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noch auf seinem Zimmer sein.«

      Wieder verging eine Zeit, da sah er Tredrup die große Treppe hinab kommen. Schon von weitem fiel ihm dessen Aussehen auf. War dies verfallene, übernächtige Gesicht mit den unruhigen, fiebrig glänzenden Augen das des stets heiteren, blühenden Klaus Tredrup?

      Mit Besorgnis und Unruhe reichte er ihm die Hand. »Was ist Ihnen, Herr Tredrup? Sind Sie krank?«

      »Ich krank? Nein, Herr Uhlenkort. Nicht im geringsten.«

      Ein kurzes, stoßweises Lachen begleitete seine Worte.

      »Ich bitte Sie, Herr Tredrup, verstehen Sie meine Teilnahme nicht falsch. Ihr Aussehen straft Sie Lügen. Sie sind krank. Diese Veränderung von gestern auf heute ist nicht anders zu erklären … oder hängt das noch mit dem Unfall in Mineapolis zusammen?«

      »Dieselbe Frage …« Tredrup brach kurz ab. Er stürzte eine Tasse Tee hinunter und griff nach den Zeitungen.

      »Übrigens …« Er wandte sich Uhlenkort zu. »Wir haben mit unseren Zirkusbesuchen ausgesuchtes Pech! Meinen Sie nicht auch?«

      Uhlenkort nickte. Sein Auge ruhte mit Sorge auf den so veränderten, nervösen Zügen Tredrups.

      »Immerhin brachten wir es bis zur sechsten Nummer des Programms«, sagte Tredrup. »Vielleicht haben wir das nächste Mal mehr Glück.«

      »Herr Tredrup, ich bitte Sie! Lassen Sie die Scherze. Sie versuchen vergeblich, mich über die Sorge um Sie hinwegzutäuschen. Ich will nicht indiskret sein. Wenn Sie es für besser halten, zu schweigen, so schweigen Sie. – Ich selbst möchte Ihnen kurze Mitteilungen über mein Verhalten am gestrigen Abend im Zirkus geben. Sind Sie bereit und imstande, mich anzuhören?«

      »Oh, gewiß, Herr Uhlenkort. Mein Interesse ist groß … vielleicht größer als …«

      Er rückte seinen Sessel näher an den Uhlenkorts heran.

      »So hören Sie mir zu, Herr Tredrup. Es ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen erzählen werde, aber ihr Ende wird schließlich in den Zirkus von Kapstadt führen. War davor etwa fünfzig Jahren ein Sohn aus dem Hause Harlessen – Sie kennen sicher die Hamburger Firma und vielleicht auch die Familie – nach Amerika ausgewandert. Die Familien Uhlenkort und Harlessen sind von Großvaters Seite her verschwägert.

      Die Ursachen, weshalb jener Harlessen nach Amerika auswanderte, lagen in pekuniären Differenzen mit seinem Vater. In Differenzen von einer Schwere immerhin, daß – um mich jener Worte zu bedienen – das Tischtuch zwischen beiden zerschnitten wurde.

      Jener Harlessen kam nach mancherlei Irrfahrten nach Mittelamerika und kaufte sich in der Nähe des Kanals eine Farm. Seine Frau starb früh.

      Eine Tochter wuchs ihm auf. Christie Harlessen. Es ist die Schulreiterin, die wir gestern sahen …«

      Klaus Tredrup fuhr auf. »Flores de Tejada ist Christie Harlessen?«

      Uhlenkort nickte.

      »Ein tragisches Schicksal liegt über dem Mädchen, das ich übrigens gestern Abend zum ersten Male sah. Von den Landenteignungen am Panamakanal wurde auch ihr Vater betroffen. Und nun beginnt eine Reihe von dunklen Ereignissen, deren Aufklärung mir bis jetzt noch nicht gelungen ist. Als erstes nenne ich das: Es wurde die durchaus nicht kleine Entschädigungssumme entgegen sonstigen Gepflogenheiten in bar bezahlt.

      Am Abend vor der Abreise von der Besitzung kamen Vater und Tochter von einem Abschiedsbesuch zu Pferde zurück. Ich erzähle es Ihnen so, wie es mir von Leuten am Kanal berichtet wurde, als ich vor etwa drei Wochen da unten war.

      Jetzt der andere höchst sonderbare Punkt. Der einzige Diener, der noch auf der Farm war, ist verschwunden … Christie bringt die Pferde selbst in den Stall, während ihr Vater in das Haus tritt. Während sie noch mit den Pferden beschäftigt ist, hört sie aus dem Hause einen Schrei. Die Stimme ihres Vaters. Sie läuft in das Haus. In dem dunklen Flur – es war nach Sonnenuntergang – stürzt ein Mann an ihr vorbei. Sie eilt in das Zimmer des Vaters. Findet ihn, aus einer schweren Wunde am Hinterkopf blutend, am Boden liegen. Die gepackten Koffer im Zimmer sind aufgebrochen und durchwühlt, Geld und Wertsachen geraubt. Der Vater stirbt, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Christie verläßt die Farm.

