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antwortete Darius, der die Worte seines Meisters zwar zur Kenntnis genommen hatte, doch nicht ihren Sinn begriff. Zu gerne hätte er den Inhalt ihres Gespräches gewusst und was sie jetzt im Albewald vorhatten. Sorgen machte er sich kaum, denn obwohl Skal sehr aufgeregt schien, konnte Darius sich nicht vorstellen, dass es etwas gab, was sein Meister nicht bewältigen konnte. Zumal er dabei Unterstützung von einer weiteren Iatas-Meisterin hatte.

      Auch Therry schien sich nach den barschen Worten ihrer Mentorin inzwischen mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben, denn kaum dass Irys und Skal ihnen den Rücken gekehrt hatten und schon nach wenigen Schritten in dem undurchdringlich scheinenden Meer aus Bäumen verschwunden waren, trat sie zu ihm herüber.

      »Du sammelst am besten erst mal trockenes Holz für ein Feuer, dann kannst du ...«

      »Wie kommst du darauf, mir Befehle zu erteilen?«, unterbrach sie Darius, der Therry mit jedem Wort weniger leiden konnte.

      »Ganz einfach«, entgegnete sie und zog eine Augenbraue hoch. »Ich bin schon länger in Ausbildung als du, deshalb hast du zu tun, was ich dir sage.«

      »So ein Unsinn«, blaffte Darius sie an. »Wir sind gleichgestellt. Das heißt, wenn du mitten am Tag ein Lagerfeuer entzünden willst, musst du dir das Holz schon selber suchen.«

      »Dir ist vielleicht entgangen, dass wir hier direkt am Rande des Albewaldes sind«, sagte Therry hochnäsig. »Hier hausen die schrecklichsten Kreaturen, die du dir vorstellen kannst und wenn du sie fernhalten willst, musst du nun mal ein Feuer entzünden, egal ob die Sonne scheint oder nicht.«

      »Und dir ist vielleicht entgangen«, erwiderte Darius nicht weniger herablassend, »dass diese schrecklichen Kreaturen Alben heißen und sie gehörten früher einmal, genauso wie wir, zu den Zivilisierten Völkern von Epsor. Deshalb glaube ich nicht, dass sie sich von einem Feuer abschrecken lassen.« Darius sprach bewusst mit genau demselben überheblichen Unterton wie Therry und versuchte auch gleich noch, sie mit seinem Wissen über die Alben zu beeindrucken. Nur ging das leider nach hinten los.

      »Du glaubst doch wohl nicht etwa an diesen Blödsinn?«, gluckste die junge Frau und sah ihn belustigt an. »Die letzten Alben sind vor zweihundert Jahren gestorben. Nur kleine Kinder und Schwachköpfe glauben daran, dass es sie immer noch gibt.«

      »Mein Meister glaubt das«, meinte Darius trotzig. »Und ich übrigens auch, wenn du’s wissen willst. Warum heißt es wohl Albewald und nicht Nachtwald?«

      »Es heißt Albewald, weil die letzten überlebenden Alben des Großen Krieges vor zweihundert Jahren hierher geflüchtet sind«, erklärte Therry, so als würde sie mit einem kleinen Kind reden. »Aber seitdem gibt es keinerlei glaubhafte Beweise für ihre Existenz. Sie sind ausgestorben, und wenn dein Meister etwas anderes behauptet, ist er ein Narr, genauso wie du.«

      Darius war empört und hätte ihr gern noch einige Sachen an den Kopf geworfen. Doch ihm war klar, dass ein Streit mit der besserwisserischen Therry keinen Erfolg hatte. Zum einen besaß sie die besseren Argumente und zum anderen nahm sie keine seiner Begründungen ernst, sondern wiegelte sie als lächerlich ab. Abgesehen davon, so sagte er sich, konnte es ihm ohnehin gleichgültig sein, was sie dachte. Morgen käme Skal zurück und dann würde er seine Ausbildung fortsetzen. Er konnte Therry auch genauso gut recht geben und die Sache auf sich beruhen lassen. Denn nach dem morgigen Tag würde er sie vermutlich nie wiedersehen.

       Nächtliche Gefahren

      Seinem guten Vorsatz folgend, entschied sich Darius nicht weiter mit Therry zu streiten und sammelte das Feuerholz. Als er sich missmutig daran machte, mit seinen Feuersteinen eine Glut zu entfachen, kehrte sie bereits mit je einem toten Kaninchen in der Hand aus dem Gebüsch des Waldrandes zurück. Die Tiere waren zwar noch jung und unter ihrem braunen Fell war nur wenig Fleisch, doch es war besser als nichts. Offenbar konnte Therry nicht nur große Reden schwingen, sondern auch Taten folgen lassen.

      Da es langsam spät wurde und sie auch sonst nichts Besseres zu tun hatten, legten sich die beiden nach dem Essen zum Schlafen ans Feuer, nicht ohne vorher noch untereinander die Wachschichten aufzuteilen. Sie sprachen nicht viel mehr miteinander als unbedingt nötig, aber es war das erste Mal, dass Darius mit ihr übereinstimmte, denn ob es nun Alben gab oder nicht, es war gewiss eine gefährliche Gegend. Und so einigten sie sich, dass Darius Wache halten würde, bis der gerade aufgehende Mond im Zenit stand, dann würden sie sich abwechseln.

