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verstorben sein muss. Und zwar, wie ich vermute, an einer giftigen Substanz.“ Sie deutete auf die Vergrößerung des Erbrochenen, worauf Eddie, der gerade in einen Zuckerweck biss, angewidert die Augen schloss. „Hier seht ihr das Erbrochene des Toten, das ganz typisch für Tod durch Gift ist. Die Thermosflasche ist, bis auf einen kleinen Rest, ausgelaufen, aber da sich zudem die Kleidung vollgesogen hat und durch die feuchte Nachtluft nicht vollständig getrocknet ist, konnte ich durchaus noch ausreichend Proben gewinnen, die wir dann untersuchen können.“ „Sehr gut, Susi!“, lobte Magda die kleine Gerichtsmedizinerin und Eddie ließ stolz seinen Blick auf ihr ruhen. „Außerdem habe ich ein Taschentuch unter dem Opfer sicherstellen können!“, ergänzte Anne mit leuchtenden Augen, woraufhin alle lachten. „Ich habe auch eins gefunden, ein Stück den Weg hoch“, steuerte Magda bei und Anne zuckte die Achseln. „Ich werde beide nachher untersuchen, dann wissen wir hoffentlich mehr.“ „Gut!“, sah Magda in die Runde. „Hat noch jemand etwas Auffälliges entdeckt?“ „Na, Fränzchen hat doch vorhin geknurrt“, sagte Ben lächelnd. „Stimmt“, meinte Magda stirnrunzelnd. „Er sah zum Waldrand, hinter der Apfelbaumanpflanzung und hat wild geknurrt und die Nackenhaare gesträubt, woraufhin ich etwas aufblitzen sah und sicherheitshalber ein Foto gemacht habe. Kannst du es ausdrucken?“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche und hielt es Freddy hin, der es mit spitzen Fingern entgegennahm. In Magdas Taschen tummelten sich (ungebrauchte) Kacktüten, Taschentücher, Bonbons, die manchmal schon klebten und noch einiges mehr, was er gar nicht so genau wissen wollte. „Ich komme gleich“, brummte er missmutig, verließ den Raum und Magda setzte sich lächelnd wieder hin. „Ein tierischer Zeuge, sozusagen“, meinte Anne verschmitzt und warf einen Blick zu Fränzchens Lager, woraufhin der aufsah, weil er ihre Blicke auf sich spürte und gelangweilt gähnte. Alle lachten und Freddy kam mit schnellen Schritten wieder herein. „Also eins vorweg, Magdas Handy ist nicht das Beste, um Fotos zu machen, aber ich habe einen halbwegs akzeptablen Abzug hinbekommen.“ Er schwenkte das Blatt in der Hand hin und her. Magda stand auf und riss es ihm aus der Hand. „Da steht wirklich einer!“ „Wo?“ Anne drängte sich vor und kniff die Augen zusammen. „Jetzt hängt es doch einfach auf, dann sehen wir anderen vielleicht auch etwas!“, rief Eddie aufgebracht. Freddy nahm es Magda aus der Hand und brummte dabei: „Immer diese ungeduldigen Weibsbilder!“ Dann hängte er es an die Tafel, woraufhin alle Augen wie gebannt daran klebten. „Da ist wirklich einer!“, entfuhr es Ben, der eigentlich nicht recht daran geglaubt hatte. „Mein Fränzchen ist halt ein guter Ermittler und unverzichtbar bei der Tatortbesichtigung!“ „Wenn er nicht gerade alles vollpinkelt und dabei wichtige Spuren vernichtet“, ergänzte Anne mit düsterem Gesichtsausdruck und alle grinsten.

      Magda räusperte sich. „Gut, dann essen wir jetzt endlich unsere Zuckerweck und trinken den Kaffee aus, damit wir an die Arbeit kommen, zack, zack!“ Alle lachten und als Magda die leeren Teller sah, wusste sie auch, warum. „Na, ein Glück, dass ich mir ein Stückchen auf meinen Teller gelegt habe, sonst hätte ich glatt nichts mehr erwischt“, meinte sie gespielt streng und machte sich über ihren Zuckerweck her. Was hatte ihr das Geplänkel mit ihren Kollegen gefehlt, als sie so lange krank war! Kurz darauf gingen alle an die Arbeit. Eddie und Anne in ihrem Spusi-Labor-Zimmer, Susi fuhr in die Rechtsmedizin, Freddy bearbeitete die Fotos und Ben und Magda begannen mit ihrem Bericht und planten ihr weiteres Vorgehen. „Die Witwe muss unbedingt einbestellt werden“, ließ Magda ihre Gedanken laut werden. „Das finde ich auch. Ich ruf sie gleich an!“ Ben zog das Telefon, das in der Mitte zwischen ihren Schreibtischen stand, zu sich herüber. „Ich glaube immer noch, dass es meist Frauen sind, die mit Gift morden“, murmelte er dabei. „Besonders die, die sich nicht gern die Hände schmutzig machen, die so etepetete sind, wie eben diese Frau Lang.“ Magda grinste. „Bei mir ist da weniger Gefahr. Ein bisschen Blut zum Beispiel, stört mich gar-nie-nicht.“ Ben lachte und rief: „Wer´s glaubt!“ Er wusste genau, dass seine Chefin ein herzensguter Mensch war und keiner Menschenseele etwas zuleide tun konnte. Er räusperte sich, wählte die Nummer der Witwe und lauschte dem Klingelton. „Guten Tag“, sagte er kurz darauf höflich. „Hier ist Ben Lieb, vom Polizeirevier Höchst. Wir möchten sie gerne zu einer kurzen Befragung vorladen, für morgen früh, um neun Uhr!“ Erschrocken hielt er den Hörer ein Stück vom Ohr weg. Magda hörte die keifende Stimme der Dame bis zu sich herüber und schüttelte missbilligend den Kopf.

