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schlechte Meinung fassen, wenn ich etwas gegen ihren guten Ruf sagen würde. So brachte er mir die weise Lehre der Verschwiegenheit bei. Meine Eleganz brachte aber den Pfarrer auf, zu dessen Kirche ich gehörte, und er drohte mir die Exkommunikation an, wenn ich die Haare nicht anders tragen würde. Da ich aber darauf nicht hörte, schlich er sich eines Morgens mit Hilfe meiner Großmutter in mein Zimmer und schnitt mir alle Haare des Vorderkopfes ab, von einem Ohr bis zum andern. Aber er erreichte das Gegenteil dadurch: Herr von Malpiero schickte mir einen ausgezeichneten Friseur, welcher mein Haar so kunstvoll anordnete, daß ich noch zufriedener mit meinem Aussehen wurde. Ich wollte mich zwar rächen, das Gericht anrufen, vor allem aber mich einem anderen Pfarrer unterstellen, aber nach einiger Zeit bestimmte Herr von Malpiero mich zum Redner für den Panegyrikus auf das heilige Sakrament, was er als Präsident der Brüderschaft zu übertragen hatte. Ich war entzückt und machte mich gleich an die Arbeit, für die ich das Thema dem Horaz entnahm: Floravere suis non respondere favorem speratum meritis (Sie beklagten sich, daß die gehoffte Gunst nicht ihren Verdiensten entspräche). Als ich fertig, begab ich mich zum Pfarrer; da er abwesend und ich ihn erwarten wollte, so näherte ich mich seiner Nichte Angela und verliebte mich in sie. Am Stickrahmen saß sie, stickte, und als ich mich neben sie gesetzt, sagte sie, sie wünschte mich kennen zu lernen und werde sich freuen, wenn ich ihr erzählen wollte, wie mir ihr Onkel mein Toupet abgeschnitten. Diese Liebe wurde mir verhängnisvoll. Als der Pfarrer nach Hause kam, schien ihm meine Bekanntschaft mit seiner Nichte gar nicht unangenehm. Er nahm meine Predigt, las sie und meinte, es sei eine recht hübsche akademische Abhandlung, aber keine Predigt. Er wollte mir dann eine von seinen geben, die ich vortragen solle, aber ich lehnte es ab. Wir stritten nun einige Tage, bis ich mich, Herrn Malpiero zuliebe, unterwarf. Meine Predigt wurde mit Begeisterung aufgenommen, und alle weissagten mir, ich sei berufen, der erste Prediger des Jahrhunderts zu werden. Der Klingelbeutel brachte mir fünfzig Zechinen und mehrere Liebesbriefe, worüber die Frommen empört waren. Diese reiche Ernte ließ mich den Entschluß fassen, Prediger zu werden, was ich dem Pfarrer mitteilte. Da ich um seine Unterstützung bat, erhielt ich das Recht, ihn täglich zu besuchen; dies benutzte ich, um Angela zu sehen, in welche ich mich immer heftiger verliebte. Aber Angela war tugendhaft, sie wollte wohl, daß ich sie liebe, aber sie wollte auch, daß ich den geistlichen Stand aufgäbe und sie heirate. Trotz meiner Zuneigung zu ihr konnte ich mich dazu nicht entschließen, und dennoch besuchte ich sie fortwährend, weil ich ihr andre Ansichten beizubringen hoffte. Doch ein Geschick sollte mich in meinen höchsten Träumen tödlich treffen. Der Pfarrer fand Geschmack an meiner Predigt und beauftragte mich mit einer andern zum Sankt Josephstag. Als ich ihm diese vorlas, war er voller Enthusiasmus dafür. Jung und eingebildet, wie ich damals war, glaubte ich, ich hätte nicht nötig, das Manuskript auswendig zu lernen; wenn ich mir nur den Gedankengang merkte, so hoffte ich, der noch niemals in irgendeiner Gesellschaft um ein Wort verlegen war, mich leicht aus dem Stegreif weiterzubringen, wenn mich das Gedächtnis einmal verlassen sollte. Dieser Leichtsinn schlug mir zum Übel aus. Man holte mich von einem Essen in die Kirche; mit vollem Magen, erhitztem Kopfe bestieg ich die Kanzel. Zu Anfang ging alles gut, dann aber versagten mir die Gedanken vollkommen, ich stotterte dies und jenes, und die Unruhe der Gemeinde, aus der einige Male ein Gelächter an mein Ohr klang, verwirrte mich vollends. Kam nun wirklich eine Ohnmacht über mich oder rettete ich mich absichtlich hinein; ich weiß es nicht mehr, ich ließ mich umsinken und wurde so von den Kirchendienern in die Sakristei gebracht. Ohne etwas zu sagen, nahm ich Mantel und Hut, eilte nach Hause, packte mein Köfferchen und reiste nach Padua, um dort mein drittes Examen abzulegen. Nach Ostern kehrte ich als Doktor nach Venedig zurück. Es dachte niemand mehr an mein Mißgeschick, und vom Predigerberuf war keine Rede mehr. Den ganzen Sommer schwärmte ich Angela an, deren außerordentliche Zurückhaltung mich aufregte, so daß meine Liebe schon zur Qual wurde. Mein glühendes Naturell verlangte nach einer Geliebten von Bettinas Art, sie sollte meine Liebe befriedigen, aber nicht löschen. Ich war selbst noch rein, in gewissem Sinne, daher schenkte ich dem Mädchen die größte Verehrung. Höchst abweisend behandelte sie mich, so daß mich die Leidenschaft fast verzehrte. Dagegen wirkten meine glühenden Reden auf zwei Schwestern, ihre Freundinnen, welche mit ihr dieselbe Sticklehrerin besuchten, und hätten meine Blicke nicht ausschließlich an der Grausamen gehangen, ich hätte ohne Zweifel gemerkt, daß die beiden schöner und gefühlvoller waren. Aber ich war geblendet. Auf alle meine Bitten antwortete Angela höchstens, sie wolle meine Frau werden, und wenn sie einmal gestand, sie leide genau so sehr wie ich, so schien es ihr die höchste Gnade. In diesem Gemütszustand nahm ich eine Einladung der Gräfin Monte Reale nach Paseano an, wo ich bei ihr die glänzendste Gesellschaft treffen sollte, zu deren Vergnügen ich auch einen guten Teil beisteuerte. Dort vergaß ich für einige Zeit meine hartherzige Angela. In dem Schlosse war mir im Erdgeschoß ein hübsches Zimmer angewiesen worden, welches nach dem Garten hinausging. Als ich am Morgen nach meiner Ankunft aufwachte, wurden meine Augen entzückt durch den Anblick des reizenden Wesens, welches mir den Kaffee brachte. Es war ein ganz junges Mädchen, aber entwickelt wie eine Siebzehnjährige; sie war erst vierzehn Jahre alt. Ihre Haut wie Alabaster, ihre Haare wie Ebenholz, ihre schwarzen, feurigen und unschuldigen Augen, die hübsche Art, ihr Haar zu tragen, die Kleidung, die nur in einem Hemde und einem kurzen Unterrocke bestand und schöngeformte Beine und die niedlichsten Füße sehen ließ: alles dies ließ sie in meinen Augen als eine einzigartige und vollkommene Schönheit erscheinen. Ich betrachtete sie mit dem größten Interesse und ihr Auge ruhte auf mir, als ob wir alte Bekannte wären.

