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Zu allem Überfluß hatten wir auch noch private Probleme, und so sah ich mich gezwungen, kurz nach der Scheidung von meinem Mann die Klinik zu schließen.« Daß die Schließung aufgrund von Fehldiagnosen, die Dr. Karsten Böhnig gestellt hatte, nötig geworden war, verschwieg sie lieber. Und natürlich erwähnte sie auch mit keinem Wort die Tatsache, daß ihrem geschiedenen Mann auf ihr Betreiben hin die Approbation entzogen worden war.

      »Da hast du aber schon eine Menge mitgemacht«, erklärte Dr. Daniel mitfühlend. »Eine Scheidung ist immer eine schlimme Sache.«

      Linda nickte mit traurigem Blick. »Die ganze Geschichte hat mich sehr mitgenommen, und das ist auch ein Grund, weshalb ich Trier für eine Weile den Rücken gekehrt habe. Zuerst bin ich einfach nur so drauflos gefahren, weil ich endlich von allem Abstand gewinnen wollte, aber dann hat es mich hierher gezogen.« Sie lächelte Dr. Daniel an. »Ich bin froh, daß ich mich dazu entschlossen habe, denn gerade in deiner Anwesenheit gelingt es mir besonders gut, all das Schlimme, das hinter mir liegt, zu vergessen.«

      »Ich freue mich immer, wenn ich helfen kann«, meinte er gerührt. »Und in deinem Fall freut es mich ganz besonders.« Er griff nach seinem Weinglas. »Trinken wir doch auf unsere Freundschaft.«

      Linda hatte Mühe, den in ihren Augen aufflackernden Triumph zu verbergen.

      »Gern, Robert«, meinte sie, dann griff auch sie nach ihrem Weinglas. »Trinken wir auf eine Freundschaft, die noch sehr lange bestehen soll.«

      Mit zartem Klang stießen die Gläser gegeneinander, und ohne ihre Blicke voneinander zu wenden, nahmen Linda und Dr. Daniel einen kleinen Schluck Wein zu sich. Dabei spürte Dr. Daniel wieder die unbeschreibliche Faszination, die diese wunderschöne Frau auf ihn ausübte. Impulsiv griff er nach ihrer Hand.

      »Ich weiß gar nicht so recht, was mit mir los ist«, bekannte er leise. »Linda, du bringst meine ganze Gefühlswelt durcheinander. Was ich in deiner Gegenwart erlebe, habe ich schon seit Jahren nicht mehr empfunden. Seit Christines Tod gab es in meinem Leben keine Frau mehr.« Unwillkürlich schlich sich Manon Carisi in seine Gedanken, doch er schob sie rasch wieder beiseite. Mit Manon verband ihn lediglich eine gute Freundschaft – zu solchen Gefühlswallungen, wie er sie jetzt gegenüber Linda erlebte, war es im Zusammensein mit Manon aber noch nie bei ihm gekommen.

      Linda hätte bei Dr. Daniels Worten am liebsten laut aufgejubelt. Ihr Plan lief einfach hervorragend, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie den Arzt so weit haben würde, daß er ihr überallhin folgte. Dann würde es für ihre Frauenklinik endlich einen neuen Anfang geben.

      *

      Eine Woche nach dem Eingriff, der in der Waldsee-Klinik durchgeführt worden war, kam Gerhild Sanders in Dr. Daniels Praxis zur Nachuntersuchung.

      »Das sieht sehr gut aus«, stellte der Arzt fest, dann half er Gerhild von dem gynäkologischen Stuhl herunter. »Haben Sie noch Schmerzen?«

      »Ein bißchen«, gab Gerhild zu. »Allerdings bei weitem nicht mehr so schlimm wie vor der Operation.«

      Dr. Daniel lächelte. »Das will ich aber auch hoffen. Es wäre ja schrecklich, wenn sich durch den Eingriff gar nichts geändert hätte.« Dann wurde er wieder ernst. »Das sind jetzt ganz normale Wundschmerzen, die von Tag zu Tag besser werden.« Er überlegte kurz. »Sicherheitshalber werde ich Ihnen ein Schmerzmittel aufschreiben. Und in einer Woche kommen Sie dann bitte noch einmal her. Bis dahin müßten Sie eigentlich schon eine deutliche Besserung feststellen.«

      Gerhild nickte. »Ich bin ja so froh, daß Sie diese Operation gemacht haben. Als ich noch in der Waldsee-Klinik war, sagte mir Frau Dr. Reintaler, daß es ein sehr schwieriger Eingriff war und daß es sicher nicht jeder Arzt geschafft hätte, mir diese Drüse zu erhalten.«

      Dr. Daniel errötete ein wenig, wie immer, wenn er für etwas gelobt wurde, was für ihn ganz selbstverständlich war. »Na ja, so schwierig war’s nun auch wieder nicht. Hauptsache ist doch, daß Sie keine Beschwerden mehr haben… jedenfalls in absehbarer Zeit.« Er schwieg kurz und wechselte dann das Thema. »Wie sieht es denn jetzt mit Ihrer familiären Situation aus? Haben Sie noch immer Probleme mit ihrer jüngeren Tochter?«

