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Das Biest in Dir. Felix Hänisch
Читать онлайн.Название Das Biest in Dir
Год выпуска 0
isbn 9783967525748
Автор произведения Felix Hänisch
Издательство Автор
»Hör auf Trübsal zu blasen«, meine Ramir und drehte sich im Sattel nach ihm um. Zum ersten Mal klang seine Stimme nicht spottend, sondern vermittelte ehrliches Mitgefühl, so als würde er die Situation, in der Darius sich befand, nur allzu gut nachvollziehen können. »Es muss ja nicht für immer sein. Irgendwann kommst du als Iatas wieder zurück. Dann werden deine Leute unheimlich stolz sein und dich mit offenen Armen empfangen.«
»Das ist nicht dasselbe«, murmelte Darius, schüttelte resigniert den Kopf und bemühte sich dabei krampfhaft, den Blick nicht noch einmal nach hinten zu richten. Ramir sollte ihn nicht für ein weinerliches Kind halten, das vom Heimweh geplagt wurde, kaum dass sein Zuhause außer Sichtweite rückte. Stattdessen atmete Darius tief durch, streckte die Brust heraus und nahm sich vor, von nun an nur noch nach vorn zu schauen. Sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Als hätte Aaron seine Gedanken gelesen, drehte auch er sich ein Stück weit in seinem Sattel nach hinten und musterte ihn mit prüfendem Blick.
»Meinst du nicht, dass du deine Freunde vermissen wirst? Schließlich waren sie doch so etwas wie eine Familie für dich.« Treu sorgend blickte der Iatas-Meister ihn aus seinen rehbraunen Augen heraus an.
»Ja, natürlich werde ich meine Brüder und Schwestern vermissen«, entgegnete Darius und wünschte sich inständig, die fragenden Augen des Mannes würden aufhören ihn zu taxieren.
»Na ja«, meinte Aaron langsam. »Ich hatte nicht so ganz den Eindruck. Zwar habe ich gesagt, dass wir bei Sonnenaufgang losreiten, doch am Ende hattest du es sogar noch eiliger als wir. Einige Augenblicke des Abschieds hätte ich dir schon noch gegönnt. Aber du hast keiner Menschenseele Bescheid gegeben, als wir das Dorf verlassen haben. Nicht einmal deinem Bruder Ryu wolltest du Lebewohl sagen.«
»Das war nicht nötig«, entgegnete Darius in einem ungewohnten Tonfall von Melancholie, den er selbst von sich noch gar nicht kannte, und dachte dabei wehmütig an den Abend des Vortages zurück, als er sich mit seinem Bruder in den Armen gelegen hatte. »Es hätte keine passenden Worte für solch einen Abschied gegeben. Ein kurzer, sauberer Bruch ist weniger schmerzhaft.« Unwillkürlich gingen Darius die Gesichter seiner jüngeren Geschwister durch den Kopf, die gestern noch nicht einmal an der Versammlung in Mokkus Haus teilgenommen hatten und wahrscheinlich erst noch erfahren würden, dass er von nun an nicht mehr da sein würde.
»Nun, wenn du das so siehst«, murmelte Aaron schulterzuckend in seinen buschig gekräuselten Bart hinein und drehte sich wieder nach vorn. »Das muss jeder selbst entscheiden, ich für meinen Teil hätte mich von Freunden und Familie verabschiedet, wenn ich seinerzeit welche gehabt hätte.« Die Stimme des Mannes war aufgeschlossen und unbekümmert, beinahe schon heiter. So, als spräche er nur über Belanglosigkeiten, wie das Wetter, während er seinem Schimmel durch die stattliche Mähne fuhr. Darius entging jedoch nicht, wie Ramir bei den Worten seines Meisters ein wenig zu Boden blickte und leicht mit dem Kopf schüttelte.
»Du bist kaum älter als ich«, versuchte er ein Gespräch mit dem schweigsamen jungen Mann zu beginnen. »Wie war das bei dir, als du zum Iatas-Schüler wurdest?« Ramir sah, aufgrund der vertraulichen Worte, beinahe schon erschrocken zu Darius auf, funkelte ihn einen Augenblick lang verärgert an und gab seinem Pferd dann wortlos die Sporen, um sich von ihm zu entfernen. Peinlich berührt biss der Jüngling sich auf die Zunge und wünschte sich, dass er doch besser ruhig gewesen wäre. Offenbar hatte er bei seinem Mitreisenden einen wunden Punkt getroffen. Unsicher sah Darius der kleinen Staubwolke nach, die sich unter den Hufen des Hengstes gebildet hatte, während Ramir wie ein störrisches Kind auf dem Rücken des Tieres den schmalen Waldweg entlang galoppierte, der zu beiden Seiten von dichten, haushoch gewachsenen Wurmlinden begrenzt wurde.
»Habe ... habe ich irgendetwas Falsches gesagt?«, fragte Darius vorsichtig an Aaron gewandt, der noch immer ein Stück vor ihm ritt und inzwischen damit begonnen hatte, ein munteres Liedchen zu pfeifen. Wieder zuckte der Mann nur mit den Schultern, als würde ihn die ganze Situation ein wenig langweilen.