      »Sind Sie mit Ihrem Bette zufrieden?«, fragte sie mich.

      »Sehr zufrieden; ich bin sicher, Sie haben es gemacht. Wer sind Sie?«

      »Ich bin Lucia, Tochter des Hausmeisters. Ich freue mich, daß sie keinen Bedienten haben; ich werde Sie bedienen und bin überzeugt, Sie werden mit mir zufrieden sein.«

      Entzückt über diesen Anfang richte ich mich im Bette auf und sie hilft mir beim Anziehen des Schlafrockes, wobei sie allerlei Sachen spricht, die ich nicht verstehe. Ich fange nun an, meinen Kaffee zu trinken, ebenso verlegen, wie sie sicher ist, und geblendet von einer Schönheit, gegen die man unmöglich gleichgültig bleiben konnte. Sie hatte sich am Fuße des Bettes gesetzt und rechtfertigte die Freiheit, welche sie sich nahm, nur durch ein Lächeln, das alles sagte. Ich trank noch meinen Kaffee, als Lucias Vater und Mutter eintraten. Sie verließ ihren Platz nicht und ihre Blicke schienen einen gewissen Stolz zu verkünden. Diese guten Leute machten ihr sanfte Vorwürfe, baten mich ihretwegen um Verzeihung, worauf sich Lucia entfernte, um ihren Geschäften nachzugehen. Als sie weggegangen, sagten ihr Vater und ihre Mutter mir tausend Artigkeiten und lobten ihre Tochter.

      »Sie ist«, sagten sie, »unser einziges Kind, ein liebes Mädchen, die Hoffnung unseres Alters. Sie liebt uns, gehorcht uns und fürchtet Gott: sie ist gesund wie ein Fisch und hat unsers Wissens nur einen einzigen Fehler.«

      »Worin besteht dieser?«

      »Sie ist zu jung.«

      »Ein reizender Fehler, der sich mit der Zeit bessern wird.«

      Ich konnte mich bald überzeugen, daß die Redlichkeit, die Wahrheit, die häuslichen Tugenden und das wahre Glück bei diesen Leuten zu Hause waren. Während mich diese Vorstellung auf eine angenehme Weise beschäftigte, kam Lucia wieder, lustig wie ein Vogel, gewaschen, angezogen, frisiert nach ihrer Weise und mit guten Schuhen, und nachdem sie mir eine Verbeugung gemacht, wie sie auf dem Lande üblich, küßte sie ihren Vater und ihre Mutter und setze sich dann auf die Knie des braven Mannes. Ich sagte zu ihr, sie möchte sich auf mein Bett setzen; aber sie erwiderte, diese Ehre stehe ihr nicht zu, wenn sie angekleidet sei. Die Einfachheit und Unschuld, welche sich in der Antwort aussprachen, entzückten mich und ließen mich lächeln. Ich untersuchte, ob sie in ihrer kleinen Toilette niedlicher aussehe als in ihrem Negligé, und ich entschied mich für das letzte. Mit einem Wort, ich gab Lucia den Vorzug nicht nur vor Angela, sondern auch vor Bettina. Als der Friseur kam, verließ mich die ehrbare und einfache Familie, und nachdem ich meine Toilette beendet, begab ich mich zur Gräfin und ihrer liebenswürdigen Tochter. Der Tag wurde sehr heiter verlebt, wie gewöhnlich auf dem Lande, wenn man sich in gewählter Gesellschaft befindet. Am folgenden Morgen, als ich aufgewacht, klingle ich, und siehe da, Lucia erscheint einfach und natürlich wie am vorigen Tage, und setzt mich durch ihre Reden und durch ihr Benehmen wieder in Erstaunen. Der Reiz der Unbefangenheit und Unschuld schmückte ihr ganzes Wesen. Ich konnte nicht begreifen,

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