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zu tun brau­chen, in so was war Bark­hau­sen nie hei­kel.

      Er denkt: Kiek mal, das alte Aas, sol­che fängt sie sich auch ein! Der ist min­des­tens Ban­kan­ge­stell­ter oder Leh­rer …

      In der Kü­che heu­len und jau­len die Kin­der. Bark­hau­sen bringt je­dem eine di­cke Schei­be von dem Brot, das auf dem Tisch steht. Dann fängt er sel­ber zu früh­stücken an, es ist so­wohl Brot wie Wurst wie Schnaps da. Für was so ein Frei­er al­les gut ist! Er streift den Mann auf dem Sofa mit ei­nem zu­frie­de­nen Blick. Der Mann scheint sich nicht so wohl wie Bark­hau­sen zu füh­len.

      Da­rum geht Bark­hau­sen auch schnell, so­bald er ein biss­chen ge­ges­sen hat. Er will den Frei­er um Got­tes wil­len nicht ver­grau­len! Das Gute ist, dass er nun die gan­zen zwan­zig Mark für sich be­hal­ten kann. Bark­hau­sen rich­tet sei­ne Schrit­te nach der Rol­ler­stra­ße; er hat von ei­ner Knei­pe dort ge­hört, wo die Leu­te be­son­ders leicht­sin­nig re­den sol­len. Vi­el­leicht lässt sich da was ma­chen. Man kann jetzt in Ber­lin über­all Fi­sche fan­gen. Und wenn nicht bei Tage, dann bei Nacht.

      Wenn Bark­hau­sen an die Nacht denkt, zuckt es im­mer wie La­chen hin­ter sei­nem lose her­ab­hän­gen­den Schnurr­bart. Die­ser Bal­dur Per­si­cke, alle die­se Per­sickes, was für ’ne Ban­de! Aber ihn sol­len sie nicht für dumm ver­kau­fen, ihn nicht! Sie sol­len bloß nicht glau­ben, bei ihm ist es mit zwan­zig Mark und zwei Schnäp­sen ge­tan. Vi­el­leicht kommt noch mal die Zeit, wo er alle die­se Per­sickes in die Ta­sche steckt. Er muss nur jetzt de­mü­tig und schlau sein.

      Da­bei fällt Bark­hau­sen ein, dass er noch vor der Nacht einen ge­wis­sen Enno fin­den muss, Enno ist viel­leicht der rich­ti­ge Mann für so was. Aber kei­ne Angst, den Enno fin­det er schon. Der macht täg­lich sei­ne Run­de durch nur drei oder vier Lo­ka­le, wo die klei­nen Renn­wet­ter ver­keh­ren. Wie die­ser Enno wirk­lich heißt, das weiß Bark­hau­sen nicht. Er kennt ihn nur aus den paar Lo­ka­len, wo ihn alle Enno ru­fen. Er wird ihn schon fin­den, und er wird viel­leicht so­gar der rich­ti­ge Mann sein.

      1 Win­ter­hilfs­werk des Deut­schen Vol­kes; or­ga­ni­sier­te Sam­me­lak­tio­nen zur Un­ter­stüt­zung Be­dürf­ti­ger <<<

      2 Die Hit­ler­ju­gend oder Hit­ler-Ju­gend war die Ju­gend- und Nach­wuchs­or­ga­ni­sa­ti­on der Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deut­schen Ar­bei­ter­par­tei. <<<

      4. Trudel Baumann verrät ein Geheimnis

      So leicht Otto Quan­gel auch in die Fa­brik ge­kom­men war, so schwer war es zu er­rei­chen, dass die Tru­del Bau­mann zu ihm her­aus­ge­ru­fen wur­de. Sie ar­bei­te­ten hier näm­lich – üb­ri­gens ge­nau wie in Quan­gels Fa­brik – nicht nur im Ak­kord, son­dern jede Ar­beits­stu­be muss­te auch ein be­stimm­tes Pen­sum schaf­fen, da kam es oft auf jede Mi­nu­te an.

      Aber schließ­lich er­reicht Quan­gel doch sein Ziel, schließ­lich ist der an­de­re ge­nau­so ein Werk­meis­ter wie er selbst. Man kann ei­nem Kol­le­gen so was schlecht ab­schla­gen, be­son­ders wenn gra­de der Sohn ge­fal­len ist. Das hat Quan­gel nun doch sa­gen müs­sen, bloß um die Tru­del zu se­hen zu krie­gen. Daraus folgt, dass er’s ihr auch sel­ber sa­gen muss, ge­gen die Bit­te der Frau, sonst wür­de es ihr der Werk­meis­ter er­zäh­len. Hof­fent­lich gib­t’s kein Ge­schrei und vor al­lem kei­ne Um­fal­le­rei. Ei­gent­lich ein Wun­der, wie die Anna sich ge­hal­ten hat – nun, die Tru­del steht auch auf fes­ten Bei­nen.

