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is this life if, full of care,

      We have no time to stand and stare.

      No time to stand beneath the boughs,

      And stare as long as sheep and cows.«

      So fragte der Dichter William Henry Davies in seinem Gedicht Leisure von 1911. Damals hatten die meisten nicht einmal ein Telefon, und damit meinen wir einen oldschool Festnetzanschluss – falls ihr noch wisst, was das ist. »A poor life is this«, schlussfolgert er, nachdem er ein paar weitere Zeilen lang ein Landschaftsidyll beschrieben hat, »if, full of care, / We have no time to stand and stare.«

       [NICHT ZU LEIDEN WAR DAS WICHTIGSTE.]

      Sind wir also immer noch nichts weiter als Hedonisten, die nur Spaß haben wollen und das auch echt gut draufhaben, oder haben wir uns insgesamt in etwas wesentlich Problematischeres verwandelt? Verwandeln wir uns in Wuchermenschen? Ein Mensch im Exzess. Ein Wesen unkontrollierten und unkontrollierbaren Wachstums sowie grenzenloser Gier? Ist das ein neuer Archetyp des 21. Jahrhunderts? Und wenn ja, ist das wirklich das, was wir sein wollen?

      Bevor wir diese Frage untersuchen wollen, rufen wir uns ins Gedächtnis, wie wir genau hier gelandet sind. Das war keineswegs ein Zufall. Für die, die den Zweiten Weltkrieg durch- und überlebt hatten, galt als oberste Priorität, die Lebensumstände in der Nachkriegszeit zu verbessern. Mit deutlicher Erinnerung an die Mühsal, Zerstörung, Not und Rationierung war es am wichtigsten, nicht zu leiden. Nicht verzichten zu müssen.

      Also wurde gearbeitet, und zwar hart, um materiellen Wohlstand anzuhäufen. Nicht nur genug Essen, sondern reichlich Essen. Nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern eine gemütliche Bleibe und ein Auto, am besten zwei. Küchengeräte und Nippes für den Kaminsims. Es schien vernünftig und nötig. Leibliches Wohl und ein anerkannter Lebensstil waren nicht nur eine nette Angelegenheit, es waren Kernambitionen, die Grundmotivation der Begierde. Für einen selbst wie für die eigenen Kinder und Kindeskinder.

      Bei einem derart gut ausgestatteten und versorgten Nachwuchs überrascht es nicht, dass eine Generation entsprang, die alles hatte, und dann eine nächste, die nicht mehr nur alles hatte, sondern komplett drüber war: über-vernetzt, über-ausgestattet und über-versorgt mit Produkten, Marken, Labeln und Dienstleistungen, aber gleichzeitig bemerkenswert unter-engagiert und unter-beteiligt in Bezug auf das eigene »Schicksal«, mehr noch das des Planeten oder das nachfolgender Generationen. So schien es zumindest eine kurze Zeit lang.

      Doch Dinge ändern sich immer weiter. Während wir dies schreiben, erreichen uns die Nachrichtenmeldungen über Proteste in Hongkong und in Moskau. Vor einigen Wochen kamen sie auch aus London. Es geht bei allen Protesten um etwas anderes, aber die Demonstranten gehören zum großen Teil der gerade beschriebenen Generation an. Es wäre schlichtweg falsch, die jungen Menschen heute als allgemein gleichgültig zu beschreiben.

      Bleibt jedoch die Frage: Was passiert nach der Demo? Hier unterscheiden sich die Proteste in Hongkong und Moskau von denen der Extinction Rebellion. Die ersteren haben klare und spezifische demokratische Forderungen, die rein auf der lokalen und nationalen Ebene erfüllt werden können. Der Umweltaktivismus verfolgt viel komplexere Ziele, die nicht lokal und national gelöst werden können, die radikale politische und ökonomische Änderungen erfordern und eine vollständige Überarbeitung und Neukonzipierung der Gesellschaft und ihrer Funktionsweise voraussetzen.

      Es ist ohnehin unmöglich, eine ganze Generation über einen Kamm zu scheren, als wäre sie eine uniforme, homogene Gruppe. Wie immer eröffnet sich auch hier bei näherem Hinsehen ein viel differenzierteres Verständnis. Und zwar das einer Generation, die vielleicht überwältigt ist von den Möglichkeiten, dem Potenzial und den Freiheiten, die sie genießt. Die nicht vor ihren eigenen Verantwortlichkeiten zurückschreckt und Zuflucht in Erholung sucht, die Bedarf hat an einer Strategie oder überhaupt dem Gefühl, etwas ausrichten zu können, wenn man es denn versuchte.

      Darüber hinaus hat sich die wirtschaftliche Realität, in der sich diese Generation wiederfindet, im Vergleich zu dem, was ihre Eltern und Großeltern erlebten, fast bis zur Unkenntlichkeit gewandelt. Jobsicherheit kann man so gut wie vergessen. Staatliche Renten können in vielen großen Wirtschaften nicht mehr die Existenz der alternden Bevölkerung sichern.

