Скачать книгу

er anhand der muschelförmigen Ohren, dass es sich bei ihm um einen der wenigen Menschen im Rat handelte. Einen Atemzug später drehte er sich wortlos um und verließ den Raum.

      Darius hieß sein Schüler also.

      

      Und Skal, es wäre schön, wenn Darius sich bei dir ein wenig länger halten würde als Cedryk. Dieser Satz ging dem Iatas nicht mehr aus dem Kopf, während er geistesabwesend den Weg in die Eingangshalle einschlug. Er war ihn schon so oft gegangen, dass seine Füße in den Fluren, die mehr einem Labyrinth als einer Burg ähnelten, von ganz alleine wussten, wohin sie sich zu wenden hatten. Skal war sich in diesem Moment sicher, dass dem Mann die eine Stimme gehörte, die bei der Abstimmung gegen ihn gewesen war.

      Ahnte er womöglich etwas?

       Die Ausbildung beginnt

      Ungeduldig wartete Darius in dem kleinen Raum auf seinen neuen Meister. Der alte Farjez, der ihn die ganze Zeit über schweigend die Treppen hinaufgeführt und auf keine seiner Fragen geantwortet hatte, machte die Sache nicht unbedingt erträglicher. Unablässig gingen Darius die letzten Worte von Ramir durch den Kopf. Mit der anfänglichen Euphorie, die er in den letzten Tagen verspürt hatte, war es inzwischen vorbei. Auch von dem Essen auf dem Tisch hatte er nichts angerührt. Der Appetit war dem jungen Mann gründlich vergangen.

      So langsam fragte er sich, ob er wirklich hierher gehörte. Ja, er war ein durchaus fähiger Kämpfer, da wo er herkam. Jedoch nicht mehr als ein Tagedieb und Straßenschläger. War vielleicht alles nur ein Irrtum? Waren Aaron und Ramir möglicherweise gar nicht auf der Suche nach ihm, sondern jemand ganz anderem? War alles nur eine Verwechslung und er saß hier, während ein anderer, zu dem dieses Leben viel besser passen würde, seiner Chance beraubt war? So würde es wohl sein, denn er konnte sich selbst beim besten Willen nicht als Iatas sehen, der für Recht und Ordnung eintrat, so wie es ihm Aaron in den vergangen Tagen mehrmals erklärt hatte.

      Wie konnte er nur so heuchlerisch sein, zu glauben, er würde für Recht und Gesetz einstehen können, wo er doch die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht hatte, systematisch genau dagegen vorzugehen? Während er noch verzweifelt daran dachte, öffnete sich plötzlich die Tür und riss ihn aus seinen trüben Gedanken. Eine große Gestalt bewegte sich durch den geöffneten Spalt in seine Kammer. Der Mann hatte kurzes, braunes Haar, war ähnlich muskulös gebaut wie Darius und hatte eine Narbe, die quer über sein Gesicht verlief. Vermutlich stammte sie von einem Gegner, der einmal den Hauch eines Augenblickes schneller gewesen war als er. Dabei hatte der Mann noch Glück gehabt, ein wenig höher und er hätte das Licht seines linken Auges eingebüßt.

      Mit einem Mal fiel Darius auf, dass er den Fremden, seitdem er den Raum betreten hatte, unablässig anstarrte. Da noch immer keiner der beiden ein Wort gesprochen hatte, sagte er wenig geistreich: »Hallo.«

      »Sei gegrüßt«, entgegnete der vernarbte Mann freundlich. Er hatte eine tiefe und sehr kraftvolle Stimme, die sogleich den ganzen Raum erfüllte und in jede Ecke zu dringen schien. »Mein Name ist Skal und du bist wohl Darius?«

      »Ja«, entgegnete dieser und kam sich bei seinen einsilbigen Sätzen ziemlich blöd vor.

      »Mir wurde die Ehre zuteil, die nächsten zehn Jahre dein Meister zu sein«, sagte Skal und lächelte über das belämmerte Gesicht des Jünglings.

      Darius, der langsam die Sprache wiederfand, ergriff nun seinerseits das Wort: »Ich habe so viele Fragen an dich. Wer bist du? Was genau ist ein Iatas? Was willst du mir beibringen? Und vor allem ... gehöre ich wirklich hierher?«

      »Ganz ruhig«, lachte Skal, zum einen amüsiert über die Neugier und Unerfahrenheit des Jungen, die ihn an seine erste Begegnung mit seinem Iatas-Meister namens Bullrich vor vielen Jahren erinnerte. Zum anderen darüber, dass sein Schützling ihm von Anfang an sympathisch war – und wohl auch umgekehrt. »Eines nach dem anderen. Ich werde mich bemühen, dir all deine Fragen zu beantworten.«

      »Das habe ich irgendwo schon mal gehört«, murmelte Darius. An Skal gewandt sagte er etwas lauter: »Ich frage mich nur, ob ich wirklich hierher gehöre? Ob ich ein Iatas werden kann oder es überhaupt werden sollte?«

