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schön bist Du, mit Blick von der Johannisruh. Wenn dann im Frühling die Bäume blühn und winkende Wanderer vorüber ziehn, wird uns die Schönheit unserer Heimat bewußt und man möchte singen voller Lust - ein schönes Plätzchen ist das hier, dem VVR sei Dank dafür!“

      Gleich daneben hing ein ausführliches, gerahmtes Gedicht hinter Glas, das er diesmal nicht las – er konnte es sowieso auswendig. Still lächelte er in sich hinein und flüsterte dabei:

      „Johannes Ruh, Johannes Ruh,

       ein Plätzchen – ach wie schön bist du.

       Wie herrlich ist in´s Dorf der Blick

       Lieb Dörflein, ach leb doch immer im Glück.

       Hier erfreut sich jung und alt,

       so schön hier bei dem Tannenwald;

       man hört dort drüben das Glöcklein klingen

       und ringsherum die Vöglein singen.

       Man sieht hier den fröhlichen Wanderer ziehn,

       oben am Berghang die Obstbäume blühn

       und unten sieht man die Autos sausen

       hoch in den Lüften die Flugzeuge brausen.

       So friedlich steht´s Kirchlein in der Mitte,

       zur Schule geh´n die Kinder mit schnellem Tritte;

       überall gehen weit und breit

       viel gute und auch brave Leut.

       Kommt man von unten oder oben,

       jeder wird das Plätzchen loben;

       von hier aus sieht es so herrlich aus,

       wenn man betrachtet sein Heimathaus.

       Geht man vorbei und ist sehr müd

       Und die Vöglein singen ihr Abendlied

       erlabt sich jung und alt das Herz

       und man vergisst so manchen Schmerz

       Geht man abends in sein Kämmerlein,

       spät schon, beim lieben Mondenschein,

       schickt man sein Nachtgebet zum Herrn,

       für alle Lieben aus Nah und fern,

       denk ich nochmals an die Johannes Ruh

       bis mir fallen die Augen zu.“

      Er genoss noch einmal den schönen Ausblick, dann setzte er sich auf die Bank, die den Holzstamm umschloss, öffnete die mit Tee gefüllte Thermosflasche, die ihm seine Frau, wie immer, fürsorglich am Morgen gefüllt hatte. Liebevoll dachte er an sie, die so gut zu ihm war. Sie war um die zwanzig Jahre jünger als er und äußerst liebreizend anzusehen. Manchmal konnte er immer noch nicht fassen, warum sie gerade ihn gewählt hatte. Ihn, der doch eher unscheinbar daherkam und nicht viel darstellte, im Gegensatz zu ihr, die so wunderschön und wohlsituiert war. Daher hatte er vor einem knappen Jahr, als er sie kennenlernte, auch gleich gewusst, dass sie nicht hinter seinem Geld her sein konnte. Er hatte sie nach kurzer Zeit zu seiner Frau gemacht und ihr von ganzem Herzen vertraut, wie er es auch heute immer noch tat. So ein spätes Glück war nicht jedem beschieden und niemand sollte ihn der Undankbarkeit bezichtigen. Er nahm noch einen tiefen Schluck von dem wohlschmeckenden ayurvedischen Tee, den seine Sybille so liebte und auf dessen gesundheitsfördernde Wirkung sie schwor, runzelte kurz die Stirn, da er diesmal etwas bitter schmeckte. Wahrscheinlich hatte sie ihn zu lange ziehen lassen, fuhr es ihm durch den Kopf. Gemächlich trank er aus und füllte den Becher noch einmal bis zum Rand. Sie hatte sich die Mühe gemacht und ihren selbstgemischten ayurvedischen Tee für ihn gekocht, da wollte er seine Wertschätzung ihrer Mühe auch zeigen, indem er ihn austrank, wenn er auch diesmal nicht so gut wie sonst schmeckte. Er zuckte die Achseln und setzte den nun leeren Becher ab. Verwirrt und zunehmend beunruhigt registrierte er zunehmendes Herzklopfen, das sich zum allmählichen Herzrasen steigerte. Das Atmen fiel ihm schwer, er bekam kaum noch Luft. Automatisch zerrte er an seinem Reißverschluss, um den Anorak zu öffnen und ließ dabei sein geliebtes Heimatdorf nicht aus den Augen.

