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herum und legte einen Arm um Martinas Schultern. »Ich verspreche dir, daß ich tun werde, was in meiner Macht steht, um dir zu helfen, aber eine Abtreibung kommt zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht. Ob dein Kind gesund ist, kann man erst in ein paar Wochen feststellen, aber du selbst bist es jedenfalls, du wurdest nicht vergewaltigt und wirst durch das Kind auch in keine soziale Notlage geraten, wobei dieser letzte Aspekt ohnehin nicht für jeden Arzt ein triftiger Grund für einen Schwangerschaftsabbruch ist.«

      »Für sie wohl auch nicht«, erklärte Martina voller Bitterkeit. »Oder sehen Sie es nicht als soziale Notlage an, wenn ich die Schule unterbrechen muß?«

      »Das mußt du nicht«, entgegnete Dr. Daniel. »Wenn du mit einem Lehrer deines Vertrauens die Angelegenheit besprichst, dann bin ich sicher, daß sich ein Weg finden lassen wird, damit du in der Schule nichts versäumst. Nach der Geburt kannst du dein Baby zur Adoption freigeben und weiterleben wie zuvor – allerdings vielleicht nicht mehr ganz so leichtsinnig. Ich nehme nämlich an, daß du künftig nicht mehr einen Mann darüber entscheiden läßt, welches Verhütungsmittel für dich das beste ist.«

      Nahezu feindselig sah Martina ihn an. »Das ist doch der einzige Grund, weshalb Sie mir nicht helfen wollen. Sie wollen mich bestrafen, weil ich einem Mann vertraut habe, der behauptet, mich zu lieben.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Ich will dich überhaupt nicht bestrafen, Martina. Das stünde mir auch gar nicht zu. Du sollst lediglich verstehen lernen, daß man ein heranwachsendes Leben nicht einfach töten darf, nur weil es einem gerade nicht in den Kram paßt. Es gibt heutzutage eine Menge Möglichkeiten zur Verhütung – Abtreibung aber gehört nicht dazu.«

      Niedergeschlagen ließ sich Martina wieder auf einen der beiden Sessel fallen, die vor Dr. Daniels Schreibtisch standen. Sie wußte im Grunde genau, daß der Arzt vollkommen recht hatte. Was sie und Richie getan hatten, war unverantwortlich gewesen, und wenn so etwas einem anderen Mädchen passiert wäre, dann hätte sie wohl gesagt: »Geschieht ihr ganz recht.« Andererseits sah sie ihre Zukunft im Moment wie einen Scherbenhaufen vor sich liegen, und das konnte sie nicht so einfach akzeptieren. Immerhin war sie doch erst sechzehn… das ganze Leben sollte noch vor ihr liegen.

      Dr. Daniel spürte, was in ihr vorging. Mit einer väterlichen Geste legte er eine Hand auf ihre Schultern.

      »Wir werden einen Ausweg finden, Martina«, versprach er. »Deine Mutter hat nächste Woche noch einen Termin bei mir. Vielleicht könntest du sie begleiten, und dann unterhalten wir uns noch einmal ausführlich über die ganze Geschichte. Ich kenne deine Mutter als eine sehr verständnisvolle Frau, und gemeinsam mit ihr werden wir sicher eine Lösung finden.«

      Martina nickte ein wenig halbherzig. »Ja, Herr Doktor.« Doch im Grunde glaubte sie nicht daran, daß es für sie eine gute Lösung sein würde.

      *

      Es ging bereits auf acht Uhr abends zu, als die Sprechstunde endlich beendet war. Langsam stieg Dr. Daniel die Treppe hinauf und öffnete die Wohnungstür, doch im Gegensatz zu sonst duftete es heute nicht nach Essen. Für einen Augenblick war Dr. Daniel erstaunt, dann fiel ihm ein, daß Irene bereits heute früh von einer Versammlung des Steinhausener Frauenbundes gesprochen hatte. Allerdings war es ihm ganz recht, wenn er heute allein sein würde. Auf diese Weise konnte er sich eingehender mit dem Vorschlag beschäftigen, den Linda ihm unterbreitet hatte.

      Dr. Daniel betrat die Küche, warf einen Blick in den Kühlschrank und stellte fest, daß er eigentlich gar keinen Hunger hatte. Also zog er sich ins Wohnzimmer zurück und ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf das gemütliche Sofa fallen. Das fahle Mondlicht erhellte den Raum nur mäßig, doch die Dunkelheit tat Dr. Daniel im Moment ganz gut. Er lehnte sich zurück und starrte blicklos vor sich hin. Vor seinem geistigen Auge sah er die moderne Frauenklinik, die beinahe bis in jede Einzelheit seinem Jugendtraum entsprach. Sicher, er selbst hätte die großzügigen Räumlichkeiten nicht ganz so aufwendig, dafür ein bißchen gemütlicher gestaltet, aber dennoch war diese Klinik genau das, was er sich als junger Arzt immer gewünscht hatte.