      »Nun, Darius«, antwortete Skal, der inzwischen nicht mehr in der Tür stand, sondern die Kammer gänzlich betreten und auf dem zweiten Stuhl Platz genommen hatte. »Wenn du es bis hierher geschafft hast, dann bist du vielleicht noch kein Iatas, doch sicherlich der Ausbildung würdig, einer zu werden.«

      »Aber das ist ja gerade das Problem«, entgegnete Darius, der sich überhaupt nicht bestätigt sah. »Ich wurde hierher gebracht, ohne etwas Besonderes getan zu haben.«

      »Aber du musstest doch sicher eine ganze Reihe von Prüfungen bestehen?«, fragte Skal irritiert und runzelte die Stirn.

      »Nein, nicht eine Einzige«, meinte Darius, der bei dem Gedanken nur noch unsicherer wurde. »Das blieb mir erspart. Als Aaron und Ramir mich hierher brachten, sagten mir, dass ich von einem Schamane auserwählt wurde.«

      Bei der Erwähnung von Aaron und Ramir wurde Skal mit einem Male stutzig und kräuselte kaum merklich die Lippen. Wieso zogen ein Meister und einer, der – soweit Skal wusste – kurz davor stand einer zu werden, los, um einen Frischling abzuholen? Da der Rat ihm, mit Ausnahme der Andeutung über eine Prophezeiung, keine genaueren Informationen über Darius gegeben hatte, kam Skal zu der einzig logischen Schlussfolgerung, die solch einen Aufwand rechtfertigte. Nicht zuletzt, da man zwei Iatas gegenwärtig auch gut anderenorts hätte gebrauchen können.

      Prophezeiungen und alte Voraussagen gab es viele und gelobt sei der Tag, an dem nur jede zehnte von ihnen zutreffen würde, aber wenn zwei Iatas einen Burschen den ganzen Weg – von wo auch immer – bis nach Baknakaï begleiteten, dann nur als Leibwache. Aus dem Grund, weil er wichtig war. Dass er Darius irgendein Ammenmärchen von einem Schamanen aufgetischt hatte, sah Aaron, diesem alten Fuchs, ganz ähnlich. Skal war nun jedoch fest entschlossen, herauszufinden, worum es in dieser Prophezeiung eigentlich ging.

      Somit war seine viel- und zugleich nichtssagende Antwort: »Wenn Aaron das gesagt hat, dann wird dem wohl so sein. Ich selbst bin mit dir auch sehr überrascht worden, da mir der Hohe Rat dich eben erst als Schüler übergeben hat. Eigentlich weiß ich noch gar nichts von dir. Und für eine Beziehung, wie wir sie in den nächsten Jahren haben werden, ist so etwas sehr ungewöhnlich. Normalerweise hätte ich dich erst nach einer Reihe von körperlichen und charakterlichen Prüfungen aufgenommen. Aber wenn der Schamane der Meinung ist, bei dir wäre das nicht nötig, werden wir sofort mit der Ausbildung beginnen. Wie klingt das für dich?«

      »Gut«, entgegnete Darius nachdenklich und noch immer etwas unsicher. Er war nach wie vor nicht gänzlich überzeugt. »Aber kann ich mich mit dem Schamane vielleicht mal unterhalten? Ich hätte einige Fragen an ihn.«

      »Nein«, entgegnete Skal schnell. »Das geht nicht. Er kann jetzt niemanden empfangen, weil ... er nicht hier ist.«

      »Wo ist er denn?«, fragte Darius neugierig. »Wir könnten doch zu ihm hingehen oder warten, bis er zurückkommt.«

      »Tot«, antwortete Skal, der sich immer unwohler fühlte und in Gedanken Aaron für seine fehlende Voraussicht verfluchte. »Er ist tot. Ich war eben bei seiner Einäscherung. Sehr traurig. Reden wir bitte von etwas anderem.« Darius sah ihn prüfend an und wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, als Skal plötzlich eine Idee hatte, wie man jeden jungen Krieger ganz leicht ablenken konnte. »Du sagst, du wärst dir nicht sicher, ob du das Zeug zu einem Iatas hättest?« Darius nickte. »Das Wichtigste, was du beherrschen musst, ist das Kämpfen.« Skals Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Zu behaupten, dass die Augen von Darius zu leuchten begannen, wäre schlicht untertrieben gewesen.

      »Da wo ich herkomme, bin ich der beste Kämpfer der Gegend!«, meinte er, nicht ohne Stolz, woraufhin Skal weise lächelte. Er war froh darüber, das Thema vom Tisch zu haben und fest entschlossen, es nie wieder aufkommen zu lassen, daher sagte er: »Wenn ich für jedes Mal, dass ich diesen Spruch gehört habe, eine Basre bekommen hätte, wäre ich reich. Und nun ab mit dir auf den Hof, deine erste Übungsstunde

Скачать книгу