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MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter. Robert Mccammon
Читать онлайн.Название MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter
Год выпуска 0
isbn 9783958354050
Автор произведения Robert Mccammon
Жанр Языкознание
Серия Matthew Corbett
Издательство Bookwire
»Ja.«
»Für ihn als Hauptwachtmeister oder als einfachen Bürger?«
»Als einfachen Bürger, so wie ich’s für jeden anderen Mann getan hätte, der mir am Montag vor einer Woche in Sally Almonds das Frühstück bezahlt und mich fragt, ob ich ihm einen Gefallen tun könnte. Ich sagte ihm, dass Gefallen Geld kosten, und zwar umso mehr, je größer der Gefallen ist. Wir haben uns auf einen mittelgroßen Gefallen geeinigt. Nun wisst Ihr Bescheid.«
»Und was für ein Gefallen war das?«
»Ist es«, korrigierte Greathouse. »Ich arbeite daran und habe den Fall noch nicht gelöst.« Er runzelte die Stirn. »Warum sollte ich Euch überhaupt etwas davon erzählen? Ihr habt auch nichts gesagt, als Ihr zu Chapels Landsitz geritten seid. Euch war es egal, ob es vielleicht Euer letzter Ritt auf Erden ist. Aber ich habe eine Idee! Ihr könnt Lillehorne von dem Tunnel erzählen, wenn er kommt. Oder hebt Ihr Euch die Geschichte für Marmaduke und den nächsten Ohrenkneifer auf?«
»Deswegen bin ich nicht hingeritten.«
Greathouse sah ihn hart an. »Seid Ihr Euch da ganz sicher?«
Matthew wollte die Frage bejahen, aber dann befielen ihn Zweifel. War er sich tatsächlich so sicher? Hatte er vorgehabt, Marmaduke davon zu erzählen, um wieder im Mittelpunkt zu stehen? Nein, natürlich nicht! Aber … vielleicht … hatte er es im Hinterkopf gehabt? Staubpartikel flirrten in der Luft. War nicht ein Stückchen Wahrheit daran … vielleicht doch … dass es ihm nicht mehr reichte, Matthew Corbett, der zum Ermittler gewordene Gerichtsdiener zu sein, sondern dass er sowohl auf Geld als auch Aufmerksamkeit aus war? Ihm schien, dass Aufmerksamkeit und Beachtung eine ähnlich berauschende Wirkung wie Skellys Apfelbrandy haben konnten und einen ebenso benebelten. Konnte man davon nicht ebenso übermannt werden? Und so willenlos und verzweifelt wie ein Säufer werden, wenn man sie nicht mehr bekam? War das ein Teil des Grundes, aus dem er zu dem Landsitz geritten war? Nein. Absolut nicht.
Aber ein paar Tage zuvor hätte er vielleicht noch gedacht, dass er, wenn er jemals einen Beutel voller Goldmünzen finden würde, fraglos sofort … Berry davon erzählen würde? Sie hatte die Schrecken mit ihm durchgemacht – stand ihr somit nicht auch eine Entschädigung zu? Nein, nein, es war eine komplizierte Sache. Sehr kompliziert. Er würde darüber nachdenken müssen, wenn er klare Gedanken fassen konnte. Und der viele Staub in der Luft brachte ihn zum Niesen.
»Ich bedauere es, Euch davon erzählt zu haben«, sagte er zu Greathouse mit der gleichen Härte, die dessen Blick gehabt hatte.
»Warum habt Ihr es dann getan?«
Fast hätte Matthew es ihm gesagt. Dass er den Tunnel möglicherweise betreten hatte, um endgültig seinen Mut zu beweisen, oder dass er einfach gedacht hatte, Greathouse würde die Entscheidung, seinem Gefühl zu vertrauen und hineinzugehen, gutheißen. Doch die Versuchung ging vorüber, und Matthew sagte nichts dergleichen, sondern: »Weil ich Euch klarmachen wollte, dass ich keinen Leibwächter brauche.«
»Das ist Eure Meinung. So wie ich das sehe, könnte Zed uns beiden helfen, wenn man ihn entsprechend ausbildet. Da wird das Leben eines guten Mannes damit verschwendet werden, ihn bis ans Ende seiner Tage Balken für den Schiffsbau herumschleppen zu lassen.« Er winkte ab. »Darüber will ich gar nicht weiter nachdenken, denn sonst muss ich nach unten gehen und mir was zu trinken holen.«
Matthew fuhr mit dem Auskehren fort und entschied, dass man manche Geheimnisse am besten auf sich beruhen ließ.
