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hatte die Manege verlassen. Ein paar Clowns kugelten über den Sand. Die Stalldiener bauten am Ausgang der Arena eine Hürde auf.

      Die Musik brach kurze Zeit ab und ging dann in einen wilden Galopp über. Alle Augen richteten sich gespannt auf den Eingangstunnel.

      Und dann … ein buntes Etwas flitzte durch die Manege. Die Füße der Fuchsstute schienen kaum den Erdboden zu berühren.

      »Eh! Eh!« Kurz wie ein Peitschenhieb klang’s. Wie ein dunkler Schatten huschte es über die Hürde. Schon sprangen die Stalldiener hinzu und legten zu höherem Sprung die Hürde auf.

      Mit fieberhafter Erregung sah das Publikum die Jagd immer schneller, immer wilder vorüberbrausen. Ein Sprung immer höher als der andere … immer höher türmte sich die Hürde.

      Die Musik brach ab. Die Stute wendete im leichten Galopp um das Hindernis und verschwand im Tunnel. Todesstille … Mit verhaltenem Atem erwartete das Publikum den letzten, höchsten Sprung.

      Da … man hörte das Schnauben des heranstürmenden Pferdes … man vernahm das aufreizende Eh! Eh! Jetzt! Da war sie …

      Ein kleiner Rosenstrauß, von voreiliger Hand geschleudert, flog vor den Füßen des Tieres in den Sand. Ein kurzes, kaum merkliches Stutzen des Pferdes … ein sausender Gertenhieb … Das Pferd hob sich zum Sprung – eine Zehntelsekunde zu spät. Die Vorderhufe stießen gegen die Hürde. Krachend brach das Gerüst zusammen. Der Oberkörper der Reiterin schlug nach vorn. Sie überschlug sich … fiel dicht neben dem Pferd zur Erde. Ein Schrei ging durch das weite Rund. Aufregung, Tumult im ganzen Raum.

      Walter Uhlenkort sprang auf und stürmte in die Manege. Stand am Ausgang und wurde von den Bediensteten aufgehalten. Man achtete seiner dringenden Bitten nicht.

      »Gedulden Sie sich, Herr! Der Arzt ist bei der Dame. Die Direktion wird sofort Mitteilung geben.«

      Kein Protest half. Es blieb ihm nichts übrig, als in der Nähe des Ausganges zu warten.

      In der Tat nur wenige Minuten. Am Arm des Direktors trat sie an den Manegenrand. Das stereotype Künstlerinnenlächeln auf dem bleichen Gesicht.

      Mit lauter Stimme verkündete der Direktor, daß der Unfall ohne Folgen geblieben sei. Señorita de Tejada werde am folgenden Abend wieder wie gewohnt in der Vorstellung auftreten.

      Ein Orkan des Beifalls erfüllte das Haus. Ein Blumenregen fiel in die Manege. Schon sprangen wieder Clowns mit lustigen Sätzen auf den Sand. Nur ein leises Murmeln in den Rängen zeugte von der abebbenden Erregung.

      Walter Uhlenkort kehrte langsam in seine Loge zurück. Noch ganz benommen von dem eben Geschehenen, setzte er sich mechanisch auf seinen Platz. Erst nach Minuten bemerkte er, daß der Platz neben ihm leer war.

      Wo war Tredrup geblieben?

      Tredrup sah den Rosenstrauß durch die Arena fliegen. In Bruchteilen einer Sekunde begriff er, was geschehen war. Seine scharfen Blicke fuhren von dem niederfallenden Strauß zurück, dahin, von wo er gekommen war. Schräg vor sich sah er in einer Loge eine weibliche Gestalt, deren Arm soeben zurücksank. Er sah das Stutzen des Pferdes … und den Sturz. Er sah, wie die ungeschickte Werferin von der nächsten Umgebung mit Ausdrücken des Unwillens und Tadels bedacht wurde. Sah, wie diese sich unter allen Anzeichen der Bestürzung und Verlegenheit erhob, um den Zirkus zu verlassen. Sie trat aus der Loge in den Kreisgang, wandte dabei ihr Antlitz den höheren Reihen zu. Ein eisiger Schreck fuhr durch Tredrups Glieder.

      Juanita war’s … Juanita!

