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Daniel wich ihrem Blick aus. »Ich weiß es noch nicht, Manon. Heute ist ja auch erst der 10. Dezember. Wir haben also noch genügend Zeit, um es zu entscheiden.«

      »Ich verstehe«, meinte Manon, und das entsprach durchaus der Wahrheit. Dr. Daniels Worte hatten ihr nämlich nur zu deutlich zu verstehen gegeben, daß die Gerüchte, die in Steinhausen kursierten, der Wahrheit entsprachen. Dr. Daniel schien sich tatsächlich ernsthaft verliebt zu haben, und Manon verstand selbst nicht so recht, weshalb ihr diese Gewißheit so sehr ins Herz schnitt.

      *

      Ein paar Tage später machte Linda Böhnig zum ersten Mal eine Andeutung, daß es für sie nun an der Zeit sei, wieder nach Trier zurückzukehren.

      »Jetzt schon?« entfuhr es Dr. Daniel. Er hatte sich in den vergangenen zwei Wochen bereits viel zu sehr an Lindas Anwesenheit gewöhnt, als daß er sie so einfach hätte gehen lassen. »Kannst du nicht noch bis Weihnachten bleiben? Ich möchte dieses Fest gern mit dir zusammen verbringen.«

      Mit einem zärtlichen Lächeln streichelte Linda seine Hand. »So leid es mir tut, Robert, ich muß zu Hause wieder mal nach dem Rechten sehen. Ich verspreche dir aber, daß ich bis Weihnachten zurück sein werde.« Sie schwieg einen Moment, dann setzte sie mit einem koketten Lächeln hinzu: »Du könntest mich aber ja nach Trier begleiten.«

      Doch Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Das ist leider unmöglich, Linda. Ich habe meine Praxis…«

      »Und von der kannst du dich nicht mal übers Wochenende trennen?« fiel Linda ihm sanft ins Wort. »Komm schon, Robert, von Freitag bis Montag wirst selbst du dich doch wohl freimachen können.« Sie schmiegte sich an ihn wie ein schnurrendes Kätzchen. »So allein in Trier… ich glaube, ich würde dich ganz schrecklich vermissen.«

      Dr. Daniel seufzte. »Ich fürchte, mir würde es da nicht anders ergehen. Ich habe ja schon Sehnsucht nach dir, wenn ich überhaupt nur an deine baldige Abreise denke.«

      Ein triumphierendes Lächeln erschien auf Lindas Gesicht. Es war geschafft – zumindest beinahe. Jetzt mußte sie dem guten Dr. Daniel in Trier nur noch die Leitung der Frauenklinik anbieten. Doch Linda war sicher, daß er dieses Angebot nicht ausschlagen würde, zumal er ja in seinem Sohn einen würdigen Nachfolger für seine Praxis hatte – zwar noch nicht gleich, aber doch immerhin in absehbarer Zeit. Schließlich war Stefan schon Assistenzarzt, und wenn er dann erst den Facharzt in der Tasche haben würde…

      »Du hast recht, Linda«, erklärte Dr. Daniel jetzt und riß sie damit aus ihren Gedanken. »Für zwei Tage kann ich die Praxis sicher schließen. Immerhin ist ja die Waldsee-Klinik auch noch in der Nähe.«

      Linda strahlte ihn an. »Ich freue mich schon darauf, dir alles zeigen zu können. Ach, Robert, und dann sind wir endlich mal ganz ungestört.«

      Dr. Daniel wußte sofort, was sie meinte. In den letzten Tagen hatten sie sich ein paarmal in der Villa aufgehalten, was seiner Schwester Irene gar nicht gefallen hatte. Zu Dr. Daniels Leidwesen ließ sie es Linda nämlich deutlich fühlen, wie sehr sie sie ablehnte.

      Sie wird sich daran gewöhnen müssen, daß es in meinem Leben jetzt wieder eine Frau gibt, dachte Dr. Daniel. Schließlich konnte sie nach dem frühen Tod von Christine nicht erwarten, daß ich mein Leben lang Witwer bleiben würde – wenn es auch eine ganze Weile fast so ausgesehen hat. Und im übrigen ist sie ja nur meine Schwester, die ich ganz bestimmt nicht um Erlaubnis fragen muß, wenn ich mich wieder binden will!

      Dann schob er den Gedanken an Irene beiseite. Er war sicher, daß er sich zu viele Sorgen machte. Irene liebte ihn und würde sich letzten Endes ja doch mit ihm freuen, wenn er endlich wieder rundherum glücklich sein könnte.

      Hätte Dr. Daniel seine Schwester in diesem Moment gesehen, dann hätte er den Gedanken, daß sie Linda irgendwann akzeptieren würde, rasch wieder verworfen.

