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entfernt ausbreitete. »Deine Schwester, Miree hieß sie glaube ich, hat uns gestern Abend genug Proviant für unseren ganzen Weg mitgegeben. Außerdem ist es nicht nötig, dass du versuchst, uns irgendwas zu beweisen.«

      Darius war bereits drauf und dran dem eingebildeten Krieger zu sagen, dass er niemandem etwas beweisen müsse und auch durchaus schon unter schwierigeren Bedingungen etwas erlegt hatte. Doch bei genauerer Betrachtung war es ihm ganz recht, dass er hier bei ihnen bleiben konnte, anstatt allein durchs Dickicht schleichen zu müssen.

      »Sammle lieber trockenes Holz für ein Feuer«, meinte Ramir beiläufig. Einen kurzen Augenblick später hob er einen lose herumliegenden Ast auf und hielt ihn Darius entgegen. »So was. Liegt hier überall rum.« Demonstrativ fuchtelte er mit dem Stock vor der Nase seines Wegbegleiters herum. Der biss die Zähne zusammen und verkniff sich eine patzige Antwort. Der Iatas-Schüler schien noch immer wegen der Frage über seine Vergangenheit verärgert zu sein, die Darius ihm am Morgen gestellt hatte. So nickte der junge Dieb einfach nur mit dem Kopf und machte sich daran, in gebückter Haltung, armlange Äste vom Boden aufzuklauben.

      Ein konstantes, krachendes Geräusch in seinem Rücken machte ihn schon wenige Augenblicke später darauf aufmerksam, dass zwei Feuersteine aufeinander geschlagen wurden und sein Sammelgut nun bald gebraucht wurde. Während er noch schnell nach einem letzten Zweig griff, richtete Darius sich unversehens auf, um in dem verbliebenden Dämmerlicht, das kaum mehr durch die hohen Baumwipfel auf die Erde drang, zu ihrem kleinen Lager zurückzukehren. Erstaunt stellte er fest, dass Aaron, nur wenige Armlängen von ihm entfernt, ebenfalls Feuerholz gesammelt hatte. Der Stapel von verschieden langen Stöcken, welcher sich unter seinem linken Arm angehäuft hatte, war sogar noch größer als der, den er mit sich trug.

      »Ich ... äh ... ich habe dich gar nicht bemerkt«, begann der Jüngling in Richtung der schattenhaften Silhouette zu stottern, die sich kaum vom Waldboden abzuheben schien. »Warst du die ganze Zeit über schon neben mir?«

      Aaron nickte stumm und meinte nach einigen Augenblicken in entschuldigendem Tonfall: »Du musst Ramir verzeihen, er meint es nicht so. In ihm steckt ein guter Mensch, er mag es einfach nur nicht, sich vor Fremden zu öffnen.« Doch Darius hörte nur mit halbem Ohr hin. Er hatte keinerlei Interesse daran, sich über die verletzten Gefühle und die schlechte Laune ihres Reisegefährten zu unterhalten. Viel zu sehr steckte noch der Schock in seinen Knochen, dass es Aaron gelungen war, die ganze Zeit über neben ihm Holz zu sammeln, ohne dass er ihn wahrgenommen hatte.

      »Das kann doch aber gar nicht sein, ich hätte dich hören müssen.« Die Stimme des Jünglings war ernsthaft erstaunt. »Ich bin eigentlich sehr aufmerksam«, fügte er etwas peinlich berührt hinzu. Über die Züge des Iatas schien daraufhin ein sanftes Lächeln zu huschen, auch wenn es nicht genau erkennbar war.

      »Das mag ja durchaus sein, doch Aufmerksamkeit alleine wird dir bei dem, was dich bald erwartet, nicht viel helfen«, sagte Aaron freundlich und trat etwas näher, als er seine Stimme senkte und in weisem, beinahe väterlichen Tonfall weitersprach. »Die folgenden Jahre werden dich lehren, deinen Körper und deinen Geist auf eine vollkommen neue Ebene zu bringen. Du wirst Fähigkeiten erlangen, von denen du bisher noch nicht einmal zu träumen gewagt hast.«

      »Werde ich mich dann auch so gut an jemanden anschleichen können wie du?«, fragte Darius ein wenig hilflos. Es war ihm noch immer ein Rätsel, wie der Mann es fertiggebracht hatte, völlig lautlos die Stöcke vom Waldboden aufzuheben, ohne auch nur ein Grasbüschel zum Rascheln zu bringen.

      Diesmal konnte er das Lächeln auf Aarons Gesicht trotz der Dunkelheit deutlich erkennen und es spiegelte sich auch in seinem Tonfall wider.

      »Das, Darius, war noch gar nichts. Die Welt der Iatas und alles, was sie mit sich bringt, wird sich dir bald nach und nach eröffnen. Dann wirst du erkennen, was es heißt, ein wahrer Elitekrieger zu sein.« Einige Augenblicke lang stand der junge Dieb einfach nur unbewegt da und verspürte zum ersten Mal so etwas wie Vorfreude auf das, was sein neues Leben ihm bringen würde. Eine aufregte Unruhe erfüllte ihn und drängte ihn dazu, unbedingt mehr über das zu erfahren, was ihm alles noch bevorstand. Aaron schien dies auch seinen Gesichtszügen entnehmen zu können oder vielleicht gehörte ja sogar das Gedankenlesen zu den Fähigkeiten, die man als Iatas erlangen konnte. Denn kaum, dass Darius den Mund geöffnet hatte, schüttelte er leicht mit dem Kopf.

