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werden, sondern es genügt die Befragung eines Teils der Bewohner – so genannte Stichprobe –, um Aussagen über die Gesamtbevölkerung der Stadt treffen zu können. Damit aber die Aussagen über [52] die Stichprobe auf die Gesamtheit übertragen werden können, ist es wesentlich, dass die Stichprobe (sample) methodisch korrekt gebildet wird. Idealerweise erfolgt dies in Form einer Zufallsstichprobe und damit in der Weise, dass alle Einheiten der Grundgesamtheit die gleiche Wahrscheinlichkeit haben, Teil der Stichprobe zu werden.

      18

      Auf die Konzipierung folgt die Durchführungsphase, in der die Datenerhebung vorgenommen wird. In der daran anschließenden Auswertungsphase werden die erhobenen Daten eingehend analysiert und bewertet, um das so gewonnene Wissen mit den Ausgangshypothesen abzugleichen. Dabei lassen sich quantitative Daten statistisch auswerten. Auf diesem Weg sind Aussagen über die Häufigkeitsverteilung bestimmter Merkmale in einer Gruppe oder über Beziehungen (Korrelationen) zwischen zwei oder mehreren Variablen möglich. So kann in einer Studie z. B. untersucht werden, ob die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, gleichmäßig nach Geschlecht, Alter oder ethnischer Zugehörigkeit verteilt ist oder ob zwischen den Variablen Alter und strafrechtliche Registrierung eine Korrelation besteht. Qualitative Verfahren erfordern hingegen andere Auswertungsmethoden, die je nach dem gewählten Forschungsdesign variieren. Neben freieren Formen der Interpretation ist die Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring115 mit einer systematischen Vorgehensweise eine häufig genutzte Methode.116

      94 Bock 2013, Rn. 52 ff.

      95 S. Bohnsack 2014, 13 ff.

      96 Dazu Flick 2012, 28 f., 95; Meier 2010, 87.

      97 S. Eisenberg 2005, 102.

      98 Fuchs/Hofinger/Pilgram 2016.

      99 Wincup 2013, 103.

      100 Bock 2013, Rn. 74; Neubacher/Oelsner/Schmidt 2013, 675.

      101 Wittenberg 2015, 96 ff.

      102 Newburn 2013, 950.

      103 Wincup 2013, 104.

      104 Wincup 2013, 105.

      105 Eisenberg 2005, 134 f.

      106 Eisenberg 2005, 110.

      107 Wincup 2013, 106.

      108 Schneider 2007, 226.

      109 Eisenberg 2005, 113.

      110 Schneider 2007, 219.

      111 Schwind 2013, 169 f.

      112 Coomber u. a. 2014, 35.

      113 Meier 2010, 94 f.

      114 Schneider 2007, 231 f.

      115 Mayring 2016.

      116 Bock 2013, Rn. 84.

      § 6 Notwendigkeit und Begrenztheit von theoretischen Vorstellungen

      1

      Im 20. Jahrhundert haben sich unterschiedliche Vorstellungen über kriminelles Verhalten, seine fördernden, es stabilisierende oder unterbrechende Einflüsse und – ganz allgemein – über das Bewirken von Kriminalität durch die biologische Anlage, die Gesellschaft und die Kriminalitätskontrolle entwickelt. Dabei steht seit dem Bedeutungsverlust der klassischen Schule die Frage nach den individuellen Ursachen kriminellen Verhaltens im Zentrum.

      2

      Den Vorstellungen ist gemeinsam, dass sie kriminelles Verhalten nach Erklärungsmustern bestimmen, welche für menschliches Handeln überhaupt gelten. Kriminelles Verhalten folgt keinen besonderen Gesetzmäßigkeiten, sondern den allgemeinen Regeln menschlichen Handelns. Ob ich danach frage, warum Menschen kriminell werden, zu übermäßigem Alkoholkonsum neigen oder ihre Partner sozial toleriert demütigen: Die Gründe für all das sind nach einheitlichen Vorstellungen über menschliches Handeln zu bestimmen, welche in der menschlichen Natur, den sozialen Abhängigkeiten oder in sonstigen Einflussfaktoren liegen mögen. Aus der Erklärung krimineller Betätigung nach allgemeinen Verhaltenskonzepten folgt, dass eine Klärung der Zusammenhänge kriminellen Handelns pars pro toto zur Klärung der Zusammenhänge menschlichen Handelns überhaupt beiträgt. Ebendies macht die wissenschaftliche Befassung mit dem Verbrechen von Anbeginn zu einer „Schule der Bildung“ und einer „umfassenden Menschheitswissenschaft“ (→ § 3 Rn 4).

