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Frau sagen: »Ich schäme mich so. Er muss unseren Streit mit angehört haben.«

      »Liebling, wir wollen nicht mehr darüber sprechen. Lass uns auch einen Spaziergang machen.«

      Dr. Lindau war froh, dass der Lift kam und er so nicht weiter Zeuge des Gespräches wurde. Er fuhr hinunter in die Hotelhalle. Zuerst ging er die Palmenallee entlang, dann schlenderte er durch die Altstadt. Schließlich musste er sich sogar beeilen, dass er rechtzeitig ins Hotel zurückkam.

      Während des Empfangs begegnete er Kollegen wieder, die er von früher her kannte. Auch neue Kollegen lernte er kennen, führte einige interessante Gespräche. Es war schon gegen Mitternacht, als er im Kreis einer fröhlichen Runde in der Hotelbar landete. Erst nachdem alle mit Getränken versorgt waren, sah er das Pärchen. Es saß allein an einem Tisch und schien sich offensichtlich wieder zu streiten.

      Dr. Lindau wollte eigentlich nicht hinsehen, doch dann wanderte sein Blick wieder zu dem Paar hin, von dem er nun wusste, dass sie Baldau hießen. Es war wirklich eigenartig, dass manche Menschen bereits ihre Hochzeitsreise dazu benutzten, um sich in die Haare zu geraten. Dabei machte das Paar einen durchaus sympathischen Eindruck. Dr. Lindau konnte nicht anders, sein Blick glitt immer wieder zu dem Tisch hin. So bekam er mit, dass die junge Frau verstohlen ihr Taschentuch hervorholte, während der junge Mann schließlich mit verbissener Miene schwieg.

      Dr. Lindau beteiligte sich wieder an dem Gespräch, das an seinem Tisch geführt wurde und vergaß so das junge Paar. Als er sich eine Stunde später erhob, um sein Zimmer aufzusuchen, bemerkte er, dass das junge Paar noch immer am gleichen Tisch saß. Beide starrten vor sich hin. Wie Hochzeitsreisende sahen sie wirklich nicht aus. Er musste an ihrem Tisch vorbei, da hob der Mann den Kopf.

      »Guten Abend, Herr Doktor! Sie scheinen sich gut amüsiert zu haben.«

      »Ja, für mich war es ein schöner Abend.« Dr. Lindau blickte auf den Mann hinunter.

      »Das möchte ich auch behaupten können.« Moritz Baldau lachte. Aber das Lachen klang überzogen. Seine Hand zitterte, als er nach dem Glas griff.

      »Bitte, Moritz!«, sagte seine Frau. Sie wagte nicht hochzusehen.

      »Willst du etwa behaupten, dass es nicht so ist? Ich hätte nie gedacht, dass ich mich auf meiner Hochzeitsreise so langweilen würde. Wenn Sie mich fragen, warum dies so ist, dann kann ich es nicht sagen.«

      »Bitte, Moritz«, sagte Sonja Baldau erneut. »Das interessiert Herrn Dr. Lindau doch nicht.«

      Dr. Lindau registrierte, dass sie sich seinen Namen gemerkt hatte. Er sah, dass sie das Taschentuch zwischen den Händen zerknüllte.

      »Aber mich würde es interessieren! Was habe ich falsch gemacht?«

      »Moritz, du hast zu viel getrunken.« Flehentlich sah Sonja ihren Mann an. Diese Szene war ihr sehr peinlich. Ihr Mann schien jedoch nicht so zu empfinden. Er lachte erneut.

      »Was hätte ich deines Erachtens denn sonst machen sollen? Prost, Herr Doktor!« Moritz Baldau griff nach seinem Glas, aber es war bereits leer. »Setzen Sie sich doch, Herr Doktor! Trinken wir noch ein Glas zusammen.«

      »Danke! Für mich ist es höchste Zeit. Morgen um neun Uhr beginnt die Tagung.«

      »Genau das ist es!« Moritz Baldau schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, das leere Glas klirrte. »Sie wissen, was Sie hier tun.«

      »Gute Nacht!«, sagte Dr. Lindau. Er vermied es, die junge Frau anzusehen, und ging.

      Er war gerade im Begriff, zu Bett zu gehen, als er Geräusche aus dem Nebenzimmer hörte. So zog er sich nun die Bettdecke über den Kopf. Sollte das Paar doch weiterstreiten, ihn ging es nichts an.

      *

      Dr. Lindau saß beim Frühstück. Er saß am Tisch einiger Kollegen und hatte sich bereits reichlich am Frühstücksbüfett bedient. Für die Rückfahrt nach Deutschland wollte er sich stärken. Aber er kam kaum dazu. Immer wieder wurde er angesprochen. Mit seinem Referat hatte er großen Erfolg gehabt. Das waren nun die Nachwehen. Zwischen zwei Schlucken Kaffee beantwortete er die Fragen, nahm Gratulationen entgegen. Dabei dachte er auch an seine Kollegin. Sie hatte recht gehabt, sein Vortrag würde veröffentlich werden. Er fühlte sich ausgezeichnet.

