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Dachs. Tod­dels war ent­rüs­tet – er stütz­te die ge­ball­ten Fäus­te auf den Tisch, schlug mit den Fü­ßen aus und frag­te, so rau, als es sei­ne Stel­lung ihm er­laub­te: »Sie wün­schen?«

      Fräu­lein Kat­ter ging auf die­se Fra­ge nicht so­gleich ein; freund­lich sag­te sie: »Gu­ten Abend, Herr Tod­dels. Se­hen Sie doch, wie der Max bei Ih­nen her­um­sucht. Er glaubt, hier muss ir­gend­wo Zu­cker ver­steckt sein. Hier ist kein Zu­cker, Ma­x­chen – mein klei­ner, klei­ner Hund. Was, Sie hier, Sal­ly­chen? Ein­kau­fen – wie?« Sal­ly grüß­te in ih­rer mäd­chen­haft zu­rück­hal­ten­den Wei­se; Fräu­lein Kat­ter aber trat nahe zu ihr, leg­te ihre Hän­de in den grau­en Halb­hand­schu­hen auf Sal­lys Arm und frag­te lei­se: »Also mit Rosa Herz – ist’s wahr?«

      »Ja –« Sal­ly zog die Au­gen­brau­en em­por, zum Zei­chen, dass die gan­ze Ge­schich­te sie nichts an­ging. »We­nigs­tens wur­de es ges­tern auf der Soirée bei Klappe­kahl er­zählt.«

      »Schreck­lich!« mein­te die alte Dame. »Also fort­lau­fen woll­te sie mit ihm. So weit wa­ren sie schon mit­ein­an­der? Ist so et­was er­hört!« Das wei­che, ge­bo­ge­ne Kinn wa­ckel­te zwi­schen den vio­let­ten Hut­bän­dern vor Er­re­gung. »Aber sa­gen Sie doch, Sal­ly­chen – Sie ha­ben ja die Ge­schich­te ent­deckt – hör ich?«

      »Ja«, sag­te Sal­ly kühl. Sie mach­te sich nichts aus die­sem Ruhm.

      »So – so. Nun was sa­hen Sie«, fuhr Fräu­lein Kat­ter fort. »Ge­küsst ha­ben sie sich – na­tür­lich, das hab ich schon ge­hört. Aber hat er sie auch so – an­ge­packt, wis­sen Sie?«

      Sal­ly wuss­te es nicht. »Ich küm­me­re mich um die­se Din­ge nicht.«

      »Selbst­ver­ständ­lich! Ein so gut er­zo­ge­nes jun­ges Mäd­chen! Aber ent­setz­lich ist doch die gan­ze Ge­schich­te. Was wird nun aus der Ar­men?«

      »Wer kann das wis­sen!« Sal­ly zuck­te die Ach­seln – es war ihr gleich­gül­tig. Sie schiel­te nach ih­rer Nase, um zu se­hen, ob die­se nicht rot sei – das war ihr wich­ti­ger.

      »Der Schank«, mein­te die alte Dame, »wird die Ge­schich­te zu Her­zen ge­hen. Ich bin auf dem Weg zu ihr.«

      Da Sal­ly sich os­ten­ta­tiv dem grü­nen Band zu­wand­te, muss­te Fräu­lein Kat­ter sich zu Tod­dels be­mü­hen, um von ihm einen Me­ter Ma­d­a­po­lam zu be­geh­ren. Sie war sehr ge­nau. Tod­dels muss­te im­mer wie­der die Lei­ter hin­an­stei­gen und neue Stücke her­ab­ho­len. Er war bleich vor Zorn, schlug mit dem Me­ter­stock klat­schend auf die Stof­fe und be­merk­te streng: »Sehr fei­ne Ware. Ei­nen bes­se­ren Stoff wird die Dame schwer­lich fin­den.« Die Dame je­doch konn­te sich nicht ent­schei­den; sie woll­te wie­der­kom­men. »Sehr wohl«, rief Tod­dels er­leich­tert, bog ge­wandt und ge­len­kig um die Ecke des La­den­ti­sches und öff­ne­te Fräu­lein Kat­ter die Türe.

      »Komm, Ma­x­chen, mein klei­nes Tier. Grü­ßen Sie Ihre lie­be Mut­ter – Sal­ly­chen. Gu­ten Abend, Herr Tod­dels. Das eine Stück hat mir nicht ganz miss­fal­len.« Da­mit war das alte Fräu­lein fort. Sal­ly schau­te sich nicht um. Sie hör­te, wie Tod­dels mit den Fü­ßen scharr­te, die Türe schloss – jetzt knarr­ten sei­ne Stie­fel ganz lei­se. Er stand ne­ben ihr, das fühl­te sie. Nun muss­te es doch zu et­was kom­men. Rich­tig! Et­was Hei­ßes, Feuch­tes be­rühr­te ih­ren Na­cken. Das war also ein Kuss – gut! Tod­dels leg­te sei­nen Arm um Sal­lys schlan­ke Tail­le und drück­te sie so fest, dass das Mie­der krach­te. »Ich habe schon oft an die Ehe ge­dacht. Sie nicht auch?« flüs­ter­te er mit vor Auf­re­gung rau­er Stim­me.

