenn er so an­ge­schnauzt wird, kriecht er ganz in sich zu­sam­men, hat bloß Angst. Er flüs­tert de­mü­tig: »Ent­schul­di­gen Sie bloß, Herr Per­si­cke! Woll­te mir nur mal ’nen klei­nen Spaß mit der ol­len Jüd­schen ma­chen!«

      Der Bal­dur legt vor an­ge­streng­tem Nach­den­ken die Stir­ne in Fal­ten. Nach ei­ner Wei­le sagt er: »Klau­en wollts­te, du Aas, das ist dein Spaß mit der ol­len Jüd­schen. Na, geh vor­an!«

      So grob die Wor­te auch wa­ren, so klan­gen sie doch zwei­fels­frei wohl­wol­len­der; für so was hat­te Bark­hau­sen ein fei­nes Ohr. So sagt er denn mit ei­nem für den Witz um Ent­schul­di­gung bit­ten­den Lä­cheln: »Ick klau doch nicht, Herr Per­si­cke, ick or­ga­ni­sier bloß manch­mal ein biss­chen!«

      Bal­dur Per­si­cke er­wi­dert das Lä­cheln nicht. Mit sol­chen Leu­ten macht er sich nicht ge­mein, wenn sie auch manch­mal nütz­lich sein kön­nen. Er klet­tert nur vor­sich­tig hin­ter Bark­hau­sen die Trep­pe hin­un­ter.

      Bei­de Män­ner sind so mit ih­ren Ge­dan­ken be­schäf­tigt, dass sie dar­auf nicht acht­ha­ben, dass die Fl­ur­tür bei den Quan­gels jetzt nur an­ge­lehnt ist. Und sie wird so­fort wie­der ge­öff­net, als die bei­den Män­ner vor­über sind. Anna Quan­gel huscht ans Trep­pen­ge­län­der und lauscht hin­un­ter.

      Vor der Fl­ur­tür der Per­sickes hebt Bark­hau­sen stramm die Hand zum deut­schen Gruß: »Heil Hit­ler, Herr Per­si­cke! Und ich dan­ke Ih­nen auch schön!«

      Wo­für er ei­gent­lich dankt, weiß er selbst nicht so ge­nau. Vi­el­leicht, weil er nicht mit dem Fuß in den Hin­tern ge­tre­ten und die Trep­pe hin­un­ter­ge­wor­fen ist. Er hät­te sich das ja auch ge­fal­len las­sen müs­sen, solch klei­ner Pin­scher wie er ist.

      Bal­dur Per­si­cke er­wi­dert den Gruß nicht. Er starrt den an­de­ren mit sei­nen gla­si­gen Au­gen an und er­reicht, dass der nach kur­z­em zu blin­zeln an­fängt und den Blick zur Erde senkt. Bal­dur fragt: »Du woll­test dir also einen Spaß mit der al­ten Ro­sen­thal ma­chen?«

      »Ja«, ant­wor­tet Bark­hau­sen lei­se mit ge­senk­tem Blick.

      »Was denn für ’nen Spaß?«, wird er wei­ter ge­fragt. »Bloß so Fir­ma Klau und Lan­ge?«

      Bark­hau­sen ris­kiert einen ra­schen Blick in das Ge­sicht sei­nes Ge­gen­übers. »Och!«, sagt er. »Ich hät­te ihr auch schon die Fres­se la­ckiert!«

      »So!«, ant­wor­tet der Bal­dur nur. »So!«

      Eine Wei­le ste­hen sie schwei­gend. Der Bark­hau­sen über­legt, ob er jetzt ge­hen darf, aber ei­gent­lich hat er noch nicht den Be­fehl zum Ab­tre­ten be­kom­men. So war­tet er stumm, mit wie­der ge­senk­tem Blick, wei­ter.

      »Geh da mal rein!«, sagt Per­si­cke plötz­lich mit sehr müh­sa­mer Zun­ge. Er zeigt mit aus­ge­streck­tem Fin­ger auf die of­fe­ne Fl­ur­tür der Per­sickes. »Vi­el­leicht habe ich dir noch was zu sa­gen. Mal se­hen!«

      Bark­hau­sen mar­schiert, wie vom wei­sen­den Zei­ge­fin­ger be­foh­len, schwei­gend in die Woh­nung der Per­sickes. Bal­dur Per­si­cke folgt ein we­nig schwan­kend, aber in sol­da­ti­scher Hal­tung. Die Tür schlägt hin­ter bei­den zu.

      Oben löst sich Frau Anna Quan­gel vom Trep­pen­ge­län­der und schleicht in die ei­ge­ne Woh­nung zu­rück, de­ren Tür sie sach­te ins Schloss glei­ten lässt. Wa­rum sie die bei­den ei­gent­lich bei ih­rem Ge­spräch, erst oben vor der Woh­nung der Frau Ro­sen­thal, dann un­ten vor Per­sickes Tür, be­lauscht hat, sie weiß es nicht. Sie folgt sonst ganz der Ge­wohn­heit ih­res Man­nes: die Mit­be­woh­ner kön­nen tun und las­sen, was sie wol­len. Frau An­nas Ge­sicht ist noch im­mer krank­haft weiß, und in ih­ren Au­gen­li­dern ist ein ir­ri­tier­tes Zu­cken. Ein paar­mal schon hät­te sie sich ger­ne hin­ge­setzt und ge­weint, aber sie kann es nicht. Ihr ge­hen Re­dens­ar­ten durch den Kopf wie: »Es drückt mir das Herz ab«, oder: »Es hat mich vor den Kopf ge­schla­gen«, oder: »Es steht mir vor dem Ma­gen«. Von all dem emp­fin­det sie et­was, aber auch noch dies: »Die sol­len mir nicht un­ge­straft mei­nen Jun­gen um­ge­bracht ha­ben. Ich kann auch an­ders sein …«

      Wie­der weiß sie nicht, was sie mit dem An­ders­s­ein meint, aber dies Lau­schen eben war viel­leicht schon ein An­fang da­von. Otto wird nicht mehr al­les al­lein be­stim­men kön­nen, denkt sie auch noch. Ich will auch mal tun kön­nen, was ich will, auch wenn es ihm nicht passt.

      Sie macht sich eif­rig an die Fer­tig­stel­lung des Es­sens. Die meis­ten Le­bens­mit­tel, die sie bei­de auf Kar­ten zu­ge­teilt er­hal­ten, be­kommt er. Er ist nicht mehr jung und muss stän­dig über sei­ne Kraft ar­bei­ten; sie kann viel sit­zen und Näh­ar­beit tun, also ver­steht sich sol­che Tei­lung von selbst.

      Wäh­rend sie noch mit ih­ren Kochtöp­fen han­tiert, ver­lässt Bark­hau­sen wie­der die Woh­nung der Per­sickes. So­bald er die Trep­pe

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