Keine halbe Stunde später war Gardner Lillehorne in seinem gelben Anzug und Strümpfen, einem gelben Dreispitz mit einer kleinen blauen Feder auf dem Kopf, wie ein Sonnenstrahl in die Dachstube eingefallen. Seine Laune war jedoch alles andere als sonnig, und als er auf Greathouses Schreibtisch zustakste, war seine Stirn dunkel umwölkt. Er legte einen mit grauem Wachs versiegelten braunen Umschlag vor Greathouse auf den Tisch. »Ihr werdet für einen offiziellen Auftrag benötigt«, sagte er und schoss einen kurzen Blick zu Matthew hinüber. »Ihr beide.«
»Was für einen offiziellen Auftrag?« Greathouse nahm den Umschlag, musterte das Siegel und machte Anstalten, es zu brechen.
Lillehorne gebot Greathouses Hand mit seinem schwarzlackierten Spazierstock Einhalt. »Der Umschlag muss versiegelt bleiben«, erklärte er, »bis Ihr den Gefangenen abholt. Sobald Ihr ihn entgegengenommen habt, müsst Ihr ihm und den Zeugen das Dokument vorlesen – eine Formalität der offiziellen …« Er suchte nach einem Wort. »Übergabe.«
»Immer langsam mit den jungen Pferden«, warnte Greathouse und schob den Spazierstock beiseite. »Was für ein Gefangener? Und wo ist er?«
»Der Bote, den die beiden Ärzte geschickt haben, sagte, Ihr würdet Bescheid wissen. Gestern Nachmittag kam er zu mir in die Amtsstube. Ich habe für Euch in Winekoops Stall einen Pferdewagen bereitstellen lassen. Etwas Besseres habe ich nicht. Die Hand- und Fußketten liegen schon im Wagen. Hier ist der Schlüssel für die Ketten.« Er griff in die Tasche seines grellen, leichte Übelkeit erregenden Gehrocks und holte den Schlüssel heraus, den er ebenfalls vor Greathouse auf den Tisch legte.
»Die beiden Ärzte?« Greathouse sah Matthew an. »Habt Ihr eine Ahnung, wovon er spricht?«
Das hatte Matthew, aber noch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Lillehorne fort, als sei er froh, sich der Verantwortung zu entledigen. »Ramsendell und Hulzen vom Hospital für geistig Unzulängliche in der Nähe von Westerwicke in der New-Jersey-Kolonie. Ihr kennt es ja. Der Auslieferungsbefehl ist eingetroffen. Ein Wachtmeister der Krone wird Ende des Monats an Bord der Endurance eintreffen, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Ich will die Stiefel des Gefangenen auf dem nächstbesten Schiff sehen, das nach England ausläuft, und dann nichts wie weg damit.«
»Jetzt aber mal halblang!« Mit dem Brief in der Hand stand Greathouse auf. »Redet Ihr von dem Irren, den wir da am Fenster gesehen haben? Diesem … wie hieß er gleich, Matthew?«
»Tyranthus Slaughter ist sein Name«, antwortete Lillehorne. »Er hat sich wegen Mordes, Raubüberfalls und anderer Verbrechen zu verantworten, die allesamt in dem Dokument aufgeführt sind. Der Bote sagte, die Ärzte haben Euch bereits erklärt, dass Slaughter vom Tollhaus zum New Yorker Gefängnis überführt werden wird, wo er von einem Wachtmeister der Krone in Gewahrsam genommen wird. Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen.«
Matthew erinnerte sich nur zu gut an das erste Mal, als er mit Greathouse im Rahmen der Nachforschungen über die Königin der Verdammten das Tollhaus von Westerwicke besucht hatte. Die beiden Ärzte, die dem Hospital vorstanden, hatten ihnen den aus einem vergitterten Fenster hinausspähenden Insassen vorgestellt.
Er war uns vor fast einem Jahr aus dem Quäker-Hospital in Philadelphia überstellt worden. Die Quäker haben herausgefunden, dass er in London Barbier war und möglicherweise für ein Dutzend Morde verantwortlich ist. Wir erwarten im Herbst einen Brief mit der Anweisung zu erhalten, ihn ins Gefängnis von New York zu überführen, damit er nach England verschifft werden kann. Wisst Ihr, falls die Sache mit der Königin gut verläuft, könntet Ihr Gentlemen Euch überlegen, ob Ihr Euch von uns engagieren lassen wollt, Mr. Slaughter nach New York zu eskortieren.
Auf Greathouses Miene zeigte sich das brutale Grinsen, das Matthew für einen seiner am beunruhigendsten Gesichtsausdrücke hielt. Denn das Grinsen bedeutete, dass der Mann Gewaltanwendung in Betracht zog. »Habt Ihr den Verstand verloren? Ihr könnt doch nicht hier reinkommen und uns Befehle geben!«
»Ihr werdet sehen«, sagte Lillehorne leise und ließ den Blick durch die Dachkammer schweifen, wobei seine Nasenflügel sich angeekelt kräuselten, »dass die Befehle nicht von mir kommen. Erkennt Ihr Gouvernor Lord Cornburys Siegel nicht?«
Greathouse sah es sich erneut an und warf den Umschlag zurück auf den Schreibtisch. »Das sagt mir alles nichts.«
»Eure