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und vielfältiger waren als heute. Dieses Bündnis sorgte tausende Jahre lang für den Ausgleich zwischen Gut und Böse, doch eines Tages war das den Alben nicht mehr genug. Sie beschlossen, sich zur alleinigen Herrenrasse aufzuschwingen und alle anderen Völker zu unterjochen. Beinahe hätten sie es auch geschafft, doch in einer letzten gemeinsamen Schlacht gelang es einem Bündnis aus Menschen, Elfen, Zwergen und Orks die Bedrohung zu niederzuschlagen.

      Es war das einzige Mal, das uns die Geschichte überliefert hat, dass wir gemeinsam mit den Orks Seite an Seite gekämpft haben. Nachdem die Schlacht geschlagen war, wurde mit den verbliebenen Alben ein Friedensvertrag ausgehandelt. Doch die Orks, welche nichts vom geschriebenen Wort, geschweige denn vom Frieden hielten, haben ihn ignoriert. Sie griffen die letzten überlebenden Alben an und löschten sie aus. Man weiß heute nicht mehr, ob sie es aus Angst vor einer Neuerstarkung des Feindes getan haben, oder weil ihnen das Töten einfach Freude bereitet hat. Vermutlich war es etwas von beidem.

      Die wenigen Alben, die, so sagt zumindest die Legende, das Gemetzel nach der Schlacht überlebt hatten, flohen damals in den nahe gelegenen Nachtwald und schworen ewig währende Rache. Das ist nun mittlerweile genau zweihundert Jahre her und das Volk der Alben gilt als ausgestorben. Auch wenn Wanderer und Handelsleute immer wieder von Angriffen durch Elfen mit tiefschwarzen Augen berichten. Ganz besonders in diesem Wald. Daher trägt er inzwischen auch den Namen Albewald. Beweisen konnte diese Behauptung bis heute zwar niemand, allerdings ist es eine Tatsache, dass gerade dort sehr häufig Leute verschwinden.«

      Darius, der die ganze Zeit über schweigend zugehört hatte, musste die Neuigkeiten erst mal verdauen. Die Tatsache, zu einem Wald aufzubrechen, in dem offenbar, mit fast regelmäßiger Häufigkeit, Leute verschwanden, behagte ihm nicht besonders. Andererseits machte er sich Mut damit, dass es doch ziemlich feige war, sich vor einem Ort zu fürchten, nur weil dort Wesen leben könnten, die andere überfielen – denn dann hätte er sich auch genauso gut vor der eigenen Heimat ängstigen können. Davon abgesehen war er im Begriff, ein Iatas zu werden und da durfte man nicht allzu empfindlich sein.

      Wie sagte Ryu immer: »Wenn du vor etwas Angst hast, dann tu es erst recht.« Eine andere Frage interessierte ihn jedoch weitaus brennender und ließ ihn die schwarzäugigen Wesen vergessen.

      »Waren bei dieser Schlacht damals auch Iatas dabei?«

      »Ja«, antwortete Skal knapp. »Unsere Leute waren maßgeblich an diesem Sieg beteiligt. Von den Verlusten, die wir damals erlitten haben, konnte sich unser Orden jedoch bis heute nicht mehr gänzlich erholen. Zumal wir natürlich auch all unsere Kameraden albischer Abstammung bekämpfen mussten, da sie sich im entscheidenden Moment gegen uns gestellt hatten.« Skal wirkte bedrückt und schwieg für die Dauer einiger Atemzüge, bis Darius ihm erneut eine Frage aufdrängte.

      »Was werden wir eigentlich tun, sobald wir in diesem Albewald angekommen sind?«

      »Nun, das habe ich noch nicht genau entschieden«, entgegnete ihm Skal, woraufhin sich seine Züge schlagartig aufhellten und ein schelmisches Lächeln seine Lippen umspielte. »Denn auch wenn es keine Alben mehr geben sollte, woran ich persönlich ehrlich gesagt zweifele, so ist der Albewald dennoch ein äußerst gefährlicher Ort.« Mit diesen mysteriösen Worten nahm Skal seinen Rucksack auf und wandte sich von ihm ab. Darius, der erst gar nicht verstanden hatte, wieso er das tat, sah sich um und bemerkte plötzlich, dass sie soeben das Festland erreicht hatten. Die Geschichte hatte ihn so gefesselt, dass er nicht bemerkt hatte, wie sie dem Pier immer näher gekommen waren.

      Mit gemischten Gefühlen griff er nach dem Beutel mit seinen Sachen und erhob sich von der rauen Holzbank.

      Die Reise durch das unscheinbare Flachland unterschied sich von der, welche er gemeinsam mit Aaron und Ramir unternommen hatte, nur dahin gehend, dass sie sie zu Fuß bewältigen mussten. Skal war der strikten Auffassung, dass Darius bei ihm in Ausbildung stehe, und nicht sein Pferd.

      »Wenn du ein wahrer Iatas werden willst, musst du aufhören, dich andauernd zu beschweren und anfangen, die Zähne zusammenzubeißen. Dein Halunkendasein ist ein für alle Mal vorbei und damit auch jeder Müßiggang«, hatte er gepredigt, als sie an der Stelle vorbeigekommen waren, an der Darius erst kurze Zeit zuvor seine alte Stute festgebunden hatte.

