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von ihrem erhöhten Standpunkt aus das Ende noch nicht erahnen konnte.

      »Das ist der Albewald«, sagte Skal überflüssigerweise. »Hier wird deine Ausbildung fortgesetzt.«

      »Und wie?«, fragte Darius, der auf einmal eine leichte Beklemmung beim Anblick des Forstes verspürte.

      »Nun, zuerst einmal wirst du eine kleine Wanderung unternehmen ... und zwar ohne das hier«, damit griff Skal nach Darius’ Schwert. Da dieser jedoch auch ohne durchaus in der Lage war, sich zu verteidigen – wobei sich das Talent, mit dem er in Baknakaï noch hatte aufwarten können, bei ihren allmorgendlichen Kampfeinheiten beharrlich missen ließ – störte ihn das weniger.

      »Ich werde dich noch bis zum Waldrand begleiten und dann wirst du erst einmal bis morgen früh allein, unbewaffnet und ohne Proviant auf dich gestellt bleiben. Angst?«, fragte er lauernd.

      Aber Darius, der sich schon weit Schlimmeres ausgemalt hatte, verneinte. Das Fehlen seines Schwertes würde ihn nicht stören und sein Essen hätte er sich auch nicht zum ersten Mal selber gejagt. Sogar von hieraus konnte er schon die schmackhaften Schmarotzerbeeren sehen, die sich an einigen Bäumen emporrankten. Doch so weit kam es nicht, denn gerade als sie den sanften Hügel hinabgehen wollten, konnten die beiden aus der Ferne hörten, wie sich zwei Frauen stritten.

      Als sie ihnen näher kamen, schien Skal sogar eine von ihnen zu erkennen, denn urplötzlich rief er erstaunt: »Irys, bist du das?« Daraufhin wandte sich eine der beiden, eine große, mittelalte Frau mit langen, schwarzen Haaren, nach ihm um. Auch sie schien ihn zu erkennen, denn auf einmal hellte sich ihr Gesicht auf und sie trat auf ihn zu.

      »Skal? Mit dir hätte ich hier am wenigsten gerechnet. Und das muss Cedryk sein.« Sie deutete auf Darius.

      »Nein«, entgegnete Skal betrübt, als er ihr die Hand reichte. »Es schmerzt mich, dir mitteilen zu müssen, dass mein einstiger Schüler verstorben ist. Jedoch war der Hohe Rat so gnädig, mir noch einmal eine Chance zu geben und einen neuen Schüler anzuvertrauen. In den ich übrigens großes Vertrauen setze. Sein Name ist Darius. Darius, das ist eine sehr gute Freundin von mir, die ebenfalls unserem Orden angehört. Ihr Name ist Irys.«

      »Ich wusste gar nicht, dass es auch weibliche Iatas gibt«, entgegnete Darius, der sich gleich darauf für diese Bemerkung hätte ohrfeigen können. Denn in diesem Moment trat die zweite Frau, noch ein halbes Mädchen, näher.

      »Natürlich gibt es auch weibliche Iatas! Was dachtest du denn?«, erwiderte sie und musterte Darius abschätzig von oben bis unten.

      »Skal, darf ich dir meine Schülerin vorstellen? Das ist Therry«, sprach Irys stolz und deutete auf ihre Begleiterin.

      »Sehr erfreut«, sagte Skal, während er die Hand der etwas kleineren Frau schüttelte. »Du hattest offensichtlich dieselbe Idee, wie ich«, fuhr er an Irys gewandt fort. Während er Therry prüfend ansah, die ihre Hände ungeduldig in die Seite gestemmt hatte. Sie wäre ein ziemlich hübsches Mädchen gewesen, hätte sie nicht noch immer ein so mürrisches Gesicht gezogen. »Auch ich wollte Darius gerade mit dem Albewald vertraut machen. Er sollte ein oder zwei Nächte darin verbringen, um ein paar Erfahrungen zu sammeln.«

      »Jetzt sind es schon zwei Nächte«, murmelte Darius, der sich seltsam fehl am Platz fühlte.

      »Nein, Skal«, entgegnete Irys ihm mit ernstem Gesichtsausdruck. »Genau genommen habe ich das Gegenteil vor. Ich selbst will in den Albewald gehen, aber Therry weigert sich, hier auf mich zu warten.«

      »Das sehe ich auch gar nicht ein!«, fuhr ihr das Mädchen grob über den Mund. »Als meine Meisterin solltest du mir etwas beibringen und wie soll ich je was lernen, wenn ich hier ganz alleine auf dich warten soll?«

      »Die Frage ist berechtigt«, meinte Skal mir gerunzelter Stirn. Und nach einigen Augenblicken fügte er etwas leiser hinzu: »Was hast du im Albewald zu tun, dass du deine Schülerin nicht mitnehmen kannst?«

      »Ich ... ich erledige etwas für den Hohen Rat«, entgegnete Irys flüsternd und warf Skal einen vielsagenden Blick zu. Mit einem Kopfnicken in Richtung der beiden Schüler, bei dem Darius sich nicht unerwünschter hätte fühlen können als wenn sie mit einer Mistgabel nach ihm gestoßen hätte, zeigte die Iatas auf eine kleine Baumgruppe zu ihrer Rechten.