      Der Becher rutschte ihm aus der Hand, der restliche Tee, der darin gewesen war, versickerte im weichen Boden und er sank mit weit aufgerissenen Augen allmählich nach hinten, gegen den Stamm. Von dort kippte er langsam zur Seite, rutschte dabei nach vorn von der Bank herunter, erbrach sich dabei heftig und kam mit einem dumpfen Plumps auf dem Boden auf. Als sein Kopf auf den Boden aufschlug, war er bereits tot. Der restliche Inhalt der Teeflasche ergoss sich neben ihm, vermischte sich mit dem Erbrochenen und die heiße Flüssigkeit tränkte seine Hose, doch das spürte er nicht mehr.

      Z W E I

       Dezember 2021

      Im Polizeirevier Höchst stand Helmut, der uniformierte Polizist, am Empfang und hielt sich den Hörer des Telefons ein Stück weit vom Ohr weg. Teilnahmsvoll schlug ihm Eddie, der gerade vorbei ging, auf die Schulter und grinste dabei schadenfroh.

      Helmut jedoch packte ihn geistesgegenwärtig an der Hand und hielt ihn entschlossen fest, wobei er aufgeregt mit dem Kopf zum Hörer deutete.

      Eddie zuckte gelangweilt die Schultern und blieb gutmütig stehen. „Moment!“, rief Helmut in diesem Moment und drückte ihm mit den Worten: „Ich gebe ihnen meinen Kollegen, der dafür zuständig ist“, das Telefon in die Hand.

      Augenrollend nahm dieser den Hörer und meldete sich knapp: „Kommissar Edgar Appel, was kann ich für sie tun?“ Eine aufgeregte Frauenstimme drang in enormer Lautstärke an sein Ohr und automatisch hielt er sich, wie zuvor schon Helmut, den Hörer ein Stück vom Ohr weg. Stirnrunzelnd hörte er eine Weile zu, dann unterbrach er entschlossen den Wortschwall der aufgebrachten Dame. „Name und Adresse?“ Er zog einen Stift aus der Jackentasche und schrieb auf den Zettel, den ihm Helmut eilig hinhielt ein paar unleserliche Worte. „Wir kommen!“, und legte auf.

      „Danke Helmut, für das erfreuliche Gespräch!“ Gespielt böse sah er den Kollegen an, der ihn unbeeindruckt anlächelte, dann verließ er den Eingangsbereich, um schnellstmöglich das Ermittlerteam zu verständigen.

      Magda war heute erst den zweiten Tag wieder im Dienst. Nach ihrer schweren Verletzung, war sie einige Wochen krankgeschrieben gewesen. Mit Kopfverletzungen war nicht zu spaßen und ihre Kollegen hatten darauf bestanden, dass sie sich ihre Auszeit nahm, bis zur vollständigen Genesung. Doch jetzt reichte es ihr mit dem Krankenstand, sie war lange genug daheim gewesen und brannte darauf, wieder etwas Sinnvolles zu tun, sprich, zu arbeiten. Nicht, dass sie Hausarbeit für weniger wertvoll hielt, aber ihre Arbeit war ihr Leben und sie fühlte sich persönlich dafür verantwortlich, wenn ein Mörder nicht gefasst wurde und davonkam.

      Alarmiert betrachtete sie ihren Kollegen, der, obwohl frisch von daheim kommend, bereits wieder reichlich derangiert aussah. „Was ist los, Eddie? Ist etwas passiert?“

      Ratlos sah er sie an. „Ich bin mir nicht sicher, aber es klang schon besorgniserregend, was mir die Frau eben am Telefon erzählt hat.“ „Wie erzählt, das Telefon hat doch gar nicht geklingelt!“ Magda sah ihn fragend an.

      „Helmut hat mir, als ich hereinkam, gleich vorne, den Hörer in die Hand gedrückt.“ „Ach so“, nickte Magda lächelnd. „Hat er gleich geschaltet und das Gespräch auf dich abgewälzt!“ Eddie nickte finster. „Das kann man wohl sagen. Die Dame war sehr laut und aufgeregt. Sie macht sich Sorgen um ihren Mann, der gestern von einem Spaziergang nicht nachhause kam und fürchtet das Schlimmste.“ „Wir fahren hin!“, beschloss Magda kurzerhand.

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