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90 Prozent des Internetverkehrs durch 0,1 Prozent aller Webseiten fließen, ist das ein Problem? Wenn alles so gut funktioniert? Denn das ist Teil dieser Realität: Die Dinge funktionieren erstaunlich gut. Der Toaster, den du gestern bestellt hast, kommt tatsächlich heute an. Das Auto, das du auf deinem Handy in Schanghai buchst, steht tatsächlich bereit, genau an dem Ort und zu dem Zeitpunkt, den du erwartest. Die Wohnung, in der du in New York übernachtest, ist echt und für dich bereit, und sie ist bezaubernd. Die Mahlzeit, die du in London bei einem indischen Restaurant bestellst, kommt an und ist köstlich. Immer durch die Nutzung der gleichen drei Apps. Überall auf der Welt. Gibt es also ein Problem? Und ist es mein Problem? Stört mich die Vorherrschaft durch einige wenige sehr gut organisierte, professionell betriebene Organisationen, oder ist es mir eigentlich doch egal? Warum sollte es? Warum sollte es nicht?

      Kann es ein freies, vielfältiges, facettenreiches und demokratisches Internet geben? Und wenn das Internet der Ort ist, an dem wir gewohnheitsmäßig unser Leben verbringen, kann es dann immer noch so etwas wie eine demokratische Gesellschaft geben?

      Sollte es das? Und wenn ja, warum?

       [NACH WEM SIND WIR SÜCHTIG?]

      Gutenberg hat es Martin Luther möglich gemacht, seine radikal andersartige Ansicht von Gott und der Kirche Hunderttausenden von Menschen kundzutun, und in der Folge konnten sich Ideen, Wissen und Weisheit verbreiten. Und ja, auch Fehlinformation, Dogma und Propaganda: Wir tun gut daran, uns stets daran zu erinnern. Aber die wesentliche Bewegung war eine von Macht und Kontrolle weg von den wenigen, hin zu den vielen.

      Zuckerberg hat Zugriff auf 2,7 Milliarden Nutzer pro Monat. Das sind Köpfe, Herzen, Gefühle, Ausdrücke, Absichten, Sorgen und Freuden – und das nur durch Facebook und seine Ableger wie WhatsApp und Instagram. Gleiches gilt für Tencent mit QQ. Wir haben also nicht nur Grund zu fragen: Wer ist Zuckerberg, und was sind seine Ambitionen – will er zum Beispiel früher oder später Präsident werden? Wir sollten aber auch fragen: Wer steht hinter ihm? Wer sind die zehn, zwölf Leute mit dem größten Einfluss bei Facebook und andernorts im Internet? Wer kontrolliert Weibo und WeChat?

      Wenn wir Sklaven unserer digitalen Geräte sind, wer sind dann die Herren hinter diesen Geräten und der Software, die auf ihnen läuft?

      Nach wem sind wir süchtig?

      Es ist wichtig, denn wir sprechen hier von uns allen als menschliche Wesen. Und mit diesem Buch stellen wir solche Fragen und finden auch ein paar Antworten, die uns als Wesen menschlich machen – jetzt, in dieser Realität, in der wir leben.

       ORIENTIERUNGSAUSSAGEN

       1.1

      »Wir leben in einer neuen Renaissance.«

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      Trage diesen Wert auf folgenden Achsen ein: A, B, G.

       1.2

      »Technologische Netzwerke erlauben mehr denn je, fantastische Lösungen zu dringenden Problemen zu finden.«

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      Trage diesen Wert auf folgenden Achsen ein: D, E, F.

       1.3

      »Bis dato haben wir das Internet viel zu sehr zur Förderung unserer eigenen Versklavung verwendet.«

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      Trage diesen Wert auf folgenden Achsen ein: A, B, F.

       1.4

      »Wir unterschätzen drastisch den Wert von Informationen.«

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      Trage diesen Wert auf folgenden Achsen ein: B, C, G.

       ÜBUNGEN FÜR DEN WANDEL

       Male dich selbst im Jahre 2045 auf ein Blatt Papier.