      »Spar dir deine Worte, ich kann dir jetzt noch nichts zeigen. Denn nicht ich bin dein Meister, sondern ein anderer. Alles, was du wissen musst, wirst du von ihm erlernen. Also gedulde dich noch ein wenig.« Der Iatas hatte den Satz kaum beendet, da drehte er sich auch schon um und stiefelte in Richtung seines Schülers davon, dem es inzwischen gelungen war, eine kleine Flamme zu entzünden, die nun nach Nahrung verlangte. Darius wollte jedoch nicht so einfach locker lassen und folgte ihm.

      »Du hast mir heute Morgen gesagt, dass wir fünf Tage unterwegs sein werden.«

      »Wenn dein Pferd das Tempo halten kann«, bestätige Aaron mit einem Kopfnicken, ohne sich umzudrehen.

      »Nun ja ...«, Darius begann sichtlich nervös zu stammeln, »dann könntest du mir doch bis dahin noch etwas beibringen. Die Sache ist die, ich bin zwar ein außerordentlich fähiger Kämpfer – zumindest dort, wo ich herkomme – aber ich habe eigentlich keine Eigenschaften, die einen Ritter auszeichnen.«

      »Dann beginne mit Gehorsam und Zurückhaltung«, knurrte Ramir, der nun in ihrer Hörweite war, und sah missmutig von den Flammen auf, die er geschickt mit einem kleinen Zweig weiter anfachte.

      »Sei nicht so streng mit ihm«, entgegnete Aaron sanft, während er das Holz neben das Feuer legte und sich zu seinem Schüler auf den Boden setzte. Vielsagend nickte er in Darius’ Richtung. »Wir waren alle einst so wie er. Neugierig und voller Tatendrang. Dir konnte es damals auch nicht schnell genug gehen, wenn ich mich recht erinnere.«

      »Müssen wir das unbedingt vor ihm ausweiten?«, zischte Ramir und tat schnell so, als müsste er etwas in den Satteltaschen nachsehen, um den Blick abzuwenden zu können. Dennoch hob er hin und wieder den Kopf und sah seinen Meister strafend an.

      »Du musst ihn entschuldigen«, wiederholte Aaron und begann nun ebenfalls in einem der Lederbeutel nach etwas zu suchen, blickte Darius dabei jedoch unverwandt in die Augen. »Allerdings hat er recht. Es wäre sehr respektlos, wenn ich deinem zukünftigen Meister vorgreifen und dich in den Fähigkeiten eines Iatas unterweisen würde, ohne das zuvor mit ihm abzusprechen.«

      »Aber ... du ... könntest«, meinte Darius langsam und traute sich nicht so recht, auf den Punkt zu kommen. »Du könntest einem jungen Mann, so wie mir, im Prinzip alles beibringen, was er wissen muss.«

      »Bisher kamen noch keine Klagen«, entgegnete Aaron und deutete leicht grinsend auf Ramir, der mit deutlich gespitzten Ohren, den Blick noch immer auf die Tasche in seinem Schoß gerichtet hatte. Der Iatas-Meister selbst griff nach einem Stück getrockneten Fleisches und sah Darius weiterhin mitleidig an, so als wüsste er schon um dessen nächste Frage und hoffte, sie nicht beantworten zu müssen.

      Obwohl dem jungen Dieb der Blick seines Gegenübers und dessen ablehnende, wenn auch freundliche Haltung nicht entgangen waren, nahm er nun doch all seinen Mut zusammen. Während er die Hände nervös gefaltet hatte, begann er sich geräuschvoll zu räuspern.

      »Könntest du mich nicht ausbilden?« Darius sah die Antwort schon in Aarons Augen, in denen sich flackernd das Licht des Feuers spiegelte, noch bevor dieser den Kopf schüttelte. Dennoch sah er sich genötigt noch schnell hinzuzufügen: »Ich werde auch gelehrig sein und alles tun, was du von mir verlangst.« Doch der Blick mit dem Aaron ihn bedachte, ließ keinen Platz für große Hoffnung. Trotzdem hielt er noch einige Lidschläge lang, in denen das verächtliche Schnauben von Ramir deutlich zu vernehmen war, inne, um nach einer passenden Antwort zu suchen.

      »Ich fühle mich sehr geehrt, Darius, doch werde ich deinem Wunsch leider nicht entsprechen können. Selbst wenn ich es wollte.«

      »Wieso nicht?«, schoss es sofort trotzig aus Darius heraus, so wie immer, wenn etwas nicht nach seinem Willen ging.

      »Weißt du eigentlich irgendetwas über die Iatas?«, meldete Ramir sich plötzlich wieder zu Wort.

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