      Als sie sich gemeinsam mit Skal ein wenig entfernt hatte und mit ernsten Miene auf ihn einsprach, versuchte Darius angestrengt noch einige Wortfetzen mitzubekommen. Was ihm jedoch ungleich schwerer fiel, da Therry ihn die ganze Zeit über unentwegt anstarrte. Sie war etwa in seinem Alter und musterte ihn mit kritischem Blick.

      »Alles klar?«, versuchte er ein Gespräch aufzubauen, als sich die beiden Meister noch ein wenig weiter entfernten und mit ihnen jede Hoffnung daruf, noch ein paar Worte aufzuschnappen.

      »Du machst also auch eine Ausbildung zum Iatas?«, fragte sie und Darius entging der hochnäsige Unterton in ihrer Stimme nicht.

      »Ja, ich habe aber erst vor einigen Tagen damit begonnen«, antwortete er kleinlaut.

      »Vor einigen Tagen?« Sie musterte ihn weiterhin eingehend. »Wie alt bist du eigentlich? Achtzehn?«

      »Ich weiß nicht genau«, entgegnete Darius, dem die freche Göre mit jedem Wort unsympathischer wurde. »Meine Eltern habe ich nie kennengelernt, aber laut meinem Bruder müsste ich ungefähr sechzehn sein. Wieso interessiert dich das?«

      »Na ja, sechzehn geht noch, ich hätte dich älter eingeschätzt. Man sagt, wer seine Iatas-Ausbildung nach seinem sechzehnten Lebensjahr beginnt, schafft sie nicht mehr.«

      »Was hat denn das mit dem Alter zu tun?«, fragte Darius, der sich nicht erklären konnte, wie jemand so neunmalklug sein konnte.

      »Weiß nicht«, entgegnete Therry schulterzuckend. »Aber meine Meisterin hat das gesagt.«

      »Und wie alt bist du?«, wollte Darius wissen und hoffte, sie damit in die Defensive zu bringen.

      »Da geht es mir wie dir, ich kenne meine Eltern auch nicht. Aber laut den Leuten, bei denen ich aufgewachsen bin, müsste ich ebenfalls sechzehn sein. Allerdings habe ich meine Ausbildung schon vor zwei Jahren angefangen.« In diesem Moment kehrten die beiden Meister zu Darius’ Erleichterung zurück.

      »Es gibt eine kleine Planänderung«, sagte Skal, dessen Miene sich verfinstert hatte. »Ihr zwei werdet hier warten. Irys und ich gehen in den Albewald.«

      »Aber warum?«, wollte Darius entrüstet fragen. Doch Skal unterbrach ihn.

      »Das ist keine Bitte. Irys’ Auftrag hat höchste Dringlichkeit und ich werde sie begleiten. Für euch zwei wäre es zu gefährlich und ihr würdet uns nur im Weg stehen.«

      »Ich sehe ja ein, dass der da hier bleiben muss, aber ich kann euch doch helfen«, meinte Therry und deutete abschätzig auf Darius. Der wollte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und setzte schon zu einer Erwiderung an. Doch Irys ging dazwischen.

      »Wir haben keine Zeit, um mit euch zu diskutieren. Ihr bleibt beide hier! Wir werden morgen früh, spätestens morgen Nachmittag, zurück sein. Und jetzt will ich nichts mehr hören.«

      Darius, der eben noch seine Einwände kundtun wollte, ließ es dann, überrascht von der Strenge, die gar nicht zu dem hübschen Äußeren von Irys passte, doch bleiben und nickte nur. Therry hingegen schien ihren Sturkopf weiterhin durchsetzen zu wollen.

      »Ich werde nicht zurückbleiben, während ihr die ganzen Abenteuer erlebt!«, schimpfte sie. Doch nach einigen tadelnden Worten ihrer Meisterin schien auch sie sich mit der Situation abzufinden. Währenddessen nahm Skal seinen Schüler zur Seite und blickte ihm tief in die Augen.

      »Hör zu, Darius, ihr dürft uns auf keinen Fall folgen. Sollten wir bis zum Sonnenuntergang des nächsten Tages nicht zurück sein, kehrt ihr auf schnellstem Wege nach Baknakaï zurück. Dort verlangt ihr dann nach einem Mitglied des Hohen Rates und sagt ihm, der Auftrag von Irys sei fehlgeschlagen. Hast du das verstanden?«

      »Ja, aber was ...?«, wollte Darius noch fragen.

      Doch Skal unterbrach

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