      Mit mißmutigem Gesicht stand Irene nämlich in der Küche und wusch das Geschirr vom Abendessen mit einem solchen Elan ab, daß es schon fast an ein Wunder grenzte, daß dabei nichts zu Bruch ging.

      »Guten Abend, Tante Irene!« rief Stefan zur Tür herein. »Bekomme ich noch eine Kleinigkeit zu essen?«

      »Ja«, antwortete sie knapp.

      Jetzt trat Stefan ganz herein und sah sie fragend an. »Was ist denn los, Tante Irene? Bist du sauer auf mich? Ich habe Papa doch extra angerufen und ihm gesagt, daß ich erst später heimkomme. Hat er dir das denn nicht ausgerichtet?«

      »Doch«, knurrte sie.

      Da legte Stefan einen Arm um ihre Schultern. »Ich kann wirklich nichts dafür, Tantchen. Du kennst doch meinen lieben Herrn Chefarzt. Wir haben noch einen Notfall gehabt, und Wolfgang hat natürlich darauf bestanden, daß ich ihm und Gerrit im OP assistieren sollte.« Er zuckte die Schultern. »Dabei wären sie auch ganz locker ohne mich fertiggeworden.«

      Irene ließ einen abgrundtiefen Seufzer hören. »Ach, Stefan, ich ärgere mich ja gar nicht über dich.«

      Im selben Moment wußte Stefan Bescheid. »Aha, Linda Böhnig ist also wieder zu Besuch hier.«

      Irene fuchtelte mit ihrem erhobenen Zeigefinger wild in der Luft herum. »Eines sage ich dir, Stefan, wenn diese Frau tatsächlich eine Kusine deiner Mutter gewesen sein sollte, dann fresse ich einen Besen.«

      »Guten Appetit«, entgegnete Stefan schmunzelnd, dann nahm er seine aufgebrachte Tante liebevoll in den Arm. »Wenn man dich so sieht, könnte man denken, du wärst richtig eifersüchtig. Aber das soll bei großen Schwestern ja auch so üblich sein. Sie wachen angeblich immer mit Argusaugen über ihre kleinen Brüder – auch wenn diese schon über fünfzig Jahre alt sind.«

      »Noch eine solche Bemerkung, und du bekommst ein paar hinter die Ohren«, drohte Irene. »Dazu bist du mir nämlich noch lange nicht zu groß.«

      »Du hast mich aber selbst früher nie geschlagen«, erklärte Stefan. »Und ich bin sicher, daß du es auch jetzt nicht tun wirst. Dazu hast du mich nämlich viel zu lieb.«

      Gegen ihren Willen mußte Irene lachen. »Du hast ja recht, Stefan.« Dann wurde sie wieder ernst. »Trotzdem gefällt mir nicht, was sich da zwischen deinem Vater und dieser Linda Böhnig anbahnt.«

      Stefan fuhr sich mit einer Hand durch die dichten dunklen Locken. »Sieht so aus, als hätte es ihn wirklich total erwischt.« Er seufzte leise. »Ich fürchte, wir werden uns damit abfinden müssen, daß er wieder heiratet.« Er schüttelte den Kopf. »Stell dir vor, da bekomme ich nun als erwachsenen Mann noch eine Stiefmutter.« Dann grinste er. »Aber eines muß man meinem alten Herrn lassen: Geschmack hat er! Diese Linda ist eine ausgesprochen schöne Frau. Dazu die vage Ähnlichkeit mit Mama – ich denke, das ist es hauptsächlich, was bei Papa zu einem solchen Kurzschluß führen konnte.«

      Irene schwieg einen Moment.

      »Über die Ähnlichkeit mit deiner Mutter läßt sich streiten, aber in einem hast du zumindest recht – schön ist sie wirklich«, gab sie dann unwillig zu. »Man kann allerdings nur hoffen, daß ihr Charakter auch so schön ist wie ihr Aussehen.«

      »Das sind doch alles Vorurteile, die du hast«, hielt Stefan ihr vor. »Du kennst diese Frau überhaupt nicht. Und du scheinst völlig zu vergessen, daß mein Vater längst erwachsen ist. Ich bin sicher, er wird wissen, was er tut.«

      »Verliebte Männer wissen nie, was sie tun«, widersprach Irene weise.

      Stefan grinste. »Du mußt es ja wissen.«

      Da machte seine Tante eine drohende Geste. »Sei gefälligst nicht so vorlaut. Und jetzt iß und halt deinen Schnabel.«

      Stefan gehorchte, doch er spürte, daß hinter Irenes Worten eine Menge Ernst steckte. Sie schien sich wirklich Sorgen um seinen Vater zu machen, und Stefan fragte sich, ob diese Sorgen tatsächlich so unberechtigt waren, wie er es hinzustellen versucht hatte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann mußte er sich eingestehen, daß auch ihn ein ungutes Gefühl bei dieser plötzlichen großen Liebe seines Vaters beschlichen hatte.

      *

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