      Die Nacht war noch relativ kühl und spätestens jetzt sah Darius die Sinnhaftigkeit des Feuers ein, das nicht nur gut gegen die Kälte war, sondern tatsächlich auch die Tiere des Waldes fernhielt, welche nach Sonnenuntergang ein solches Spektakel veranstalteten, dass einem angst und bange werden konnte. Neben dem Geschrei der Schwarzaffen und dem Fauchen von Kanimas, das an sich schon zu Recht gefährlich klang, waren auch andere Geräusche von Tieren zu hören, die Darius noch gar nicht kannte. So vernahm er ab und an einen Ton, ähnlich dem Zirpen einer Grille, nur sehr viel höher, vermischt mit dem Geräusch, das die Flügel einer Fliege machten, wenn sie einem zu nahe ans Ohr flog.

      Therry hingegen schien das alles nicht fremd zu sein, denn bereits kurze Zeit nachdem sie sich auf ihrem Lager niedergelassen hatte, wurde ihr Atem langsam und gleichmäßig. Sie schien mit den Gefahren das nahe gelegenen Waldes wesentlich besser zurechtzukommen als er. Deshalb war Darius auch froh, als der Mond – den er in dieser bewölkten Nacht die meiste Zeit über nur am Himmel vermuten konnte – direkt über ihm stand. Nun konnte er Therry die Bürde des Wachehaltens übertragen und schlief nach einer Weile, in der er sich unzufrieden in seinem Schlafsack herumwälzte, tatsächlich ein.

      Darius war, als hätte er sich eben erst hingelegt, als ihn etwas unsanft von der Seite her anstieß. Schlaftrunken blickte er sich nach dem Ruhestörer um, als sich plötzlich eine Hand um seinen Mund legte und ihn zuhielt. Mit einem Mal war er hellwach und wollte sich dem Angreifer stellen, der ihn so feige in der Nacht attackierte. Doch in dem Moment, da er nach der Hand greifen wollte, erkannte er, dass es Therry war, die ihn festhielt. Obwohl sie kein Wort sagte, schien sie sehr aufgeregt. Nachdem sie sich den Zeigefinger ihrer anderen Hand auf die Lippen gelegt und ihm damit deutlich gemacht hatte, dass er leise sein sollte, ließ sie ihn los. Schweigend deutete sie nach links. Erst jetzt fiel Darius auf, dass das Feuer nicht mehr brannte, sondern nur noch eine schwache Glut zwischen den Zweigen glomm. Anscheinend hatte sie in aller Eile Erde darauf geworfen.

      Und dann sah er, weshalb Therry ihn aufgeweckt hatte. Keinen Steinwurf von ihrem Lager entfernt, ließen sich dunkle Schemen ausmachen, deren breite Silhouetten sich leicht von der nächtlichen Umgebung abhoben. Unwillkürlich musste Darius an schwarze Augen und mörderische Alben denken. Er war schon kurz davor, Therry darauf aufmerksam zu machen, dass er recht hatte und Alben sehr wohl existierten. Aber im letzten Moment entsann er sich anders. Zumal die Gestalten – es mussten zwölf bis fünfzehn sein – jetzt direkt auf sie zukamen.

      »Was’n das?«, hörte er eine tiefe, kehlige Stimme dümmlich in die Nacht hinein fragen. Offenbar hatten sie das nur notdürftig erstickte Lagerfeuer bemerkt.

      »Is’ da wer?«, meldete sich jetzt ein anderer, und da sie ohnehin bereits entdeckt waren, sah Darius keinen Sinn mehr darin, leise zu sein und die unausweichliche Konfrontation hinauszuzögern. Vielleicht, so dachte er, nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, waren die Fremden ihnen ja gar nicht feindlich gesonnen. War es nicht viel wahrscheinlicher, auf harmlose Wanderer zu treffen, denn auf Alben?

      Ein Irrtum, wie sich herausstellte. Denn sowie Darius mit einem Gruß auf sich aufmerksam gemacht hatte, ließen die Unbekannten ein freudiges Grölen verlauten und einer brüllte: »Auf ihn!«

      »Na toll!«, fauchte Therry ihn wütend an, während sie nach ihrem Schwert griff, um sich auf die unerwarteten Gegner zu stürzen. Darius war froh, dass Skal ihm seine Waffe vor seinem Aufbruch in den Wald wieder zurückgegeben hatte, doch gegen diese Übermacht würde sie ihm wohl kaum etwas nützen.

      Die Gedanken des jungen Mannes überschlugen sich förmlich. Was sollten sie tun? Einen Kampf könnten die beiden unmöglich gewinnen und für eine Flucht waren ihnen die Gegner bereits zu nahe. Trotzdem hätte er lieber Fersengeld gegeben und gehofft,

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