      Nachdem es ihm doch gelungen war, zwei Brötchen zu essen, meinte er: »Wenn Sie mich jetzt einen Augenblick entschuldigen wollen, ich möchte in meiner Klinik anrufen.«

      Sofort wurde er von einem Studienkollegen, den er einige Jahre nicht gesehen hatte, gehänselt: »Kannst du nicht einmal drei Tage ohne deine Arbeit auskommen?«

      Hendrik Lindau lächelte. »Ich habe nicht die Absicht, mich nach den Patientinnen zu erkundigen. Du weißt doch, dass Anja Westphal an meiner Seite arbeitet. Sie ist meine Stellvertreterin. Ich kann also unbesorgt wegfahren.«

      »Um Anja bist du zu beneiden. Sie ist nicht nur eine ausgezeichnete Ärztin.« Der Kollege griff das Lächeln auf. »Es dürfte dir nicht entgangen sein, dass ich sie während unserer Studienzeit sehr verehrt habe.«

      »Stimmt! Wir alle sahen Anja sehr gern. Schließlich hat sie dann einen Kaufmann geheiratet. Aber Anja eignet sich nicht zur Ehefrau, für sie gibt es nur ihren Beruf, damit ist sie verheiratet.«

      »Das alles ist lange her.« Der Gesprächspartner von Dr. Lindau unterdrückte einen Seufzer. »Ich komme dich aber demnächst in Auefelden besuchen. Deine Einladung von gestern Abend gilt doch? Ich würde Anja gern wiedersehen, aber mich interessiert auch sehr deine Klinik. Die Klinik am See hat einen ausgezeichneten Ruf.«

      »Ich würde mich über deinen Besuch freuen. Du kannst sogar bei mir im Doktorhaus wohnen. Wir laden Anja dazu ein und sprechen von alten Zeiten. Ich werde Anja gleich erzählen, dass ich dich hier getroffen habe.«

      »Du telefonierst also doch mit Anja?«

      »Natürlich! Ich habe ihr versprochen, Bescheid zu geben. Schließlich wollen sie in der Klinik wissen, wie es mir mit meinem Vortrag ergangen ist. Auch meine Tochter und mein Schwiegersohn wollen dies wissen«, setzte er hinzu, und dann erhob er sich.

      »Bitte, richte Anja Grüße von mir aus. Ich hoffe, sie erinnert sich noch an mich.«

      Dr. Lindau nickte dem Kollegen zu, von dem er wusste, dass er Chefarzt an einer Münchner Frauenklinik war, dann entfernte er sich vom Tisch und verließ den Frühstücksraum. In der Halle trat er an die Portiersloge heran und ließ sich eine Verbindung herstellen. Kurze Zeit darauf hörte er Dr. Anja Westphals Stimme. Nachdem er ihr von der Tagung berichtet und auch die Grüße von Dr. Kirchner ausgerichtet hatte, meinte Anja: »Ich muss wieder in den Entbindungsraum. Wir haben gleich zwei Geburten, aber es läuft alles planmäßig. Ich bleibe jedenfalls den ganzen Tag in der Klinik und werde am Abend auch noch hier sein. Ich nehme an, dass du zuerst in die Klinik kommst. Dann möchte ich Näheres wissen. Übrigens kannst du Jochen beruhigen, ich kann mich noch gut an ihn erinnern.« Dr. Hendrik Lindau hörte ihr warmes Lachen, das er sehr gut kannte, dann wurde der Hörer am anderen Ende aufgelegt.

      Er legte ebenfalls auf, dann wandte er sich wieder dem Portier zu: »Machen Sie mir bitte die Rechnung fertig und setzen Sie das Gespräch auch darauf. Ich gehe mich nur noch von den Kollegen verabschieden. In spätestens einer Stunde werde ich abreisen.«

      Er wartete die Antwort nicht ab. Es waren drei schöne Tage gewesen, er hatte sie genossen. Nach dem Gespräch mit Anja Westphal dachte er wieder an die Klinik. Er hatte ganz vergessen, nach Frau Holl zu fragen. Hatte man ihr Kind inzwischen geholt? Er lächelte über sich selbst. Es war unnütz, wenn er sich jetzt Gedanken machte. Kollegin Westphal hatte sicher alles Notwendige unternommen. Sonja Baldau sah er erst im letzten Moment, beinahe wäre er wieder in sie hineingelaufen. Sie war ihm direkt in den Weg getreten.

      »Verzeihen Sie, Herr Dr. Lindau! Ich habe mich erkundigt und weiß, dass der Kongress, an dem Sie teilgenommen haben, zu Ende ist. Ich hörte, wie Sie zum Portier sagten, dass Sie abreisen wollen. Sie sind doch mit­ dem Auto hier?« Sonja zögerte kurz. »Bitte, nehmen Sie mich mit nach Deutschland!« Sie sah ihn mit großen, bittenden Augen an. Ihre Mundwinkel zuckten. Sie kam dem Chefarzt wie ein verstörtes

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