      Soweit gingen die Mitteilungen, die mir da unten gemacht wurden. In den Staaten wandte ich mich an das Pinkerton Office. Die Auskunft lautete: Christie Harlessen aus Not Zirkusreiterin geworden.

      Vor meiner Abreise nach Timbuktu bekam ich die weitere Nachricht, daß sie zurzeit hier sei. Der Zufall war mir günstig. Ich hatte ja ohnehin die Absicht hierher zufahren.«

      »Sie nannten es Zufall, Herr Uhlenkort …« Tredrup sagte es wie traumverloren.

      »Gewiß, Herr Tredrup, ein Zufall wollte es so … oder wollen Sie das für ein Geschick, für eine höhere Fügung halten?«

      Tredrup zuckte kurz mit den Achseln. Sein Blick ging zur Seite.

      »Zufall … Fügung … was weiß ich?«

      »Aber, Herr Tredrup.« Uhlenkort sagte es lachend. »Ich erkenne Sie nicht wieder. Sie, Herr Klaus Tredrup, belieben über Schicksal und Zufall zu philosophieren. Sie, der Mann der nackten Tatsachen. Sollte Ihnen gestern Abend auch so ein mystischer Zufall passiert sein?

      Beinahe müßte ich es denken.«

      »Wenn Sie das denken, Herr Uhlenkort, so denken Sie nicht falsch.«

      Er stützte das abgewandte Gesicht in die Hand. Sein Auge schweifte ruhelos durch den Raum. Uhlenkort stutzte. Dieser sonderbare Ton.

      »Verzeihung, Herr Tredrup, wenn ich etwas berührte, was …«

      »Nichts zu sagen, Herr Uhlenkort.« Tredrup lehnte sich in seinen Sessel zurück. »Man glaubt allen Wind der Welt um die Nase verspürt zu haben, und dann … Zufall oder Fügung.« Seine Worte gingen in einem Murmeln unter.

      »Lassen wir das.« Mit einem kurzen Ruck richtete er sich auf, als wolle er alles abschütteln.

      »Der Unfall im Zirkus gestern ist ja, Gott sei Dank, gut verlaufen. Es hatte Sie anscheinend mächtig gepackt. Sie turnten da mit einer beträchtlichen Fixigkeit in die Manege hinunter.«

      Uhlenkort lachte.

      »Ich glaube gern, daß Sie sich da amüsiert haben. Aber das war doch schließlich zu erklären.«

      »Ganz gewiß. Gewiß, Herr Uhlenkort. Es ist nicht zu leugnen, daß Fräulein Harlessen eins der schönsten Mädchen ist, das mir je vor Augen kam. Ich wundere mich, daß Sie nicht längst auf dem Wege sind, sich nach ihrem Befinden zu erkundigen.«

      »Ich warte nur auf die passende Zeit.« Uhlenkort blickte auf die Uhr.

      »Ich glaube, es jetzt tun zu dürfen.«

      »Viel Glück, Herr Uhlenkort. Sie treffen mich hier wieder.«

      »Geh, Betty. Es hat geklingelt. Es wird der Doktor sein.« Die Dienerin kam zurück.

      »Nein, Fräulein Harlessen. Ein fremder Herr. Hier ist seine Karte.«

      Christie richtete sich ein wenig von dem Ruhebett auf. Sie nahm die Karte und las: Walter Uhlenkort, Hamburg. Langsam ließ sie sich wieder zurück gleiten. Ihre Augen schlossen sich.

      Hamburg … Uhlenkort … Harlessen … Die Verbindung der drei Namen … Was lag darin. Sie sann und vergaß, vergaß Zeit und Raum …

      »Soll ich den Herrn abweisen, Fräulein Harlessen?« Die Stimme riß sie aus dem Sinnen.

      »Uhlenkort aus Hamburg? Nein … lassen Sie den Herrn gehen!« Sie deckte die Augen mit der Hand. »Nein, Betty, führen Sie den Herrn ins Nebenzimmer.«

      Sie stützte den Arm auf das Ruhebett und hob langsam den Oberkörper in die Höhe. Ihre Miene verriet, daß die Bewegung ihr Schmerzen bereitete. Sie schritt dem Nebenraum zu. Im Türrahmen blieb sie stehen und schaute prüfend auf die hohe Mannesgestalt, die sich vor ihr verneigte.

      »Herr

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