      Nie zu wissen, wie lang der eigene Job halten wird, nicht zu wissen, wie man sich im Alter versorgen wird – diese Art von Ungewissheit ist schon ein beachtlicher Stressfaktor, der noch nicht ganz verstanden ist und sicherlich nicht ignoriert werden kann. Wenn du heute Mitte 20, 30 und sogar 40 bist und arbeitest, hast du keinerlei Garantie für eine sichere Altersvorsorge. Vielleicht denkt man nicht jeden Tag daran, aber es lauert irgendwo im Unterbewusstsein. Es ist eine Ungewissheit, die über dir schwebt. Zu allem bereits Erwähnten – den Ablenkungen, den Krisen, dem Bedeutungsverlust – kommt das noch hinzu, ohne die Möglichkeit dem Stress einfach den Rücken zu kehren, sich um sich zu kümmern und sich in ein Leben voller Sonnenuntergänge und Freizeit abzusetzen. Nicht nur hat man jetzt keine Zeit dazu, einfach nur dazustehen und in die Luft zu starren, man wird sie vermutlich nie haben …

      Oder nehmen wir das Konzept, für manche auch das Ideal der »Sharing Economy«. Sie hat gewiss ihren ganz eigenen Charme und suggeriert den Verzicht auf das Bedürfnis, Dinge zu besitzen, als Weg, sich von einem goldenen Käfig zu befreien. Sie bietet stattdessen den über Online- oder Mobilplattformen geteilten Besitz an, ob das eine Bleibe, das Auto für den Weg zum Flughafen oder der Platz zum Arbeiten ist. Aber geht es hierbei wirklich um Teilen? Viele würden das verneinen und feststellen, dass es dabei vielmehr um den somit vermittelten Zugang geht, der nun von noch wenigeren kontrolliert wird, und die Bereitstellung noch stärker monopolisiert ist, als es zuvor der Besitz war. Während es nun also noch schwieriger für junge Leute wird, auf die Besitzleiter zu steigen, bleibt weitgehend unklar, wie die Alternativen aussehen.

      Die Katastrophe für uns als menschliche Wesen, und damit für unseren Planeten, ist nicht, in unserem Verlangen erfolgreich zu sein, sondern vielmehr kulturell darauf konditioniert zu werden, zu akzeptieren, dass Wachstum um des Wachstums willen – mehr zu wollen, einfach weil es mehr ist – und Profit um jeden Preis uns ein Gefühl von Erfüllung oder Zufriedenheit geben werden. Dabei wissen wir, dass das nicht der Fall ist. Die Tatsache, dass materieller Wohlstand und Geld allein nicht glücklich machen, ist immer und immer wieder bestätigt worden. Was wir brauchen, ist eine gesicherte Grundlage und die Möglichkeit, gelassen zu leben. Aber ab einem gewissen Punkt des Wohlstands wird es nicht leichter, sondern tatsächlich immer schwieriger, glücklich zu werden. Das gilt für Individuen wie für die Gesellschaft als Ganzes. Die Folgen davon beginnen wir nun zu spüren.

      PAUSE

      Wir müssen entschleunigen. Wir sind zu beschäftigt, nicht nur unseretwegen, um ein schönes Leben zu genießen, sondern um überhaupt zu leben. Um die echte Arbeit zu leisten und den wichtigen Herausforderungen zu begegnen. Wir sind einfach zu überwältigt und überstimuliert, um den Wald vor lauter Bäumen sehen zu können. Wir haben mehr denn je, wir wissen mehr denn je, wir stecken aber auch mehr denn je den Kopf in den Sand, denn mehr denn je ist dieses Mehr von allem zu viel.

       [WIR BRAUCHEN EIN NEUES TEMPO.]

      Also kann es sein, dass das, was wir wirklich brauchen, ein Notfall-Sabbatjahr ist. Eine Zig-Milliarden-Euro-Stiftung zur Freistellung der hellsten Köpfe, um sich darüber Gedanken zu machen, wie wir mit den großen Fragen fertig werden: der Klimakrise und dem weltweiten demokratischen Defizit und den Fragen unserer Enkel in 20 bis 30 Jahren danach, warum wir nichts gemacht haben angesichts steigender Temperaturen, dauerhafter Hitzewellen, extremer Wetterereignisse und der parallel dazu stattfindenden Ausbreitung von Despotismus und Populismus – damit unsere Antwort nicht lauten muss: Sorry, wir waren leider zu beschäftigt. Beschäftigt mit was?

      In vielen Ländern wird die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) diskutiert – nur eine von vielen Möglichkeiten, die Rolle von Zeit, Arbeit und Menschen in der Wirtschaft neu zu konzipieren.

      An dieser Weggabelung lässt sich noch nicht sagen, ob es der beste Weg ist, aber es ist einer, den es sich lohnt,

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