      Der Blick des jungen Mannes musste die Sehnsucht nach dem Tier deutlich widergespiegelt haben. Doch von dem Pferd gab es – genau wie von Aarons und Ramirs Tieren – inzwischen keiner Spur mehr. Auf Darius’ Nachfrage hin erklärte Skal ihm beiläufig, dass alles, was einst ihm gehört hatte und was er nicht unbedingt zum Leben brauchen würde, von nun an Eigentum des Iatas-Ordens sei.

      Obwohl im ersten Moment sichtlich vor den Kopf gestoßen, störte Darius sich bei genauer Überlegung nicht allzu sehr daran. Was hatte er denn schon großartig besessen? Das Pferd zumindest war, soweit er wusste, ohnehin nur Plündergut eines früheren Raubzuges gewesen. Und er wollte sich ja schließlich bessern ...

      Als Entschädigung für seine schmerzenden Füße gelang es Skal zumindest, trotz der hin und wieder aufkommenden Langeweile, Darius mit seinen Anekdoten über Land und Leute gut bei Laune zu halten. Mit seinem umfangreichen Wissen, an dem er ihn nur allzu gerne teilhaben ließ, brachte er seinem neuen Schüler die Umgebung und deren Geschichte mit jedem Tag etwas näher. Darius, der sich zuvor nur selten weiter als einen Tagesmarsch von seinem Dorf entfernt hatte, war erstaunt, was die Welt für ihn, außer Stehlen und Unruhestiften, sonst noch alles bereithielt.

      Es war der frühe Nachmittag vom vierten Tage ihrer Reise und die Sonne stand als feurig greller Ball am wolkenlosen Himmel, als sie auf einen Trupp bewaffneter Zwerge trafen. Die acht kleinen Männer liefen eng nebeneinander und dennoch diszipliniert ausgerichtet in einer symmetrischen Fächerformation um eine vergitterte, mit eisernen Nieten beschlagene Kutsche, die von zwei Eseln gezogen wurde.

      Erst als sie bis auf wenige Schritte heran waren, erkannte Darius, dass das, was er von Weitem fälschlicherweise für einen Schweinekarren gehalten hatte, in Wirklichkeit ein Gefangenentransport war. Auch wenn die Insassen tatsächlich wie Schweine stanken und ihnen selbst bei näherer Betrachtung etwas ähnlich sahen, so handelte es sich doch tatsächlich um Orks. Dem jungen Iatas-Anwärter, der noch nie eines dieser widerlich stinkenden Wesen gesehen hatte, sondern sie nur aus Erzählungen kannte, wurde bei ihrem grässlichem Anblick ein wenig übel.

      Als Skal den kleinwüchsigen Soldaten im Vorbeigehen einen Gruß zusandte, sah Darius einem der grüngeschuppten Gefangenen, denen allesamt die unteren Eckzähne in gewölbter Form aus dem Maule ragten, direkt in die Augen. Stumpf und Hilfe suchend blickten sie ihm aus tiefen Höhlen entgegen. Nicht Mordlust und Blutgier war in ihnen zu lesen, sondern der verzweifelte Wunsch nach Freiheit. Sowie die Erkenntnis, dieses naturgegebene Recht für immer verloren zu haben. Die Kreatur, die ihn aufgrund ihrer Hässlichkeit und des Gestankes vor einem Augenblick noch beinahe das Mittagessen hatte hervorwürgen lassen, tat ihm nun auf einmal leid.

      Als die Kolonne vorbei gezogen war, fragte er Skal über deren Sinn. Und die Antwort, welche dieser ihm gab, war gleichermaßen logisch wie niederschmetternd.

      »Die gefangenen Orks werden zum Sklavenmarkt gebracht. Die Zwerge haben sie anscheinend bei einer ihrer Patrouillen aufgegriffen. Nun werden sie bis an ihr Lebensende für denjenigen arbeiten, der bereit ist, am meisten für sie zu zahlen. Das mag grausam klingen«, fügte er hinzu, als er Darius’ erschrockenes Gesicht sah. »Es ist aber genau das, was die Zivilisierten Völker mit ihren besiegten Feinden zu tun pflegen. Vielleicht sollte noch einmal jemand über die Bezeichnung nachdenken, mit der wir uns schmücken ...«

      Darius fand an diesem Abend keine Ruhe, er musste an die Kreaturen denken, die in ihren eigenen Exkrementen lagen und darauf warteten, verkauft zu werden. Einerseits taten sie ihm leid, andererseits konnte man sie auch nicht einfach freilassen, da sie eine Bedrohung für die umliegenden Dörfer waren. Das bedeutete: Entweder mussten sie getötet werden oder man tat mit ihrer Versklavung das Richtige. Oder gab es vielleicht noch einen anderen Weg? Einen Weg, bei dem niemand leiden musste?

      Diese Frage beschäftigte ihn auch noch am nächsten Morgen, doch er ahnte nichts davon, dass er sich in Kürze mit weit Wichtigerem als der Moral zur Bestrafung von Orks zu befassen hatte. Denn als die beiden gegen Mittag

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