      Gerhild seufzte. »Ja, Herr Doktor, leider. Ich habe schon ein paarmal versucht, Martina dazu zu überreden, daß sie sich von Ihnen die Pille verschreiben läßt. Sie ist zwar erst sechzehn, aber ich bin fast sicher, daß sie mit ihrem Freund bereits intim ist.« Sie errötete. »Ich kann mir das gar nicht richtig vorstellen… mein kleines Mädchen und… ein Mann…«

      »Ihre Tochter hat sich in den letzten beiden Jahren zu einer hübschen jungen Frau entwickelt, der man durchaus nicht ansieht, daß sie erst sechzehn ist. Ein Außenstehender könnte sie leicht für älter halten. Deshalb bin ich Ihrer Meinung, daß Martina sich unbedingt um eine sichere Verhütungsmethode bemühen sollte.«

      »Das tut sie auch – so sagt sie es jedenfalls«, entgegnete Gerhild. »Sie will keine Pille nehmen. Ihr Freund hat ihr das eingeredet… so in der Art, daß Hormone den Körper verseuchen würden.« Sie winkte ab. »Ich weiß nicht, was er ihr noch alles erzählt hat. Martina will nun jedenfalls mit einer alternativen Methode verhüten. Irgend etwas mit Temperaturmessen und Schleim prüfen.« Ein wenig hilflos zuckte sie die Schultern. »Ich kenne mich da nicht so gut aus.«

      »Es handelt sich wahrscheinlich um die sogenannte natürliche Familienplanung«, erklärte Dr. Daniel. »Diese Methode ist durchaus sicher – sofern die Frau ihren Körper sehr gut kennt und einen regelmäßigen Zyklus hat. Genau das ist bei Martina aber nicht der Fall. Ich weiß, daß sie einen sehr unregelmäßigen Zyklus hat. Die Möglichkeit, daß sie bei dieser Methode schwanger wird, ist also ausgesprochen groß. Sagen Sie ihr das bitte, Frau Sanders, und wenn sie Ihnen nicht glauben sollte, dann schicken Sie sie ruhig zu mir.«

      Gerhild nickte ein wenig halbherzig. »Ich werd’s versuchen, Herr Doktor, aber ich fürchte, daß ich nicht viel Glück dabei haben werde. Sie glaubt ihrem Freund leider mehr als mir.« Sie seufzte. »Er hat bereits einen ausgesprochen großen Einfluß auf Martina, und ich fürchte, das ist gar nicht gut für sie.«

      *

      Gedankenverloren stand Dr. Daniel am Wohnzimmerfenster. Scheinbar direkt vor seinen Augen erhob sich der mächtige, schneebedeckte Kreuzberg, doch Dr. Daniel nahm ihn gar nicht wahr. Vor seinem geistigen Auge stand das schmale, feingemeißelte Gesicht einer wunderschönen Frau – Lindas Gesicht.

      »Robert.«

      Erschrocken fuhr Dr. Daniel herum, als hinter ihm so unerwartet Manon Carisis Stimme erklang.

      »Wie kommst du denn hier herein?« stieß er hervor.

      Manon bedachte ihn mit einem eigenartigen Blick. »Danke für die freundliche Begrüßung. Deine Schwester hat mich hereingelassen. Ich habe vorhin an der Wohnzimmertür geklopft, aber als ich keine Antwort bekommen habe, bin ich einfach hineingegangen und habe dich ein paarmal angesprochen, doch du scheinst mit deinen Gedanken sehr weit weg gewesen zu sein.«

      Dr. Daniel wandte seinen Blick wieder dem Kreuzberg zu. »Du hast recht, Manon, ich war mit meinen Gedanken tatsächlich ganz woanders.«

      Manon schwieg einen Moment, dann legte sie eine Hand auf Dr. Daniels Arm.

      »Robert, was ist mit dir los?« fragte sie behutsam. »Du hast zwei Verabredungen mit mir einfach vergessen. So etwas ist noch nie vorgekommen.«

      »Mir kann doch auch mal etwas dazwischenkommen«, entgegnete Dr. Daniel heftiger, als es sonst seine Art war. »In meiner Praxis ist schließlich jeder Tag die Hölle los.«

      »Dafür habe ich ja auch Verständnis«, entgegnete Manon ernst. »Aber wir leben im Zeitalter des Telefons, Robert. Du hättest doch bestimmt wenigstens eine Minute Zeit finden können, um abzusagen, oder ist das schon zuviel verlangt?« Sie wartete eine Antwort gar nicht erst ab, sondern drehte sich um und ging zur Tür. Von dort blickte sie noch einmal zurück. »Es tut mir leid, daß ich dich gestört habe.«

      »Manon, bitte.« Spontan folgte Dr. Daniel ihr und hielt sie am Arm fest. »Entschuldige, daß ich vorhin so heftig war, aber… ich habe im Moment wirklich entsetzlich

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