      »An so et­was!« er­wi­der­te Sal­ly, das Ge­sicht tiefer in die Schach­tel ste­ckend.

      »Wa­rum nicht?« fuhr Tod­dels fort, lei­den­schaft­lich in Sal­lys Hals­kra­gen hin­ein­spre­chend. »Eine Hei­rat aus Nei­gung war im­mer mein Traum. Was – Fräu­lein Sal­ly?«

      »Ich glau­be eben an die Lie­be«, sag­te Sal­ly fest. Sie hat­te es sich längst vor­ge­nom­men, im großen Mo­ment ih­res Le­bens die­sen Satz recht häu­fig an­zu­brin­gen. Tod­dels fass­te ihn als Er­mu­ti­gung auf, er be­rühr­te mit dem Mit­tel­fin­ger zart Sal­lys Hals und hauch­te: »Mein hol­des Weib­chen.«

      »Noch nicht!« wand­te Sal­ly schel­misch ein. Sie lehn­te ihr er­hitz­tes Ge­sicht an die Brust des Ge­lieb­ten und blick­te ernst zu den Wol­len­stof­fen auf.

      »Ha – ha? Noch nicht!« lach­te Tod­dels ge­presst, denn Sal­ly drück­te ihm mit ih­rem Kopf einen Hemd­knopf tief ins Fleisch. »Al­ler­dings! Aber bald. Nicht wahr, mein – mein?«

      »Spre­chen Sie mit mei­nem Papa«, die feuch­ten Bli­cke auf­wärts ge­rich­tet, den Kopf fest an Tod­dels’ Hemd­knopf ge­drückt, sprach Sal­ly die­se Wor­te lang­sam und fei­er­lich. Ach, wie hat­te sie sich ge­sehnt, sie spre­chen zu dür­fen.

      »Ja, Fräu­lein Sal­ly«, mein­te Tod­dels zö­gernd. »Ich fürch­te nur, Herr La­nin wird böse wer­den. Er ist zu­wei­len ein we­nig kurz mit mir. Vi­el­leicht könn­ten Sie…«

      »Wir wer­den alle Hin­der­nis­se über­win­den. Ich glau­be, wie ge­sagt, an die Lie­be.«

      »Ge­wiss – ge­wiss! Ich auch, mein Herz­chen. Gut also! Du wirst es dei­ner Mut­ter sa­gen. Wir blei­ben uns je­den­falls treu. Schön – ab­ge­macht.« Und nun emp­fin­gen Sal­lys dün­ne, jung­fräu­li­che Lip­pen den ers­ten Lie­bes­kuss, einen sehr lau­ten Kuss, der süß nach Ro­sen­po­ma­de duf­te­te. »Lebe wohl, mei­ne Braut«, sag­te Tod­dels. »Die Leu­te ge­hen schon in den Stadt­gar­ten. Heu­te ist dort zum letz­ten Mal im Jah­re Mu­sik«, mit die­sen Wor­ten schlüpf­te er hin­ter den La­den­tisch.

      Sal­ly stand mit klop­fen­dem Her­zen da und konn­te sich nicht ent­schlie­ßen, ihre ers­te Lie­bes­stun­de für ge­schlos­sen zu er­klä­ren. Sie glaub­te noch et­was Schö­nes, Tief­emp­fun­de­nes sa­gen zu müs­sen, es fiel ihr je­doch nur im­mer wie­der ein, dass sie an die Lie­be glau­be. Das moch­te sie nicht mehr wie­der­ho­len,

      Tod­dels hat­te un­ter­des­sen ein Stück des grü­nen Ban­des ab­ge­schnit­ten und reich­te es sei­ner Ge­lieb­ten. »Das Band, das uns ver­bin­det«, füg­te er hin­zu.

      »Und kos­tet?« frag­te Sal­ly lä­chelnd.

      »Ei­nen Kuss«, er­wi­der­te der Kom­mis mit ge­spitz­ten Lip­pen. Da ward Sal­ly wie­der der klei­ne, necki­sche Brau­se­wind.

      »Set­zen Sie den auf die Rech­nung«, rief sie und lief mit ganz klei­nen Schrit­ten zur Türe.

      »Be­hal­te nur das Band, ich zahl es schon«, mein­te Tod­dels. »Grün ist ja die Far­be der Hoff­nung.«

      »Da ha­ben Sie recht«, er­wi­der­te Sal­ly ernst. Sie fand die­ses Ab­schieds­wort wirk­lich tief. Dann noch eine Kuss­hand – und sie war fort.

      Die Scha­ren, die zum Stadt­gar­ten ström­ten, be­leb­ten die Stra­ßen. Die schar­fe Luft mach­te alle Mäd­chen­wan­gen rot und be­schleu­nig­te die Schrit­te. In den ge­öff­ne­ten La­den­tü­ren lehn­ten Kom­mis, da­mit auch et­was von dem hei­te­ren Le­ben drau­ßen zu ih­nen in den dump­fen La­den­raum drin­ge. Die Flei­scher­bur­schen – dort an der Ecke – wi­ckel­ten ihre nack­ten Arme in die blu­ti­gen Schür­zen, pfif­fen und stie­ßen sich mit den Schul­tern.

      Sal­ly ging schnell und leicht­fü­ßig da­hin. Sie brauch­te nie­man­den mehr zu

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