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über das Zustandekommen „klassischer“ Kriminalität werden Konzepte zur Erfassung der Kriminalität der Weißen Kragen (white collar crime) entwickelt und dabei die Strategien analysiert, mit denen es den Trägern weißer Kragen gelingt, nicht nur dem strafrechtlichen Kontrollnetz zu entschlüpfen, sondern sogar zu verhindern, dass strafrechtliche Verbote gegen ihr sozialschädliches Verhalten zustande kommen. Landesweit periodisch wiederholte Opferbefragungen haben die Entwicklung einer systematischen Opferforschung (Viktimologie) ermöglicht (→ § 18 Rn 19 ff.). Die Frage, welche Maßnahmen der Kriminalprävention gleichermaßen realisierbar, kostengünstig und erfolgversprechend sind, ist ein nachhaltiges Thema der nordamerikanischen Kriminologie. Die überaus harte Sanktionierungsstrategie in den USA (→ § 21 Rn 11 ff.) ist Gegenstand kritischer Studien. Neuestens steht die verbreitete gesellschaftliche Verunsicherung über kriminelle Ereignisse (→ § 24 Rn 19 ff.) sowie die Prävention besonders „brennender“ Kriminalitätsprobleme in den Bereichen der Straßengewalt (→ § 24 Rn 31), des [46]Drogenhandels, der organisierten Kriminalität (→ § 2 Rn 26) und des Terrorismus im Blickfeld.

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      Angesichts all dieser Entwicklungen bildet sich der Eindruck eines komplexen Forschungsrepertoires, das in seiner Reichhaltigkeit, aber auch Disparität weltweit einzigartig ist, ein Sammelbecken sämtlicher aktueller Perspektiven der Kriminologie bildet und als Steinbruch für jegliche kriminalpolitische Argumentation dienen kann. Die Kriminologie in den USA ist weltweit prägend und richtungsweisend. Spätestens mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums, der Krise des europäischen Wohlfahrtsstaates und der Homogenisierung der Kulturen im globalen Rahmen werden die USA zur Leitkultur der Weltordnung und damit zum alleinigen Trendsetter auch für die Kriminologie und die Kriminalpolitik.

      74 Morus/Campanella/Bacon 1960.

      75 Zitiert nach Alff 1989, 85 f.

      76 Deimling 1989, 171.

      77 Foucault 1976a, 93 ff.

      78 Becker 2002, 11 ff.

      79 Lavater 1775-1779, 490.

      80 Gall/Spurzheim 1809-1812.

      81 Garland 2002, 8 f.

      82 Quételet 1914; Quételet 1921.

      83 Quételet 1914, 104 f., 107.

      84 Crews 2009.

      85 Debuyst u. a. 2008.

      86 Lombroso 1887.

      87 Lombroso 1902, 326 f.

      88 Kürzinger 1977.

      89 Strasser 2005, 47.

      90 Goring: The english convict, zitiert nach Vold 1958, 58.

      91 Gebhardt/Heinz/Knöbl 1996.

      92 von Liszt 1905, 65.

      93 von Liszt 1883.

      § 5 Kriminologische Forschungsmethoden

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      Als Erfahrungswissenschaft liegt ein Schwerpunkt kriminologischer Forschung neben theoretischen Arbeiten auf der empirischen Forschung. Anders als normative Wissenschaften, wie etwa die Rechtswissenschaft, untersucht die Kriminologie die Lebenswirklichkeit – so unverstellt wie möglich. Dabei sollen in der Theorie entwickelte Annahmen überprüft und/oder weiterentwickelt werden, die sowohl die Entstehung von abweichendem Verhalten als auch die Praxis des Kriminalisierungsprozesses betreffen können. Für diese Forschung greift die Kriminologie auf die Methoden verschiedener Bezugswissenschaften zurück, im Besonderen auf die der empirischen Sozialforschung. Diesen kommt die Aufgabe zu, den Forschungsprozess möglichst frei von unerwünschten Einflüssen zu strukturieren und so allgemein gültige Erkenntnisse zu erlangen.94

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      Quantitative Ansätze stehen auch in der kriminologischen Forschung immer noch im Vordergrund, obwohl die Bedeutung qualitativer Methoden hier wie auch allgemein in den Sozialwissenschaften zunimmt. Beide Herangehensweisen haben ihre Berechtigung und können methodisch gültige empirische Erkenntnisse erbringen. Allerdings sind sie für verschiedene Fragestellungen in unterschiedlichem Maße geeignet.98 Ihre Wahl bleibt von der Weltsicht der Forschenden und der jeweiligen Forschungsintention abhängig.

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      Unabhängig von der methodischen Herangehensweise stellt sich weiterhin die Frage, ob die für das Forschungsvorhaben notwendigen Daten selbst erhoben werden sollen (Primärdaten) oder ob bereits für einen anderen Zweck erhobene Daten ausgewertet werden können (Sekundärdaten).99 Wichtige Quellen für Sekundärdaten im Bereich der Kriminologie sind zum einen die amtlichen Statistiken (Polizeiliche Kriminalstatistik, Staatsanwaltschafts-, Strafverfolgungs- und Strafvollzugsstatistik) sowie die durch Strafverfolgungsbehörden angelegten Akten. Außerdem können auch Daten, die für andere Studien erhoben wurden, für weitere Fragestellungen [48] verwendet werden. Auswertungen von Sekundärdaten haben den Vorteil, dass die meist ressourcenintensive eigene Datenerhebung entfällt. Zugleich ergeben sich aus der Verwendung von Sekundärdaten auch Nachteile, da die Erhebung der Daten nicht im Hinblick auf den Forschungszweck erfolgt ist und von partikularen Interessen geleitet sein kann. Generell liefern Sekundärdaten ein durch das spezifische Interesse bei der Datenerhebung und die gewählte Erhebungstechnik verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Insbesondere amtliche Quellen, wie aktenmäßige Erfassungen und Statistiken, betreffen nur das amtlich bekannt gewordene Hellfeld der Kriminalität und dürfen nicht als Abbild der Wirklichkeit verstanden werden (→ § 15 Rn 6).

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      Für die Erhebung von Primärdaten in kriminologischen Forschungsvorhaben sind aus der empirischen Sozialforschung vor allem die verschiedenen Formen der Befragung, der Beobachtung und des Experiments von Bedeutung. Diese können jeweils quantitativ bzw. qualitativ ausgestaltet werden oder beide Aspekte kombinieren, was als Triangulation oder mixed-method-Forschung bezeichnet wird.100 Die Methodenwahl ist von der angestrebten Erkenntnis abhängig. Besondere Problemstellungen hinsichtlich der Methoden ergeben sich bei der Dunkelfeldforschung, die daher gesondert behandelt

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