»Ich habe keine Ahnung, Ramir spricht nicht gerne über seine Vergangenheit«, entgegnete er nach einigen Augenblicken, ohne sich umzudrehen und pfiff dann weiter seine Melodie, um zu zeigen, dass er das Gespräch damit für beendet hielt. Darius beschloss aufgrund dessen, von nun an gar nichts mehr zu sagen, wenn es nicht unbedingt sein musste.
Bereits am Ende des Tages, als sie eine Wegkreuzung, die mehr einem Trampelpfad glich und sie in Richtung Norden führte, hinter sich ließen, wurde diese Entscheidung jäh auf eine harte Probe gestellt. Für Darius war der Weg aus platt getretener Erde nämlich nicht einfach nur irgendeine Abzweigung. Es war die letzte Abzweigung. Die letzte Abzweigung, die er kannte. Sie führte in ein kleines Dorf, ganz ähnlich dem seinen, in dem nur eine Handvoll eigenartiger Menschen lebten, welche nur selten Kontakt mit anderen hatten. Soweit man Ryu in dieser Hinsicht glauben konnte, waren sie sehr seltsam und angeblich alle ein bisschen miteinander verwandt. Darius selbst war höchstens vier- oder fünfmal hier gewesen, da die Leute hier eigentlich nichts besaßen, was sich zu stehlen lohnte. Doch immerhin kannte er den Weg zu ihrer Siedlung. Von hier an ging der Pfad jedoch in eine Richtung, die er noch nie zuvor eingeschlagen hatte.
Dunkel und irgendwie beängstigend erhoben sich die rauen Baumstämme im schwächer werdenden Licht des Abends. Darius nahm den herben Geruch nach Nadeln und Moos plötzlich mit einer nie da gewesenen Intensität wahr. Auf einmal bekam er das drückende Gefühl, sich unbedingt jemandem mitteilen zu müssen. Doch wollte er weder Aaron noch Ramir – der sich inzwischen wieder auf ihrer Höhe hatte zurückfallen lassen – damit auf die Nerven gehen, dass er sich im dunklen Wald fürchtete.
Unwillkürlich ließ der Schrei eines Käuzchens den Jüngling reflexartig zusammenzucken, und er hoffte, dass die beiden Iatas, die leicht zueinander versetzt, nur wenige Pferdelängen vor ihm ritten, seine Reaktion auf den Vogelschrei nicht bemerkt hatten. Obschon er wusste, dass es unsinnig war, sich zu ängstigen und der Wald an dieser Stelle keinen Deut gefährlicher war als bisher, überkam Darius ein Frösteln, welches nichts mit dem rasch schwindenden Sonnenlicht zu tun hatte. Jeder Strauch, jedes Gebüsch und jedes Knacken im dichten Unterholz wirkte auf einmal unheimlich und bedrohlich, auf den sonst so furchtlosen Kämpfer.
»Wann werden wir rasten?«, fragte Darius schließlich nach einer Weile und übertönte damit ganz bewusst das Rascheln in den Baumwipfeln, welches sie schon seit einigen Augenblicken zu verfolgen schien.
»Wenn es dunkel wird«, kam die knappe Antwort von Aaron. »Unsere Pferde sind gut abgerichtet, sie wissen von selber, wann wir nichts mehr sehen und es für uns zu gefährlich wird, weiter auf ihnen zu reiten.« Sein Tonfall war nicht abweisend, er schien einfach kein Mann großer Worte zu sein, oder aber die Antwort, auf die Frage seines Reisebegleiters erschien ihm als so offensichtlich, dass er keinen Grund sah, weiter darauf einzugehen.
Tatsächlich dauerte es nicht mehr lange, bis das Abendrot fast vollständig verloschen war und sein Tier zusehends langsamer einen Huf vor den anderen setzte, bis es schließlich stehen blieb und ein erschöpftes Schnauben von sich gab. Langsam drehte der Wallach das Haupt, um seinen Herrn aus den großen, schwarzen Augen heraus fragend anzublicken.
Als wäre es für sie die reinste Routine – was vermutlich auch den Tatsachen entsprach – geboten Aaron und Ramir ihren Rössern mit je einer sanften Berührung an den Zügeln anzuhalten und stiegen schwungvoll von ihnen ab. Wortlos und ohne auch nur einen Blick miteinander tauschen zu müssen, ließen sie ihre Rucksäcke zu Boden gleiten und machten sich daran, die Tiere abzusatteln.
Um nicht so auszusehen, als wüsste er nicht, wie er sich verhalten sollte, tat Darius es ihnen gleich und in einem Anflug von aufkommender Selbstsicherheit fragte er nach einigen Augenblicken behutsam: »Soll ... soll ich versuchen uns etwas zu jagen?« Die Worte klangen seltsam hohl in seinen Ohren nach, doch Aaron schüttelte ohnehin den Kopf und packte einen großen, in ein Tuch gewickelten Laib Brot aus seiner Satteltasche.
»Zu dunkel«, entgegnete er schlicht.