      Wenn du deine Zeichnung teilen möchtest, kannst du das hier tun: https://twitter.com/C_Peterka

      Kapitel 2

      Geschätzte Lesezeit: 25 Minuten

      Erster Abschnitt: 11 Minuten

      Zweiter Abschnitt: 14 Minuten

      GAFATA beherrscht die Welt ((Ü1))

      GAFATA BEHERRSCHT DIE WELT

      VIRTUELLER RAUM UND REALES TERRITORIUM– ZWEI SEITEN DERSELBEN MÜNZE?

      DIE DIGITALE UND DIE PHYSISCHE WELT

      Als der Begriff »virtuell« in den 1980er-Jahren geläufig wurde, beschrieb er etwas Distinktives und dem Wesen nach Separates von der »echten« Welt. Tatsächlich verstanden die meisten Leute die beiden Welten als komplett inkompatibel: Man tat Dinge entweder »online«, und dann fand die Sache im virtuellen Raum statt, oder man tat sie »im echten Leben«, dann ging es um die physische Welt mit Objekten, Menschen, Tieren, Natur und Gebäuden.

      Dem virtuellen Raum wurde tendenziell misstraut, zumindest aber wurde er weniger ernst genommen und auch als minderwertig gegenüber der echten Welt betrachtet: Wenn du jemanden in einer Bar kennenlerntest, war das »normal«, und du warst nicht überrascht, wenn es zu einem zweiten Date kam, ihr eine Weile zusammen ausgingt, euch dann entschlosst, zu heiraten und Kinder zu bekommen, einen Hund anzuschaffen, und glücklich wart bis ans Ende eurer Tage. Wenn du jemanden online kennenlerntest, dann war das eigenartig und tatsächlich auch ziemlich fragwürdig.

      Allein an diesem Beispiel kann man sehen, wie sehr sich die Dinge verändert haben: Unser virtueller Raum und unsere reale Welt sind nun ein und dasselbe. Die Unterscheidung ist weitgehend weggefallen, und wir beginnen, unsere Realität als eine Mischung aus einerseits nuklearen Partikeln – der physischen Welt – und Datenpaketen – dem virtuellen Raum – andererseits zu begreifen. Sie sind Teil desselben Universums und im ständigen Zusammenspiel miteinander. Der eine funktioniert nicht wirklich ohne den anderen. Jedenfalls nicht mehr auf eine Art, die wir Menschen des 21. Jahrhunderts als nützlich oder angemessen betrachten würden. Dating, Arbeit, Bankgeschäfte, Kommunikation, Organisation, Geselligkeit, Einkauf, Verkauf, Nachdenken, Trainieren – deine Apps, deine Werkzeuge und Profile sind miteinander verwoben und können nicht voneinander getrennt werden.

      Trotzdem denken wir bei »Digitalität« immer noch an einen »virtuellen Raum«: eine Sphäre getrennt von physischen Barrieren und Grenzen, in der Information fast mit Lichtgeschwindigkeit durch Glasfaserleitungen und drahtlose Netzwerke reist und Geografie und Substanz keinerlei Rolle spielen.

      Auf gesellschaftlicher Ebene behandeln wir den virtuellen Raum tendenziell noch als eine Art Luxus: als Anhängsel der einen echten Welt und als temporär: Vielleicht ist das nur eine Phase, die wir durchmachen, genauso wie wir uns in einer Phase Faxe zugeschickt haben oder Schulterpolster und Vokuhilas attraktiv fanden. Mit Sicherheit fällt es vielen Menschen auch heute noch schwer, die virtuelle Welt als ebenso wichtig zu empfinden wie die reale Welt.

      Beide Wahrnehmungen führen zu schweren Irrtümern und Fehleinschätzungen im Hinblick darauf, wo wir uns heute befinden. Nicht nur ist der virtuelle Raum untrennbar verbunden mit der realen Welt und folglich mindestens genauso wichtig, er ist auch physisch. Er hängt von einer riesigen und teuren Hightech-Infrastruktur ab, verbraucht enorme Mengen Energie und beeinflusst zunehmend das Erleben unseres eigenen physischen Lebens.

      Wie bereits oben ausgeführt, werden Smartphones so entworfen, dass sie uns süchtig machen, nicht nur psychologisch – das auch –, sondern auch körperlich über

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