      »Papa.«

      Die erstaunte Stimme seines Sohnes riß Dr. Daniel aus seinen Gedanken. Erschrocken fuhr er hoch.

      »Stefan, du?« brachte er hervor. »Ich dachte, du hast Nachtdienst.«

      »Nein, erst morgen«, antwortete Stefan, dann schaltete er die Stehlampe ein. »Warum sitzt du denn hier im Dunkeln?«

      Dr. Daniel seufzte wieder. »Ich habe nachgedacht.«

      Es drängte Stefan zu fragen, worüber sein Vater nachgedacht hatte, doch im Grunde konnte er sich die Antwort schon denken.

      »Ich nehme an, über Linda und dich«, entfuhr es ihm, aber im selben Moment hätte er sich für diese Worte ohrfeigen können. Er hatte sich doch geschworen, über diese Frau kein Wort zu verlieren. Es war schließlich das Leben seines Vaters, und das ging ihn eigentlich nichts an.

      »Ich weiß schon, es gefällt euch allen nicht, daß ich mich in sie verliebt habe«, entgegnete Dr. Daniel ein wenig heftiger, als es normalerweise seine Art war. »Allerdings wird euch nichts anderes übrigbleiben, als diese Tatsache zu akzeptieren.«

      »Papa, so war das nicht gemeint«, erklärte Stefan leise. »Aber du mußt doch einsehen, daß es für uns eine ungewohnte Situation ist. Seit Mamas Tod gab es in deinem Leben keine Frau mehr – von Manon einmal abgesehen. Doch das mit Manon war ja etwas ganz anderes.«

      Die Erwähnung von Manons Namen weckte in Dr. Daniel Unbehagen. Schließlich wußte er ja ganz genau, wie sehr er die Freundschaft zu ihr in letzter Zeit vernachlässigt hatte. Aber Linda hatte nun mal sein ganzes Denken und Fühlen ausgefüllt.

      »Ihr werdet euch schon daran gewöhnen«, knurrte Dr. Daniel unwillig.

      Kopfschüttelnd sah Stefan ihn an. »Du hast dich verändert, Papa, und ich kann nicht gerade sagen, daß mir das gefällt.«

      »Mir gefällt auch vieles nicht.« Dr. Daniel schwieg einen Moment. »Du hast vollkommen recht, Stefan, ich habe mich wirklich verändert. Ich denke ausnahmsweise einmal an mich – und zwar in erster Linie an mich. Aber auch daran werdet ihr euch gewöhnen müssen.«

      »Das fürchte ich auch«, murmelte Stefan, und er erkannte, wie groß der Einfluß bereits war, den diese Linda auf seinen Vater ausübte. Noch vor zwei Wochen wäre es Dr. Daniel niemals eingefallen, so mit seinem Sohn zu sprechen.

      »Es ist wohl besser, wenn ich jetzt schlafen gehe«, meinte Stefan, dann drehte er sich um und wollte das Wohnzimmer verlassen, doch sein Vater hielt ihn zurück.

      »Warte, Stefan!« Dr. Daniel senkte den Kopf. »Was ich vorhin alles zu dir gesagt habe, tut mir leid. Es war nicht richtig, so mit dir zu sprechen, aber… ich stecke im Moment in einer ziemlichen Zwickmühle.«

      Stefan kam zum Sofa zurück und setzte sich nun neben seinen Vater.

      »Dann wäre es vielleicht besser, wenn du mit mir darüber reden würdest, anstatt mich nur zu vergraulen.«

      Dr. Daniel seufzte. »Du hast ja recht, mein Junge. Schau mal, Stefan, ich verstehe sehr gut, daß das für euch schwer zu verkraften ist. Mit Linda und mir… es ging so schnell, aber…« Er sah sah seinen Sohn an. »Ich war doch erst fünf-undvierzig, als ich Witwer geworden bin, und Linda… sie ist deiner Mutter sehr ähnlich. Sei ehrlich, Stefan, habe ich mir dieses zweite Glück denn nicht auch ein wenig verdient?«

      »Doch, Papa, natürlich«, beeilte sich Stefan zu versichern. »In meinen Augen verdienst du es mehr als jeder andere, eine zweite Liebe erleben zu dürfen, und ich gönne dir dieses Glück von ganzem Herzen.« Allerdings bezweifle ich, daß es wirklich ein Glück für dich sein wird, fügte er in Gedanken hinzu.

      »Danke, Stefan«, erklärte Dr. Daniel. »Ich bin froh, daß du so dar-über denkst.« Er stand auf. »Trinkst du noch ein Glas Wein mit mir?«

      »Gern, Papa«, brachte Stefan ein wenig mühsam hervor. Er fühlte sich im Moment nicht besonders wohl in seiner Haut, weil er eigentlich doch ein wenig anders über die Liebesbeziehung seines Vaters dachte, als er es gesagt

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