      „Nein, selbstverständlich sind sie nicht verdächtig, es ist eine reine Routinebefragung“, rechtfertigte sich Ben mit seiner sanften Beruhigungsstimme. „Würden sie bitte auch den aktuellen Medikamentenplan ihres Mannes mitbringen? Das wäre sehr lieb und hilft uns sicher weiter – danke Frau Lang!“ Aufatmend legte er auf. „Puh!“ Magda sah ihn mitfühlend an. Diese Seite ihres Berufes war nicht so schön, aber ohne, manchmal peinliche, Befragungen ging es nun einmal nicht. Irgendwo mussten sie anfangen und das war leider meist bei der Familie. Apropos Familie - „Hat Herr Lang eigentlich gar keine anderen Verwandten mehr?“ Sie hob den Kopf und betrachtete Ben, dessen rotes Gesicht jetzt wieder langsam erblasste und seine normale Farbe annahm. „Soweit ich weiß, nicht, aber ich werde gleich noch einmal recherchieren und auf der Gemeinde Lützelbach anrufen.“ „Tu das, mein Lieber“, antwortete Magda und ließ ihre Gedanken zum baldigen Feierabend abschweifen.

      S E C H S

      Der Meister, wie er sich selbst seit kurzem betitelte, betrat sein geheimes Reich. Er nannte es so, weil niemand, außer ihm, Kenntnis davon hatte. Die altmodische Neonröhre an der Decke blinkte widerwillig, bevor sie den Raum in helles, kaltes Licht tauchte.

      Er trat vor die einzige freie Wand, die von oben bis unten mit Bildern und Zetteln bedeckt war. Gedankenverloren betrachtete er die Männer und Frauen, deren Gesichter und Namen sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt hatten.

      Die oberen fünf waren mit schwarzem Filzstift durchgestrichen. In der Mitte hing das größte Bild. Sanft streichelte er darüber und eine Träne rollte ihm über die Wange. Das große dunkle Kreuz das er hinter den Namen gemalt hatte, schmerzte ihn jedes Mal aufs Neue, wenn er es ansah. „Das hast du nicht verdient!“, schluchzte er leise und trat einen Schritt zurück, bis er mit dem Rücken an den Tisch stieß, der hinter ihm stand. Er zog den Stuhl darunter heraus und setzte sich, das Foto dabei nicht aus den Augen lassend. Dann schloss er kurz die Augen, die er langsam über die alte Einbauküche gleiten ließ, ohne sie wirklich zu sehen. Zu tief war der Schmerz über seinen Verlust, den er erlitten hatte – immer noch, nach mehr als zehn Jahren. Aber er würde alle bestrafen, die seiner Meinung nach, schuldig waren. Langsam kam er wieder in die Gegenwart zurück und stand auf. Er öffnete eine Hängeschranktür und ließ den Blick über die aufgereihten Dosen und Gläser gleiten. Seine inzwischen doch recht beachtliche Sammlung, würde sicher eine Weile reichen. Falls nicht, könnte er jederzeit sein Labor wieder zum Leben erwecken. Alles, was er dazu brauchte, hatte er in einer abgeschlossenen Kiste im Keller aufbewahrt. Beinahe zärtlich betrachtete er die Etiketten mit dem Totenkopfzeichen darauf. Er schloss die Schranktür und öffnete dafür eine unter der Arbeitsplatte. Darin standen zehn identische Thermosflaschen, aufgereiht, wie die Zinnsoldaten. Wie gut, dass seine Opfer so vertrauensselig waren und sich sogar noch freuten, wenn er ihnen die Thermosflasche mit dem heißen Teegebräu und der geheimen Zutat überreichte, damit sie sich aufwärmen konnten, wie er ihnen sagte. Sie waren immer sehr dankbar dafür gewesen. Er lachte hämisch. Selbst schuld, aber typisch für sie! Dann nahm er ein Gießkännchen aus dem Spülbecken, das er beim letzten Mal mit Wasser gefüllt hatte und ging zum Fenster, wo einige Pflanzen eifrig blühten. Liebevoll versorgte er sie mit Wasser und lachte leise. Dann verließ er die alte Küche und schloss sorgfältig die Tür.

      S I E B E N

      Magda stieg müde aus ihrem alten Meriva, den sie in der offenen Garage geparkt hatte und hob das Fränzchen heraus. Abends wollte ihr Herbert vorbeikommen. Sie hatten ausgemacht, dass sie heute zum ersten Mal nach ihrer schweren Verletzung, zum Tanzkurs gehen wollten – aber nur, falls sie nicht zu erschöpft dafür sei, hatte sich Herbert ausbedungen. Dieser liebe Schatz. Wie froh sie war, dass er sich so liebevoll um sie sorgte. So einen lieben Mann gibt es nicht nochmal, dachte sie lächelnd.

      Sie

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