      Da kommt sie end­lich, und Quan­gel, der nie ein an­de­res Ver­hält­nis als das zu sei­ner Frau ge­habt hat, muss sich ge­ste­hen, dass sie rei­zend aus­sieht mit ih­rem Wu­schel­kopf dunk­ler, plust­ri­ger Haa­re, dem run­den Ge­sicht, dem kei­ne Fa­brik­ar­beit die fri­schen Far­ben hat neh­men kön­nen, mit den la­chen­den Au­gen und der ho­hen Brust. Selbst jetzt, wo sie we­gen der Ar­beit lan­ge blaue Ho­sen trägt und einen al­ten, viel­fach ge­stopf­ten Jum­per, der voll von Garn­res­ten hängt, selbst jetzt sieht sie rei­zend aus. Das Schöns­te an ihr ist aber viel­leicht ihre Art, sich zu be­we­gen, al­les sprüht von Le­ben, je­den Schritt scheint sie ger­ne zu tun: sie quillt über vor Le­bens­freu­de.

      Ein Wun­der ei­gent­lich, denkt Otto Quan­gel flüch­tig, dass solch eine Tran­tu­te wie der Otto, so ein von der Mut­ter ver­pim­pel­tes Söhn­chen, sich solch ein Pracht­mä­del ein­han­deln konn­te. Aber, ver­bes­sert er sich gleich, was weiß ich denn vom Otto? Ich habe ihn ja ei­gent­lich nie rich­tig ge­se­hen. Er muss ganz an­ders ge­we­sen sein, wie ich ge­dacht habe. Und mit den Ra­di­os hat er wirk­lich was los­ge­habt, die Meis­ter ha­ben sich doch alle um ihn ge­ris­sen.

      »Tag, Tru­del«, sagt er und gibt ihr sei­ne Hand, in die rasch und kräf­tig ihre war­me, mol­li­ge schlüpft.

      »Tag, Va­ter«, ant­wor­tet sie. »Nun, was ist los bei euch zu Haus? Hat Mutt­chen mal wie­der Sehn­sucht nach mir, oder hat Otto ge­schrie­ben? Ich will se­hen, dass ich mög­lichst bald mal bei euch rein­schaue.«

      »Es muss schon heu­te Abend sein, Tru­del«, sag­te Otto Quan­gel. »Die Sa­che ist näm­lich die …«

      Aber er spricht sei­nen Satz nicht zu Ende. Tru­del ist in ih­rer ra­schen Art schon in die Ta­sche der blau­en Hose ge­fah­ren und hat einen Ta­schen­ka­len­der her­vor­ge­holt, in dem sie jetzt blät­tert. Sie hört nur mit hal­b­em Ohr zu, nicht der rich­ti­ge Au­gen­blick, um ihr so was zu sa­gen. So war­tet denn Quan­gel ge­dul­dig, bis sie ge­fun­den hat, was sie sucht.

      Die­se Zu­sam­men­kunft der bei­den fin­det in ei­nem lan­gen, zu­gi­gen Gan­ge statt, des­sen ge­tünch­te Wän­de ganz voll­ge­pflas­tert mit Pla­ka­ten sind. Un­will­kür­lich fällt Quan­gels Blick auf ein Pla­kat, das schräg hin­ter Tru­del hängt. Er liest ein paar Wor­te, die fett­ge­druck­te Über­schrift: »Im Na­men des deut­schen Vol­kes«, dann drei Na­men und: »wur­den we­gen Lan­des- und Hoch­ver­ra­tes zum Tode durch den Strang ver­ur­teilt. Die Hin­rich­tung wur­de heu­te Mor­gen in der Straf­an­stalt Plöt­zen­see voll­zo­gen.«

      Ganz un­will­kür­lich hat er mit bei­den Hän­den die Tru­del ge­fasst und sie so weit zur Sei­te ge­zo­gen, dass sie nicht mehr vor dem Pla­kat steht. »Wie­so?«, hat sie erst über­rascht ge­fragt, dann sind ihre Au­gen dem Blick der sei­nen ge­folgt, und sie liest auch das Pla­kat. Sie gibt einen Laut von sich, der al­les be­deu­ten kann: Pro­test ge­gen das Ge­le­se­ne, Ab­leh­nung von Quan­gels Tun, Gleich­gül­tig­keit, aber je­den­falls kehrt sie nicht an den al­ten Platz zu­rück. Sie sagt und steckt den Ka­len­der wie­der in die Ta­sche: »Heu­te Abend geht’s un­mög­lich, Va­ter, aber mor­gen wer­de ich ge­gen acht bei euch sein.«

      »Es muss aber heu­te Abend ge­hen, Tru­del!«, wi­der­spricht Otto Quan­gel. »Es ist näm­lich Nach­richt ge­kom­men über Otto.« Sein Blick ist noch schär­fer ge­wor­den, er sieht, wie das La­chen aus ih­rem Blick schwin­det. »Der Otto ist näm­lich ge­fal­len, Tru­del.«

      Es ist selt­sam, der­sel­be Laut, den Otto Quan­gel bei die­ser Nach­richt von sich ge­ge­ben hat, kommt jetzt aus Tru­dels Brust, ein tie­fes »Oh …!«. Ei­nen Au­gen­blick sieht sie den Mann mit schwim­men­den Au­gen an, ihre Lip­pen zit­tern; dann wen­det sie das Ge­sicht zur Wand, sie lehnt ihre Stirn ge­gen sie. Sie weint, aber sie weint laut­los. Quan­gel sieht wohl ihre Schul­tern be­ben, aber er hört kei­nen Laut.

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