      Wie kam Juanita hierher? Sie war die Ungeschickte … sie. Tausend Gedanken stürmten auf ihn ein. Verwirrend … betäubend.

      Mechanisch erhob er sich und folgte der Enteilenden. Verlor sie kurze Zeit aus den Augen. Sah sie dann über den freien Platz vor dem Zirkus auf den Nationalpark zuschreiten. Er folgte ihr. Widerstrebend und doch gezwungen. Als sie in das Dunkel eines Seitenweges einbog, beschleunigte er seine Schritte.

      »Juanita!«

      Die Gestalt blieb vor ihm stehen und drehte sich mit jähem Ruck um.

      »Was ist? Was … was wollen Sie? Wer sind Sie?«

      Er sah ihre Hand in die Tasche gleiten. Hörte ein leichtes Knacken.

      »Nicht nötig, Juanita. Gut Freund!«

      »Gut Freund?« Wie ein bitteres Lachen klang das Wort. »Wer sind Sie?«

      »Du erkennst meine Stimme nicht wieder? Ja, ja … früher sprach sie in anderen Tönen zu dir.«

      »Klaus … du? Du bist es, Klaus?«

      »Ich bin es.«

      »Was willst du von mir? Warum verfolgst du mich?«

      »Verfolgen? Verfolge ich dich?« Tonlos kam es von seinen Lippen.

      »Ja! Ich verfolge dich … ich folgte dir, Juanita.«

      Tief atmend stand er vor ihr.

      »Warum? Was willst du von mir? Wo sahst du mich? Sind unsere Wege nicht geschieden … auf ewig?«

      »Unsere Wege sind geschieden, Juanita! Du hast Recht! Geschieden seit jenem Tage – und doch folgte ich dir jetzt, als ich sah … im Zirkus sah …«

      Mit kurzem Schritt war Juanita auf ihn zugetreten.

      »Du warst dort? Und?«

      »Ja, Juanita. Ich war dort. Ich kam erst spät. Ich sah dich nicht. Nicht eher, als bis du …«

      »Was sahst du?«

      »Ich sah, wie du den Rosenstrauß dem Pferd vor die Füße schleudertest, daß es den Sprung verfehlte und seine Reiterin unter sich begrub.«

      »Das sahst du?«

      »Ja, das sah ich.«

      »Und was weiter? Folgst du mir deshalb?«

      »Deshalb? Ich weiß nicht … Ich weiß nur, daß ein Schreck mich faßte, als diese Hand die deine war.«

      »Was sagst du? Was willst du damit sagen?«

      Er fühlte, wie ihre Finger sich in seinen Arm gruben.

      »Nichts, Juanita! Ich will nichts sagen. Als ich dich erkannte, da war es mir, als ob ich dir folgen … als ob ich dich sprechen müßte.«

      »Du sprichst in Rätseln, Klaus. Was soll das alles?«

      Er fühlte, wie ihr Gesicht im Dunkeln sich an das seine heran schob.

      Er fühlte ihren warmen Atem, der sich stoßweise aus der Brust rang.

      »Was das soll? Ich weiß es … nicht, Juanita.«

      Dann, mit einer brüsken Bewegung, schleuderte er ihre Hände ab.

      »Juanita! War das Absicht? Wolltest du das?«

      »Klaus! Bist du wahnsinnig oder trunken? Was sagst du da?«

      »Antworte! Du! War das … ?«

      Die Fäuste geballt, stand er vor ihr.

      »Antworte! Du!«

      »Du bist wahnsinnig, Klaus! Was kümmert mich die Fremde. Geh weg! Laß mich! Was kümmere ich dich? Was kümmerst du mich?«

      »Juanita!« Es war ein Ton aus tiefstem Herzensgrund. »Juanita! Du!

      Ich bitte dich … Ich bitte dich bei allem, was uns einst verband.«

      Ihre Hand hob sich leise … bittend … abwehrend.

      »Klaus! Was ist dir! Was denkst du?«

      »Ich weiß nicht, was ich denke, Juanita. Ich fürchtete …«

      »Was fürchtetest du, Klaus?«

      »Für dich fürchtete ich, für dich.«

      »Klaus!« Es war der Ton … jener alte, vertraute Klang. Seine starke Gestalt fiel zusammen, griff, wie nach einer

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