      3 Die Divergenzen der unterschiedlichen kriminologischen Schulen jener Zeit rühren daher, dass sie auf der Basis dieser Gemeinsamkeit unterschiedliche Vorstellungen über das Wesen menschlichen Handelns favorisieren. Die vertretenen Handlungsmodelle lassen sich grob danach einteilen, ob ihnen ein deterministisches oder ein indeterministisches Menschenbild zu Grunde liegt. Die Klassische Schule (→ § 4 Rn 4 ff.) vertrat in der Tradition der Aufklärung eine indeterministische Position,[54] die das Individuum als rational und eigenverantwortlich handelnd versteht. Die biologisch-anthropologische Schule (→ § 4 Rn 18 ff.) und die aufkommenden soziologischen, auf das soziale Milieu bzw. die Anomie der gesellschaftlichen Strukturen bezogenen, Erklärungen (→ § 4 Rn 17; § 9 Rn 3 ff.) beruhen hingegen auf einem deterministischen Menschenbild. Dieses erachtet menschliches Verhalten als durch willensunabhängige empirisch benennbare Faktoren im Sinne statistischer Wahrscheinlichkeit kausal determiniert. Aus den jeweiligen Verhaltenskonzepten ergeben sich je unterschiedliche praktische Konsequenzen für die Prävention und die strafrechtliche Intervention.

      4

      Schaubild 2.1: Menschenbilder und Verhaltenskonzepte der frühen Kriminologie

      5

      Aus der fortschreitenden Differenzierung jener Verhaltenskonzepte entwickeln sich die heute vertretenen theoretischen Zugangswege zur Kriminalität, die wir in der Folge „Kriminalitätstheorien“ nennen wollen. Das deterministische Verhaltenskonzept ist die Basis für die Mehrzahl der bis in die 1980er Jahre entwickelten Kriminalitätstheorien. Ihm entspricht erkenntnistheoretisch das Erklärungsmodell und das Selbstverständnis der Kriminologie als einer vorzugsweise quantitativ vorgehenden, die Ursachen kriminellen Verhaltens empirisch erforschenden Erfahrungswissenschaft (→ § 2 Rn 8 f.). Dem indeterministischen Verhaltenskonzept folgen in Reinform die ökonomische Kriminalitätstheorie (→ § 12 Rn 12 ff.), ferner ansatzweise die Kontrolltheorien (→ § 11) und jene theoretischen Zugangswege zur Kriminalität, welche, wie der symbolische Interaktionismus (→ § 13 Rn 1 ff.), am sinnhaften Verstehen des Handelns interessiert sind und qualitative Methoden bevorzugen (→ § 2 Rn 11 ff.).

      6

      Die Wahl eines bestimmten theoretischen Zugangsweges zur Kriminalität ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, Kriminalität überhaupt wahrnehmen und sinnvolle Aussagen darüber machen zu können. Dies gilt nicht nur für die systematischen Wahrnehmungen der kriminologischen Wissenschaft, sondern bereits für Alltagswahrnehmungen von Kriminalität. Denn jeder soziale Akteur entwickelt routinemäßig für ihn überzeugende schematische Vorstellungen über den Sinn seines eigenen Handelns und dasjenige anderer. Jede Wahrnehmung menschlichen Handelns ist deutungsabhängig und damit theoriegeleitet, mag die Anleitung auch unbewusst geschehen und es sich dabei um eine unüberprüfte Alltagstheorie handeln. Insofern theoriegeleitete Vorstellungen

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